Landpartie – Neue Touren für Entdecker Beethovens Wiege in Bonn

Bonn · 1770 erblickte Ludwig van Beethoven in Bonn das Licht der Welt. Sein Geburtshaus ist Gedenkstätte und auch Zentrum der Beethovenpflege. Ein Rundgang mit Bonns Generalmusikdirektor Dirk Kaftan.

 Von Angesicht zu Angesicht: Dirk Kaftan und eine Büste Ludwig van Beethovens.

Von Angesicht zu Angesicht: Dirk Kaftan und eine Büste Ludwig van Beethovens.

Foto: Benjamin Westhoff

Es ist fünf vor zehn Uhr morgens, als wir uns vor dem Eingangstor zu Beethovens Geburtshaus in der Bonngasse treffen. Die schwarze Lederjacke, die Dirk Kaftan trägt, lässt nicht auf den ersten Blick auf seine Profession schließen. Seit 2017 ist er Generalmusikdirektor der Stadt Bonn und damit Chef des Beethoven-Orchesters. Genauso gut könnte man ihn für den Lehrer einer der mit uns vor der verschlossenen Tür wartenden Schulklassen halten. Die Kinder sind zum Teil von weither angereist, eine Klasse sogar aus Frankreich. Die Kundschaft in Beethovens Geburtshaus ist international. Kaftan selbst lebte als Schüler in Wittlich an der Mosel. 110 Kilometer trennten ihn vom Beethoven-Haus. Da drängt sich die Frage auf, ob er Beethovens Geburtshaus schon mal als Kind besucht habe. „Nein, nie“, sagt der 45-Jährige. „Das Beethoven-Haus habe ich zum ersten Mal besucht, als klar war, dass ich die Stelle hier in Bonn kriegen würde.“

Das Tor öffnet sich pünktlich um zehn Uhr. Wir schlendern durch den Garten und betreten das gelb getünchte Geburtshaus. Das Entree wirkt recht unspektakulär. Der Familienstammbaum der Beethovens und historische Stadtpläne von Bonn und Wien lassen sich hier studieren. Kaftan sieht sich die Karten an. „Beethoven ist Last und Lust gleichzeitig“, sinniert er dabei über seinen Job als Generalmusikdirektor in der Geburtsstadt des Komponisten. „Man misst sich als Musiker ohnehin an ihm, und dann dann nach Bonn zu kommen, ist schon eine Herausforderung. Die Frage ist: Wie versteht man den damit verbundenen Auftrag?“

Bewahren und Musizieren gleichzeitig

 Das Beethoven-Haus steht in der Bonngasse.

Das Beethoven-Haus steht in der Bonngasse.

Foto: Beethoven-Haus

Wir gehen ein paar Schritte weiter. Ein Bild an der Rückwand des Zimmers dokumentiert das Streichquartett-Ensemble des berühmten Geigers Joseph Joachim 1890 in Bonn. Joachim war der erste Ehrenpräsident des Vereins Beethoven-Haus. Dieser wurde 1889 von zwölf Bonner Bürgern gegründet, um das vom Abriss bedrohte Anwesen zu kaufen und zu einer Gedenkstätte umzugestalten. Als Gründer der Kammermusikfeste des Beethoven-Hauses steht Joachim für das bis heute gepflegte Neben- und Miteinander von Bewahren im Museum und im Archiv und lebendigem Musizieren im Kammermusiksaal des Hauses. Ein bisschen mehr Präsenz der Musik Beethovens wünscht sich Kaftan auch für die Ausstellungsräume, um „eine lebendige Brücke zu schlagen“.

Möglicherweise wird dem Dirigenten dieser Wunsch bald erfüllt. Die Dauerausstellung wird im Februar 2019 bis zum Mai für aufwendige Umbauten geschlossen, um sich dem Publikum zu Beethovens 250. Geburtstag im Jahr 2020 moderner und zeitgemäßer zu präsentieren zu können.

 Hörrohre Ludwig van Beethovens

Hörrohre Ludwig van Beethovens

Foto: Beethoven-Haus

Bonn als musikalische Weltstadt

Als Kaftan ein Porträt von Beethovens Großvater Ludwig d. Ä. sieht, der als Hofkapellmeister im Dienste des Kurfürsten von Köln sehr hohes Ansehen genoss, erinnert er an die große Zeit der Bonner Hofkapelle: „Sie war eines der besten Orchester der Welt. Das vergisst man immer gern. Da konnte eigentlich nur die Hofkapelle in Mannheim mithalten“, sagt er. „Wenn die Leute sagen, dass Beethoven hier in der Provinz aufgewachsen sei, stimmt das in musikalischer Hinsicht ganz sicher nicht. Er hat hier genau die richtigen Impulse bekommen und hat mit Weltklassemusikern gearbeitet. Er ist hier großgeworden in einer musikalischen Weltstadt.“

Die Bratsche, auf der Beethoven damals in der Bonner Hofkapelle spielte, kann man im Beethoven-Haus bestaunen. Eine weitere Attraktion aus der Instrumentensammlung des Museums ist der letzte Flügel des Komponisten aus der Werkstatt des Wiener Klavierbauers Conrad Graf. Ihm gegenüber steht ein Instrument, das baugleich mit dem Hammerklavier ist, das der Londoner Klavierbauer Thomas Broadwood dem Komponisten 1817 schenkte.

 Im Inneres des Beethoven-Hauses.

Im Inneres des Beethoven-Hauses.

Foto: Beethoven-Haus

Die Kenntnis historischer Instrumente ist für Kaftan ein wichtiger Aspekt, die Musik der Beethoven-Zeit zu verstehen. „Der Originalklang erzählt viel über die Musik. Ich finde es wichtig, dass man immer wieder vergleicht.“ Deshalb sei geplant, ab 2020 ein Hofkapellenprojekt ins Leben zu rufen. Zum Teil sollen dabei historische Instrumente zum Einsatz kommen. „Wir wollen uns mit dem Hofkapellenrepertoire auseinandersetzen, was hier auch zum Teil schlummert. Das wollen wir sichten, editieren und aufführen.“

Viele Exponate aus Beethovens Leben

Zu den berühmtesten Stücken der Sammlung des Beethoven-Hauses, bei der es sich um die weltweit größte handelt, zählen die Autographe der Mondscheinsonate, der Sinfonie Nr. 6 („Pastorale“) oder der Diabelli-Variationen. Diese lichtempfindlichen Kostbarkeiten sind in der Dauerausstellung nicht zu sehen, sondern lagern für die Öffentlichkeit verborgen hinter einer schweren Eisentür im Tresorraum unter dem benachbarten Kammermusiksaal. Nach seinem ersten, eher kurzen Besuch in diesem Hochsicherheitstrakt der Beethovenpflege war Bonns Generalmusikdirektor klar: „Ich will unbedingt noch einmal hin.“

In Beethovens Besitz befanden sich nicht nur kostbare Instrumente, sondern auch ein wunderschön und aufwendig gearbeiteter Schreibtisch, der die Zeit überdauert hat – unter anderem im Arbeitszimmer von Stefan Zweig. Kaftan ist da allerdings wenig neidisch auf den Schriftsteller. An diesem Tisch zu arbeiten, wäre dann doch ein bisschen anmaßend, findet er. „Der ist hier schon ganz gut aufgehoben“, sagt der Musiker, erwähnt noch, dass „das hier eine sehr aufgeräumte Fassung des Studierzimmers ist“. Und bedauert fast ein bisschen, dass das bei Beethoven übliche Chaos hier nicht abgebildet sei.

Von Beethovens Ertaubung erzählen die ausgestellten Hörrohre auf sehr plastische Weise. Der Anblick der Geräte löst bei Kaftan wenig Emotionen aus. Doch: „Es berührt mich aber, wenn ich darüber nachdenke, wie er sich gequält hat. Was hat er gehört? Was kam bei ihm an? Bei der Aufführung der neunten Sinfonie hatte man einen zweiten Dirigenten hinter ihn gestellt, um sie überhaupt zu Ende bringen zu können. Da war diese Hilflosigkeit, vor seiner eigenen Größe dazustehen. Diese Vorstellung berührt schon sehr.“

Nur im Geburtszimmer gibt es keine Exponate zu sehen. Für Kaftan eine gute Entscheidung: „Das finde ich schön, dass dies ein leerer Raum ist.“

Weitere Infos für den Ausflug

Anreise Das Bonner Beethoven-Haus (Bonngasse 20) liegt in der City am Rand der Fußgängerzone. Vom Hauptbahnhof aus erreicht man die Bonngasse zu Fuß in wenigen Minuten. Straßenbahnen und Busse halten an der nahegelegenen Haltestelle Bertha-von-Suttner-Platz/Beethoven-Haus, an der sich auch Taxistände befinden. Parkplätze bieten die innerstädtischen Parkhäuser; am nächsten gelegen sind Stiftsgarage, Marktgarage und Friedensplatzgarage. Der Eintritt kostet sechs Euro für Erwachsene, ermäßigt 4,50 Euro, Kinder unter sechs Jahren frei. Es gibt Gruppenermäßigungen.

Einkehr In direkter Nachbarschaft des Beethoven-Hauses befindet sich das Traditionsgasthaus „Im Stiefel“. Die Speisekarte bietet regionale Spezialitäten für den großen und kleinen Hunger und saisonal wechselnde Angebote.

Für Kinder Kinder und Familien finden im Beethoven-Haus vielfältige Möglichkeiten, sich auf Beethovens Spuren zu begeben. Unter anderem gibt es jeden ersten Samstag im Monat um 14.30 Uhr kostenlose Führungen für Kinder ab sechs Jahren. Dauer 45 bis 60 Minuten. Führungen für Familien werden turnusmäßig sonntags um 14.30 Uhr oder nach Vereinbarung angeboten.

Schönwetter-Alternative  Ein Besuch der Ausstellung „The Playground Project“, die auf dem Museumsdach und -platz der Bundeskunsthalle Kunst und Spiel verbindet. Zeitgenössische Künstler haben Spiele und Installationen entworfen, die auch aktiv ausprobiert werden sollen. Öffnungszeiten: Di und Mi 10 bis 21 Uhr, Do bis So 10 bis 19 Uhr, Mo geschlossen. Bis 31. Oktober. Infos und Eintrittskarten im Internet: www.bundeskunsthalle.de.


Der nützliche Tipp Noch bis Januar 2019 kann man die virtuelle Installation „Fidelio, 21. Jahrhundert“ erleben. Highlights aus Beethovens einziger Oper „Fidelio“ gibt es hier in einer abstrakten 3D-Animation zu sehen. Die Inszenierung entführt kleine und große Besucher mitten in die Musik der Oper. Mit 3D-Brillen ausgerüstet können sie die aufregende Geschichte der beiden Kontrahenten Florestan und Don Pizarro verfolgen und sogar beeinflussen. Für Kinder ab fünf Jahren.

Kontrastprogramm Ein Blick auf das Programm der Open-Air-Konzerte auf dem Bonner Kunst!Rasen lohnt sich auf jeden Fall. Hier treten während des Sommers Stars von Tom Jones über die Fantastischen Vier bis zu Limp Bizkit auf (Internet: www.kunstrasen-bonn.de).

Kultur Bonn verfügt über eine reiche Museumslandschaft. Das Bonner Kunstmuseum, die Bundeskunsthalle, das Macke-Haus und weitere Häuser zeigen hochwertige und spannende Ausstellungen.

Für Sportliche Der Rhein ist vom Beethoven-Haus nur wenige Hundert Meter entfernt. Das Ufer des Stroms ist ein idealer Ort für die Bewegungshungrigen unter den Kulturinteressierten, vom gemächlichen Spaziergänger bis zum sportlichen Radfahrer.

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