Gefahr durch Krankheitserreger Experten warnen vor dem „Zecken-Jahr“

Düsseldorf · Das Risiko für einen Zeckenbiss ist in diesem Jahr besonders hoch. Die Tiere können Hirnhautentzündung und Borreliose übertragen. NRW ist bisher allerdings kein besonders gefährdetes Gebiet.

 Das Risiko für Zeckenbisse ist in diesem Jahr besonders hoch.

Das Risiko für Zeckenbisse ist in diesem Jahr besonders hoch.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Das Wetter war schön, Tina Klaus hatte den Nachmittag im Garten ihrer Mutter in Wuppertal verbracht. Danach saßen sieben Zecken an ihren Beinen – die sich allerdings noch nicht festgebissen hatten. Viele Garten- und Hundebesitzer haben diesen Sommer ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass es besonders viele der Blutsauger gibt. Experten bestätigen die Beobachtung. „In diesem Jahr ist das Risiko für einen Zeckenbiss insgesamt besonders hoch“, sagt Gerhard Dobler vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). „Wir erwarten die höchste Zahl an Zecken in den vergangenen zehn Jahren.“

Die Tiere sitzen auf Büschen, Sträuchern und Gräsern und gelangen von dort auf einen Wirt, dessen Blut sie saugen können – das sind meist Wildtiere, oft aber auch Menschen. Der sogenannte Gemeine Holzbock ist dabei der Hauptüberträger der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), einer viralen Hirnhautentzündung, die tödlich enden kann. Auch die Borreliose wird von dieser Zeckenart übertragen.

Während es für die FSME keine Heilung, aber eine vorbeugende Impfung gibt, existiert für die Borreliose kein Impfstoff, aber eine Behandlungsmöglichkeit mit Antibiotika. Die gute Nachricht lautet, dass in diesem Jahr die Zahl der an FSME erkrankten Patienten noch nicht besorgniserregend ist.

Bisher hat das Robert-Koch-Institut 107 Fälle in ganz Deutschland registriert. Im Jahr 2017 lag die Zahl mit 500 Fällen sehr hoch, ein Drittel über dem Wert von 2016. NRW gehört nicht zu den FSME-Gebieten wie etwa Bayern, Baden-Württemberg oder einige der neuen Bundesländer. „Es gab immer mal wieder einzelne Fälle in NRW, die waren allerdings häufig reisebedingt“, sagt Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Einzelne Fälle traten bisher etwa am Niederrhein, in Solingen, Aachen, im Rhein-Erft-Kreis und im Rhein-Sieg-Kreis auf.

Was die Zecken hier übertragen, ist die Lyme-Borreliose. Diese Infektion durch Bakterien kann sich erst Monate nach dem Zeckenbiss bemerkbar machen: mit Kopfschmerzen, Grippesymptomen, später entzündet sich das Nervensystem, Gelenkschmerzen treten auf.

Während die Borreliose in NRW nicht meldepflichtig ist, erheben sieben andere Bundesländer (unter anderem Bayern, Rheinland-Pfalz und in Ostdeutschland) die Zahl der Erkrankten. Diese ist laut RKI tatsächlich in den Wochen seit Ende April stark angestiegen. So war die Zahl in der 24. Kalenderwoche im Juni mit 1891 gemeldeten Fällen bereits hoch für die Jahreszeit. Die Spitzenwerte im vergangenen Jahr lagen im Juli bei über 400 neu Erkrankten pro Woche – in den sieben Bundesländern, in denen diese Erkrankung erfasst wird. Insgesamt gab es im Jahr 2017 rund 7800 registrierte Fälle.

Welche Krankheiten Zecken übertragen
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Foto: dpa, Patrick Pleul

Die Wissenschaftler vom DZIF glauben, dass die Zahl am Ende dieses Jahres deutlich höher sein wird. Sie haben ein Prognosemodell entwickelt, das etwa Durchschnittstemperaturen und Nahrungssituation von Wildtieren mit berechnet. Anhand der Daten hatten sie für den Sommer 2017 pro standardisierter Fläche 187 Zecken vorhergesagt und 180 gefunden. Für 2018 wurde mit 443 Zecken die höchste je gefundene Zeckenzahl vorausgesagt. Dobler ist sich sicher, dass die Vorhersage stimmt. „Wir haben die höchste Zahl von Zecken, die wir seit Beginn der Untersuchungen gesammelt haben – gut für die Zecken, schlecht für uns.“

Glasmacher will die Daten aber relativiert sehen. Erstens habe es in den vergangenen Jahren immer starke Schwankungen bei der Zahl der Zeckenbisse gegeben. Zweitens sei der sprunghafte Anstieg der vergangenen Wochen auch auf das gute Wetter zurückzuführen. Viele Menschen würden sich leicht bekleidet in der Natur bewegen. Sie rät aber auch dazu, die Gefahr ernst zu nehmen.

„Wenn man sich im Freien aufgehalten hat, sollte man sich auf jeden Fall nach Zecken absuchen“, sagt Glasmacher. Das gelte auch im Winter, denn die Tiere sind ab einer Außentemperatur von acht Grad aktiv. Die Borreliose-Erreger sitzen im Darmtrakt der Zecken und brauchen acht bis zehn Stunden, bis sie in die Mundwerkzeuge und somit in den Menschen gelangen. „Wenn man die Zecke schnell entfernt, besteht ein geringes Borreliose-Risiko“, sagt die Biologin. Außerdem führe nur ein Prozent der Zeckenbisse zu Borreliose, da nicht alle Zecken die Erreger in sich tragen.

Zecken mögen das warme feuchte Wetter und sind dann entsprechend aktiver. Feucht und warm mögen sie es auch auf ihrem Wirt, weshalb sie sich gerne Stellen unter der Achselhöhle oder im Schritt suchen, um sich festzubeißen. Wer sich schützen will, sollte bei der Gartenarbeit etwa lange Kleidung tragen und sich danach absuchen. „Es gibt auch Substanzen, mit denen man sich vorsorglich einsprühen kann“, sagt Glasmacher.

Eine Impfung gegen die von Zecken übertragene FSME zahlen die Krankenkassen allerdings nur, wenn man in einem Risikogebiet lebt oder dort in den Urlaub fährt.

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