Autoren am Mikrofon

Auf dem kargen Betonpult hat ein Radiorekorder Platz genommen. Seine Tasten drückt Mara Genschel aus Berlin. Gedichte wie "Kein Schatten Hunt", "Mondnacht, mit klemmenden d" und "Abgang der Gefleckten Kuckucksblume" klingen mechanisch, wie zischend geflüsterter Rap. "Blabla", wirft die studierte Musikwissenschaftlerin ein und verweist auf den Dadaismus – absolut individuelle Dichtkunst.

Das Publikum im Salon Des Amateurs ist gebannt von Genschels virtuosem Spiel mit den Erzählebenen: Nüchterne Beschreibung, Kommentar und Dialog fließen ineinander wie Klänge im Free Jazz. Zum Abschluss wird die experimentelle Sendersuche am Radio zur Collage aus Geräusch und Lyrik. "Das ist der ersehnte Ernstfall", knistert es aus den Lautsprechern. Wie wahr!

Es ist einer der wenigen Abende, an denen im Literaturclub Düsseldorf (LCD) mehrheitlich Düsseldorfer Autoren am Mikrofon zu Gast sind. Mithu Sanyal wird von Moderator Jens Prüss flapsig mit der Trias Vulva, Vergewaltigung und Knabenliebe angekündigt.

Man befürchtet Schoßgebete, aber es kommt anders: Die promovierte Kulturwissenschaftlerin liest aus ihrem Roman "Prolog", der in Düsseldorf spielt. Sanyal erzählt im Schnelldurchlauf vom Besuch der Krimiautorin Mira und ihrer Freundin Anita im internationalen Bildungszentrum "Die Brücke". Das dort stattfindende Konzert der Folkband Organic Oatcakes entartet zum turbulenten Abriss über schottische Kulturgeschichte und mündet im Geständnis einer Schwangerschaft. Ein ambitionierter Text, der die Leichtigkeit Nick Hornbys mit Düsseldorfer Lokalgeschichte verbindet.

Peter Phillip, einst Mitglied bei den A-capella-Komödianten Waschkraft, tritt in Doppelrolle auf: Als Humorist berichtet er von den Wochenendritualen der vierköpfigen Familie Beil aus Angermund und erweist sich als pointierter Beobachter der Eltern-Kind-Beziehung.

Der Poet Philipp bewegt sich zwischen Stücken, die er selbst als Schnulzen und Miesepetern bezeichnet und mit stillem Witz überzeugen.

So präsentierte sich der LCD als bunter Stilmix. Talente wie Mithu Sanyal und Peter Philipp beweisen: In der Düsseldorfer Literaturszene passiert was.

(RP)
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