Brave Eheleute auf Glückssuche

Im "Theater an der Kö" feierte jetzt die Komödie "In jeder Beziehung" Premiere. Jochen Busse und Claudia Rieschel glänzten in der Rolle eines Ehepaars, das am 24. Hochzeitstag etwas Verwegenes beschließt: Jeder darf den anderen ein einziges Mal betrügen.

Mit verbundenen Augen liegt Leah auf der Couch, den Mund sperrangelweit geöffnet. Erwartungsvoll schleicht sich Paul heran, eine blaue Plastikdose in der Hand. Daraus fischt er ein Rad Bierwurst und bugsiert es täppisch auf ihre Zunge.

Durch dieses rührend naive "erotische Spielchen" nach dem Muster eines sinnlichen Soft-Pornos wollen die beiden am 24. Hochzeitstag ihre sexuell ausgeleierte Ehe aufpeppen. Natürlich wird es eine Pleite. Was das Paar darüber nachdenken lässt, ob ein Seitensprung nicht doch effektiver wäre. Einmal im Leben will Leah "etwas Verwegenes" tun und schließt mit ihrem anfangs widerborstigen Mann einen seltsamen Pakt: Jeder darf den anderen ein einziges Mal betrügen. Aber bitte innerhalb von zwei Wochen.

Die Komödie "In jeder Beziehung" entzündet im "Theater an der Kö" ein Feuerwerk an Pointen. Die Autoren Lars Albaum und Dietmar Jacobs schrieben Jochen Busse erneut ein Stück auf den Leib, in dem der Erzkomödiant mit Wonne auf die Pauke hauen kann. Die stets souveräne Claudia Rieschel ist ihm eine ebenbürtige Partnerin. Es sind ulkige Szenen, wenn die kreuzbraven, aber eigentlich ja ganz glücklichen Eheleute ihr vermeintliches Heil beim Fremdgehen suchen.

Und das auch nur, weil ihre abenteuerlustigen Single-Freunde sie dazu angestachelt haben. Monica Kaufmann ist fabelhaft als leicht überspannte Maklerin Katja, deren Lebensinhalt sich auf lockere Affären mit Jungspunden beschränkt. "Die Ehe ist ein Unfall", behauptet sie, "deshalb wird nach einer Trauung auch gehupt." Mit Schlagfertigkeit und Raffinesse wickelt sie die verdutzte Leah ein. Der smarte Marko Pustisek spielt Dieter, einen Scheidungsanwalt und verblühten Playboy mit Hang zu jungen Mädchen. Seinem staunenden Kumpel Paul führt er mit öligem Charme vor, wie man flugs eine Eroberung macht und nimmt sich dabei selbstironisch auf die Schippe.

Die Freunde sind sich einig in ihrem Urteil: Wer sich zum Hochzeitstag mit einem Nasenhaarschneider und der Aussicht auf einen elektrischen Fußwärmer beschenkt, dessen Ehe benötigt dringend einen Kick. Als Leahs Kurzzeit-Liebhaber wird ein knackiger finnischer Tennistrainer ausgespäht. Paul soll sich nach Dieters Willen derweil von einer süßen Friseurin verwöhnen lassen. Dafür wird er neu eingekleidet. Fort mit diesen Langweiler-Klamotten in Beige ("Du siehst darin aus wie ein orthopädischer Strumpf") und her mit flirrend bunten und grellen Farben. Und Jochen Busse gibt dem Affen Zucker. Allein dieser Pullover – wo kriegt man so einen heute bloß her?

Dass die jeweiligen Schäferstündchen gleichzeitig geplant sind und die angemieteten Hotelzimmer ausgerechnet Tür an Tür liegen, führt zu Turbulenzen, die einige minder feinsinnige Momente mit sich bringen.

In dieser Phase geht die Handlung auf Kurs in Richtung Klamotte, bleibt aber dennoch dank des quicklebendigen und glänzend eingespielten Ensembles höchst vergnüglich. Auch die zwei jungen Darsteller, Kerstin Rath und Fabian Goedecke, bringen sich bei ihren Auftritten als "Lockvögel" erfrischend ein.

Die Komödie "In jeder Beziehung" verweist mit gewitzten und punktgenauen Dialogen auf die Kabarett-Erfahrung der Autoren. Spaßmacher Busse wird sich vorbehalten haben, mit einem Solo aufzutrumpfen, das an seine Vergangenheit beim politischen Kabarett anknüpft. Sein eingebettetes Kabinettstückchen gefällt mit aktuellen Bezügen, auch wenn es einen kleinen Bruch bedeutet: Denn der biedere Paul hat nur wenig gemein mit dem geschliffenen Könner, der sich in direkter Ansprache ans Publikum wendet und es zum Lachen bringt.

Am Ende aber fügt sich alles harmonisch zusammen. Drei Paare schweben auf Wolke Sieben. Bleibt nur die Frage: Wer mit wem?

Die Premierengäste amüsierten sich prächtig und nahmen zum Abschied Jochen Busses Gruß von der Bühne mit: "Eine Botschaft gibt es nicht. Es ist alles nur Theater."

(RP)
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