Köln 6700 Kontrolleure gegen Schwarzarbeit

Köln · Der Umfang der Schattenwirtschaft ist innerhalb von 20 Jahren um 100 Milliarden Euro angewachsen.

Die Großrazzia gegen die organisierte Schwarzarbeit gestern in NRW stößt bei Experten auf Zustimmung: "Der Staat hat hier sehr sichtbar agiert und Abschreckung erzeugt", sagte Dominik Enste unserer Redaktion. Enste ist Wissenschaftler am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) und gilt als einer der führenden Forscher zur Schwarzarbeit in Deutschland.

Nach seinen Worten ist die Baubranche "traditionell eines der größten Problemfelder bei der Schwarzarbeit". Auf Baustellen sei der Anteil der menschlichen Arbeit am Gesamtprozess auch heute noch extrem hoch, was ein großes Verführungspotenzial sowohl für den Auftraggeber wie für den Auftragnehmer darstelle. "Weil die Schwarzarbeit am Bau in so großem Umfang erfolgt, ist sie offenbar zu einem beliebten Beschäftigungsfeld für die vernetzte Kriminalität geworden, die den Betrug im großen Stil organisiert", so Enste.

Der Wissenschaftler hat die Schwarzarbeit in Deutschland erst im vergangenen Jahr in einer umfangreichen Studie analysiert. Demnach ist der Umfang der Schattenwirtschaft in Deutschland von 241 Milliarden Euro im Jahr 1995 auf 340 Milliarden Euro im Jahr 2015 angewachsen. Die Schwarzarbeit hat wiederum innerhalb der Schattenwirtschaft, zu der auch etwa der Drogenhandel oder das illegale Glücksspiel gehört, einen Anteil von mehr als einem Drittel - 136 Milliarden Euro allein im Jahr 2016, wobei der "Materialeinsatz ohne Rechnung", der die Schwarzarbeit oft begleitet, noch nicht eingerechnet ist. Völlig unklar ist der Studie zufolge, wie viele Schwarzarbeiter in Deutschland beschäftigt werden. Unzweifelhaft ist aber, dass in Deutschland jährlich mehrere Millionen Menschen zumindest gelegentlich schwarz arbeiten, darunter alleine schon bis zu drei Millionen Haushaltshilfen.

Der durchschnittliche Stundenlohn schwarz beschäftigter Menschen liegt in Deutschland bei rund zehn Euro, allerdings zahlte jeder achte Bundesbürger laut der Studie auch mehr als 20 Euro pro Stunde. Im EU-Durchschnitt werden elf Euro gezahlt, wobei in Finnland mit durchschnittlich 25 Euro pro Stunde die Schwarzarbeit am teuersten und in Rumänien mit zwei Euro pro Stunde am günstigsten ist. Die großen Lohnunterschiede bei der Schwarzarbeit im internationalen Vergleich würden erklären, warum bei der heutigen Razzia in NRW offenbar Schwarzarbeiter vom Balkan eine größere Rolle gespielt haben könnten.

Laut Enste sind "Arbeiten im und am Haus" mit 18,7 Prozent Anteil an der gesamten Schwarzarbeit das häufigste Betätigungsfeld für Schwarzarbeiter. Gefolgt von Hausarbeiten (15,8 Prozent), Auto-Reparaturen (13,7 Prozent) und der Gastronomie (12,8 Prozent). Aber auch im Friseur-Handwerk und bei der Kinderbetreuung sind Schwarzarbeitsfälle keine Seltenheit. Im Einzelhandel und in der Industrie spielt Schwarzarbeit hingegen kaum eine Rolle.

In Deutschland wird die Schwarzarbeit von rund 6700 Beschäftigten der Finanzkontrolle bekämpft. Sie ist bundesweit mit rund 100 Standorten vertreten.

(tor)
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