Analyse Gefährliche Gewerkschaftskonkurrenz

Düsseldorf · Die Warnstreikeskalation bei der Deutschen Bahn ist weniger dem Angebot der Arbeitgeber geschuldet. Dahinter steht eher die Konkurrenz zwischen EVG und GDL.

Bahnstreik 2018: So ist die Lage an den Bahnhöfen in NRW
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So ist die Lage an den Bahnhöfen in NRW

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Foto: dpa/Christoph Reichwein

Es bedurfte am Montagmorgen nicht des Radiomoderators, der Staus erst ab einer Länge von zehn Kilometern vortrug, um festzustellen: Es herrschte Streik-Chaos auf den Straßen und Autobahnen. 2,4 Millionen Pendler, die an normalen Tagen in NRW per Bahn zur Arbeit fahren, mussten wegen des Warnstreiks der EVG aufs Auto umsteigen.

„Typisch, diese Lokführer“, wird so mancher in Erinnerung an die vergangenen, harten Tarifauseinandersetzungen zwischen der Gewerkschaft von Claus Weselsky und der Deutschen Bahn AG gedacht haben. Aber mitnichten ist diesmal die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) für das Chaos verantwortlich. Es ist die als besonnener geltende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft(EVG) von Alexander Kirchner, die ihre Muskeln spielen lässt.

Natürlich ist es völlig legitim, dass eine Arbeitnehmerorganisation zum Warnstreik aufruft, um in Tarifverhandlungen die Interessen der Belegschaft durchzusetzen. Dieses Recht ist glücklicherweise im Grundgesetz festgeschrieben, damit Beschäftigte nicht kollektiv um höhere Löhne betteln müssen. Es sind derzeit die Bahn-Mitarbeiter mit Kundenkontakt, die im täglichen Geschäft angesichts von massiven Verspätungen, Zugausfällen, umgekehrten Wagenreihungen und ähnlichen Problemen ungebremst den Ärger der Kunden abbekommen. All dies Probleme sind fehlender finanzieller Mittel, schlechter Planung oder technischer Defizite geschuldet, nicht aber der Leistung von Zugbegleitern und Reisecenter-Beschäftigten. „Für uns ist es auch eine Frage der Wertschätzung, dass die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner für ihr großes Engagement angemessen bezahlt werden. Dafür kämpfen wir in dieser Tarifrunde“, sagt so auch Torsten Westphal, EVG-Bundesgeschäftsführer.

Allerdings schwindet das Verständnis rapide, wenn man sieht, was bereits auf dem Tisch liegt: Die Bahn hat in zwei Schritten eine Tariferhöhung um 5,1 Prozent plus eine Einmalzahlung von 500 Euro angeboten. Auch hatte die Bahn die Forderung der EVG aufgegriffen, dass ein Teil der Entgelterhöhung in Freizeit genommen werden kann. Und sie kam der Gewerkschaft in der Frage nach der Finanzierung der Betriebsrenten entgegen. All dies scheint der EVG aber nicht genug.

Die Gewerkschaft muss aufpassen, ihr Blatt nicht zu überreizen. Schon der Warnstreik vom Montag erinnerte in seiner Intensität eher an einen Erzwingungsstreik. Mit Nadelstichen hatte das nichts mehr zu tun. Und die EVG muss sich die Frage stellen, ob sie mit einer Durchsetzung ihrer Forderung nach sieben Prozent mehr Lohn dem System Bahn nicht noch mehr Geld entzieht, das dringend benötigt würde, um die beschriebenen Fehlentwicklungen abzustellen und damit auch die Situation der Beschäftigten zu verbessern.

Was wir nun erleben ist wohl auch einer Spezialentwicklung beim Staatskonzern geschuldet: Er versucht, zeitgleich mit zwei Gewerkschaften nahezu inhaltsgleiche Tarifverträge abzuschließen. Tarifexperten haben schon lange prophezeit, dass sich in einer solchen Situation die beiden Gewerkschaften in eine Überbietungsspirale manövrieren könnten, um im Wettbewerb um die Mitglieder als besonders durchsetzungsstark zu wirken. Entsprechend ätzte auch GDL-Chef Weselsky in einem Interview, die EVG müssen nun auch mal zeigen, dass sie streiken könne. Wenn am Ende die GDL ohne eine solch massive Aktion an ihr Ziel käme, stände auf einmal die EVG als die krawalligere Gewerkschaft da.

Es mag eine Binse sein, aber Fakt ist: Die Lösung muss am Verhandlungstisch gefunden werden. Und zwar schnell. Am besten wäre, wenn sich die Verantwortlichen gleich am Montag wieder zusammensetzten.

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