Düsseldorf Ärzte verschreiben zu früh Ritalin

Düsseldorf · Pille statt Behandlung – diese Erfahrung machen immer mehr Eltern von Kindern mit Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in NRW. Das geht aus Zahlen hervor, die die Techniker Krankenkasse gestern in Düsseldorf vorstellte. Im Jahr 2009 haben demnach rund 25 von 1000 der bei der TK versicherten Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 18 Jahren das Medikament Ritalin verordnet bekommen. Drei Jahre zuvor waren es noch 18 von 1000 gewesen. Das entspricht einer Steigerung von 38 Prozent.

Einen Grund für diesen Anstieg hat Monika Philipp, ausgebildete ADHS-Trainerin und Leiterin einer Selbsthilfegruppe in Grevenbroich und in Neuss, ausgemacht: Schon beim Anfangsverdacht würden Ärzte das Medikament vereinzelt "ausprobieren", ehe die abschließende Diagnose erstellt ist.

Die Krankenkasse warnt ebenfalls vor einem übereilten Griff zu den Tabletten. "Man muss mit der Diagnose und der Behandlung mit Medikamenten wie Ritalin sehr vorsichtig sein", sagt Edda Würdemann, Apothekerin bei der TK. Nicht jedes lebhafte oder auffällige Kind benötige Tabletten.

"Ein speziell ausgebildeter Arzt sollte mit Eltern, Lehrern und anderen Betreuungspersonen klären, ob die Symptome der kleinen Patienten nicht doch andere Ursachen haben", sagt Würdemann. Die Krankenkasse weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Bund in seinen Arzneimittelrichtlinien im Dezember 2010 die Anforderungen an die Vergabe von Ritalin verschärft habe. So müsse die Diagnose ADHS noch umfassender als bisher gestellt werden und dürfe nur noch von Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen erfolgen, mahnt die TK.

In der Praxis ist diese Verschärfung aber nur schwer umzusetzen, weiß Monika Philipp. "Die Fachärzte haben kaum Termine frei, die Hausärzte sind ebenfalls überfordert. Kinder, die bereits Ritalin genommen haben bevor die Verschärfung in Kraft trat, bekommen das Präparat auch ohne Facharzt."

(RP)
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