Weltkindertag 2023 Ein Tag mit tiefer Bedeutung

Düsseldorf · Der Weltkindertag ist mehr als nur ein netter Tag, um Feste zu feiern. Wir erklären, welche politische Bedeutung er hat, wie er entstanden ist und warum er auch heute noch dringend gebraucht wird.

 Weltkindertag am 20.09.2023: Diese Dinge sollten Sie wissen
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Zehn Fakten zum Weltkindertag

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Foto: dpa/Peter Kneffel

Wann ist der Weltkindertag 2023?

Am Dienstag, 20. September 2023, findet in Deutschland wieder der Weltkindertag statt. „Das diesjährige Motto lautet „Gemeinsam für Kinderrechte“.

Ziel des Tages ist es, die Rechte der Kinder sowie die Freundschaft unter den Kindern und Jugendlichen zu fördern. Nicht zuletzt soll sich die Regierung an diesem Tag öffentlich verpflichten, die Arbeit des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) zu unterstützen. So hat es die UNO (United Nation Organisation) festgelegt, als sie 1954 den Mitgliedstaaten empfahl einen Weltkindertag ins Leben zu rufen.

Um diese Ziele zu erreichen, organisieren viele Städte und Gemeinden zusammen mit freien Trägern der Jugendhilfe und Kinderschutzorganisationen anlässlich des Weltkindertages Familien- und Kinderfeste, Demonstrationen, Aktionen und andere Veranstaltungen. Bundesweit waren es 2019 mehr als 400 Events, die rund um den 20. September durchgeführt wurden. Die beiden größten Veranstaltungen gab es bis 2019 in Köln und Berlin. Aufgrund der Pandemie konnte in den vergangenen beiden Jahren aber nur wenig stattfinden. Unter anderem richtete das Deutsche Kinderhilfswerk ein „Kinderrechte -Spezial“ auf seiner Internetseite ein, mit kindgerechten Artikeln und Videos rund um die Kinderrechte.

Der Deutsche Kinderschutzbund wies am Weltkindertag 2021 explizit auf das Thema Kinderarmut hin. Denn 2,8 Millionen Kinder bundesweit leben unter der Armutsgrenze. „Das dürfen wir nicht hinnehmen. Wir erwarten, dass die neue Regierung massive Anstrengungen unternimmt, um die Kinderarmut zu beenden“, so Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes.

Das Deutsche Kinderhilfswerk und UNICEF Deutschland stellten den Weltkindertag 2021 unter das Motto „Kinderrechte jetzt!“. Damit solle im Wahljahr unterstrichen werden, dass es an der Zeit sei, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, um die Weichen für ein kinderfreundliches Deutschland zu legen, erklärte das Kinderhilfswerk auf seiner Internetseite. Erst im Juni 2021 war der Versuch, das Grundgesetz entsprechend zu ändern, gescheitert. Es bestand Uneinigkeit beim genauen Wortlaut des neuen Grundgesetzartikels, wie die „Südwest-Presse“ berichtete.

Geht es nach dem Willen der Mehrheit, muss die neue Bundesregierung das schnellstmöglich ändern. Denn laut einer repräsentativen Umfrage, die zum Weltkindertag 2020 durchgeführt wurde, sind 71 Prozent der Befragten der Meinung, dass Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden müssen, damit die Interessen von Kindern bei politischen Entscheidungen stärker als bisher berücksichtigt werden. Denn gerade die Pandemie habe gezeigt, dass die Belange von Kindern ohne rechtliche Vorgabe einfach hinten angestellt oder gar nicht berücksichtig würden, erklärten 72 Prozent der Befragten. Ebenso argumentierte Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks: „Die Corona-Krise zeigt uns, Kinder brauchen mehr als jemals zuvor ein eindeutiges Bekenntnis zur umfassenden Verwirklichung ihrer Rechte – über alle Parteigrenzen hinweg.“

Wo ist der Weltkindertag ein gesetzlicher Feiertag in Deutschland?

Thüringen ist das einzige Bundesland in Deutschland, in dem der Weltkindertag ein gesetzlicher Feiertag ist. Diese Feiertagsregelung ist allerdings noch relativ neu: Am 28. September 2019 stimmte die Mehrheit aus Linke, SPD und Grünen im thüringischen Landtag einen entsprechenden Gesetzesentwurf zu. Es gehe darum, Kinder als Zukunft der Gesellschaft zu würdigen, Familien angesichts der Arbeitsverdichtung einen zusätzlichen freien Tag mit ihren Kindern zu ermöglichen und Thüringen kinder- und familienfreundlicher zu machen, sagte die SPD-Landtagsabgeordnete Birgit Pelke gegenüber mehreren Medien.

Letzteres ist dem Land tatsächlich gelungen: Ende 2021 hat Thüringen wiederum als erstes Bundesland einen sogenannten Jugendcheck für Gesetzesvorhaben eingeführt. Seit diesem Jahr müssen nun alle Landesministerien ihre geplanten neuen Gesetze oder Gesetzesänderungen zunächst dem thüringischen Ministerium für Bildung, Jugend und Sport zuleiten. Dort wird dann ein Jugend-Check veranlasst. Das heißt, es wird ermittelt, welche Auswirkungen das Gesetz auf Kinder und Jugendliche hat, berichtet die Zeitschrift „Der Schulmanager“. Die Forderung der UNO, Kinder und ihre Zukunft bei politischen Entscheidungen mitzudenken, kommt Thüringen damit nach.

Kindertag-Bedeutung: Warum gibt es einen Weltkindertag am 20. September?

Weltweit haben viele Kinder nicht das Privileg, eine unbeschwerte Kindheit zu erleben. Verantwortlich dafür sind verschiedene Faktoren wie Armut, Kriege und Konflikte, aber auch, dass die besonderen Bedürfnisse und Rechte von Kindern oft nicht beachtet werden. Um darauf alljährlich aufmerksam zu machen, empfahl die 9. Vollversammlung der UNO am 21. September 1954 ihren Mitgliedsstaaten die Einrichtung eines weltweiten Kindertages. Wann dieser Tag stattfindet, durften die Staaten frei wählen, ebenso die Art und Weise, wie der Tag begangen wurde. Diese Idee stieß auf eine breite Zustimmung: Nur ein Jahr später hatten bereits 40 Länder einen Weltkindertag eingeführt. Darunter auch Deutschland, wo man sich für das Datum 20. September entschieden hatte.

Ganz neu war die Idee eines Kindertages übrigens nicht: Bereits 1920 hatte die Türkei als erstes Land weltweit einen Kindertag eingeführt. Am 23. April 1920 war das neue türkische Parlament zusammengetreten und hatte die Republik Türkei ausgerufen sowie Mustafa Kemal Atatürk zu ihrem Präsidenten bestimmt. Er verkündete noch am gleichen Tag, dass dieses Datum künftig den Kindern gewidmet werde, weil die Kinder von heute die Regierenden von morgen seien.

Zwei Jahre später verfasste Eglantyne Jebb, eine englische Grundschullehrerin und Gründerin des britischen Komitees „Save the children“, die Grundsätze über die Rechte von Minderjährigen und schickte es an den Völkerbund, den Vorläufer der Vereinten Nationen. Dieses Fünf-Punkte-Programm bildete den Grundstein der „Genfer Erklärung über die Rechte von Kindern“. Sie wurde am 26. September 1924 vom Völkerbund verabschiedet, und in diesem Zuge führten einige Staaten einen Kindertag ein.

Auf die Genfer Erklärung baute die „Erklärung der Rechte des Kindes“, die 1959 von den Vereinten Nationen beschlossen wurden auf. Doch völkerrechtlich bindend war sie nicht, schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Dafür brauchte es weitere dreißig Jahre: Am 20. November 1989 beschlossen die Vereinten Nationen das „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“. Zehn Jahre lang waren sie von einer Kommission vorbereitet worden und inzwischen sind sie – mit Ausnahme der USA – von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert worden.

Die UN-Kinderrechtskonvention zählt damit zu den meistratifizierten Menschenrechtsverträgen und zum wichtigsten Menschenrechtsinstrument für Kinder, heißt es beim Deutsche Kinderhilfswerk: So ist die Zahl der Kinder, die vor ihrem fünften Geburtstag sterben, seit 1990 von mehr als zwölf auf rund fünf Millionen gesunken. Und auch der Anteil der Kinderarbeit ist seit 1990 um ein Drittel zurückgegangen.

Aber: Weiterhin werden die UN-Kinderrechtskonvention und die darin festgeschriebenen Rechte, wie Schutz vor Diskriminierung, Gewalt, Misshandlung und wirtschaftliche Ausbeutung sowie das Recht auf Gesundheit, Bildung und elterliche Fürsorge, vielfach missachtet. So gibt es Schätzungen zufolge weltweit mindestens 250.000 „Kindersoldaten“, noch immer müssen rund 152 Millionen Kinder arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und Millionen Kinder leiden unter Armut, Umweltproblemen und Konflikten, so die bpb weiter.

In Deutschland ist die Situation zwar deutlich besser, aber auch hier besteht noch Handlungsbedarf: Laut Deutschem Kinderhilfswerk wächst jedes fünfte Kind in Armut auf. Außerdem werden die Interessen von Kindern weder politische mitgedacht noch berücksichtigt, wie die Corona-Krise überdeutlich gezeigt hat. „Kinder und Jugendliche wurden in den bisherigen Entscheidungsprozessen nicht als Personen mit ebenbürtigen Rechten gesehen“, kritisierte etwa die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin.

Auch das in der UN-Kinderrechtskonvention vorgeschriebene Recht auf Bildung kommt in Deutschland viel zu kurz. Denn nach wie vor haben Kinder mit einem sozialschwachen oder bildungsfernen Elternhaus deutlich schlechter Bildungschancen als Kinder von wohlhabenden oder Akademiker-Eltern. Ein Problem, das ebenfalls durch die Pandemie weiter verschärft wurde.

Und nicht zuletzt gibt es in Deutschland viele Fälle von Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung. Alle drei Minuten muss ein Kind aus seiner Familie geholt werden, berichtet SOS Kinderdorf. Eine Situation, die sich ebenfalls seit Pandemiebeginn verschlimmert hat: Die Jugendämter meldeten 2020 einen Höchststand an Kindeswohlgefährdungen.

Umso wichtiger ist es, am Weltkindertag auf die Rechte der Kinder hinzuweisen und sich für die Durchsetzung der UN-Kinderrechtskonventionen stark zu machen. Dass Deutschland gleich zweimal einen Kindertag feiert, schadet sicher nicht.

Warum gibt es den Kindertag zweimal?

Die Ursache dafür, dass in Deutschland zweimal im Jahr ein Kindertag gefeiert wird, liegt an der vierzigjährigen Teilung Deutschlands. Schon 1950 führte die DDR nach sowjetischem Vorbild einen internationalen Kindertag ein. Er wurde – ebenso wie in vielen anderen mittel- und osteuropäischen Ländern sowie den Nachfolgestaaten der Sowjetunion – alljährlich am 1. Juni begangen. Unter anderem fiel der Unterricht aus, stattdessen wurden in Schulen und Kindergärten Kinderfeste veranstaltet, Pionierfeste durchgeführt und es gab Gratulationen und kleine Geschenke von den Eltern, Lehrern und Erziehern, erklärt die Kinderhilfsorganisation plan. Auch Umzüge und Spielveranstaltungen mit festlichem Programm gehörten zum internationalen Kindertag, an dem die Kinder „als Träger der zukünftigen Gesellschaft“ gefeiert wurden.

In der Bundesrepublik Deutschland dagegen war seit 1954 der 20. September „Weltkindertag“. Abgesehen von einzelnen Aktionen und Festen wurde der Tag von der Bevölkerung aber kaum wahrgenommen. Erst seit 1989, als das Deutsche Kinderhilfswerk begann, diesen Tag mit einem Kinder- und Familienfest zu feiern, etablierte er sich.

Nach der Wiedervereinigung wurde der Weltkindertag dementsprechend in den alten Bundesländern am 20. September gefeiert, während man in den neuen Bundesländern am 1. Juni den internationalen Kindertag beging. Letzterer wurde von der Bundesregierung allerdings ignoriert. Doch nach und nach setzte sich die Erkenntnis durch, dass man diese Tradition nicht einfach übergehen konnte, und mittlerweile werden beide Tage bewusst begangen: In Berlin findet am 1. Juni auf dem Alexanderplatz ein Fest zum Internationalen Kindertag statt, und am 20. September wird auf dem Potsdamer Platz der Weltkindertag gefeiert.

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