Österreich Es fährt ein Zug nach Nostalgie

Reisen wie Kaiser Franz Josef und seine Sisi kann man stilecht im Nostalgiezug nach Opatija entlang der früheren österreichischen Riviera.

 Der Salonwagen des Nostalgiezuges nach Opatija ist eine Nachbildung des Wagens, der vor 100 Jahren nach Abbazía fuhr.

Der Salonwagen des Nostalgiezuges nach Opatija ist eine Nachbildung des Wagens, der vor 100 Jahren nach Abbazía fuhr.

Foto: Claudia Decker

Ein Sonderzug an die österreichische Riviera? Man ist irritiert, da muss sich einer vertan haben. Aber nein, es stimmt: Zwei Mal im Jahr fährt ein Sonderzug dieselbe Strecke wie einst Kaiser Franz Josef I., wenn er mit seinem Hofsalonzug in das mondäne Kurbad an der Adria reiste. Abbazía hieß der Ort damals, den wir heute als Opatija kennen und er gehörte zur österreichisch-ungarischen Monarchie. Im Jahr 1888, als Mediziner die Heilwirkung seines maritimen Klimas entdeckt hatten, avancierte Abbazía zum Hotspot der Habsburger und des europäischen Adels. Vom „blauen Gold“ der österreichischen Riviera war die Rede, das sogar für Nizza an der französischen Riviera zur Konkurrenz wurde. Vor gut 100 Jahren war es dann auch schon wieder vorbei mit der Belle Epoque in Österreich. Der Salonzug des Kaisers gilt als verschollen. Aber eine Nachbildung darf heute zwei Mal im Jahr die Strecke Wien-Abbazía befahren und vermittelt ein bisschen vom Flair des Reisens und Kurens zu Kaisers Zeiten.

Ich gestehe, ich habe einen Hang zur Nostalgie, erst recht, wenn sie mit Luxus verbunden ist. Wo bekommt denn Jedermann schon einen roten Teppich ausgerollt? Na, in Österreich, im Wiener Franz-Josefs-Bahnhof. Er ist ein Klotz aus Glas und nichts mehr erinnert an den österreichischen Kaiser, lediglich der Name. Auf Bahnsteig 5 wartet an diesem Sonntagmorgen der Sonderzug nach Opatija, fünf schwarz glänzende Waggons; auf jedem prangt klein, aber massiv, der Doppeladler mit Kaiserkrone, das Messing blank gewienert, außerdem das kunstvoll verschlungene Monogramm von Franz Josef I. Das ist der Majes­tic Imperator, der Kaiserzug, seit den 1990er Jahren in Österreich und seinen Nachbarländern unterwegs, als Nachbau des kaiserlichen Hofsalonzuges von einst, inklusive rotem Teppich, auch wenn es nur ein kleines Fleckerl Teppich ist.

Ein Wiener Eisenbahnschwärmer hat vor 30 Jahren angefangen, alte Waggons nach Originalplänen zu restaurieren und im Stil der k.u.k-Zeit ausstatten zu lassen. So ähnlich also fuhr der Kaiser durch seinen Vielvölkerstaat, zu politischen Anlässen nach Prag und Budapest, in die Sommerfrische nach Bad Ischl und im Frühjahr oder Herbst zur „Cur an die österreichische Riviera“, so nannte die Belle Époque die Adriaküste von Abbazía, italienisch für Opatija.

Obwohl nicht von Adel, haben jetzt wir ein Ticket in diese Welt von gestern. Wir besteigen den kaiserlichen Zug und fühlen uns gleich in die Vergangenheit versetzt: Der Waggon Ambassador empfängt uns mit einem Salon, edelholzgetäfelt, geraffte Samtvorhänge in dezentem Grün, Quasten, Posamente, Spiegel, Lampenschirmchen und viel Messing. Die kleinen Tische sind weiß eingedeckt, in den zierlichen Fauteuils lassen wir uns gerne nieder.

Bald liegt die Hauptstadt hinter uns. Kellner eilen durch den Gang, um uns mit Sekt zu begrüßen und ein „Wiener Frühstück“ zu servieren. Reichhaltig und ganz entspannt speisen und reisen wir, bei meist gemächlichem Tempo. Wir plaudern bei Walzerklängen, während die österreichische Landschaftsidylle an uns vorbeigleitet, Gehöfte und Weiler, eingebettet in Frühlingsgrün, Mischwälder und saftige Wiesen, Berge, deren Hänge noch schneebepudert sind.

Atemberaubend ist die Strecke über den berühmten Semmeringpass zwischen Niederösterreich und der Steiermark. 1854 wurde die Bahnlinie eröffnet, eine technische Meisterleistung mit ihren Tunneln, Viadukten und steinernen Brücken. In vielen Bögen umkurvt unser Zug die Berge, mit Tempo 50, 60, an Graz und dem Wörthersee vorbei, durch den Karawankentunnel, durch das slowenische Ljubljana und, nachdem noch einmal die Lokomotive gewechselt wurde, die letzten zehn Kilometer durch kroatisches Bergland.

Auf dieser nostalgisch-behaglichen Fahrt versteht man den Satz von Kaiserin Sisi, die Rastlosigkeit und Depression mit vielen Reisen zu entkommen suchte: „Die Reiseziele sind nur deshalb begehrens­wert, weil die Reise dazwischen liegt.“ Das schrieb sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als das Reisen in Komfortzügen ein Vergnügen geworden war, das sich nur die Vornehmen und Reichen leisten konnten. Es war das große Zeitalter der Eisenbahn, als Franz Josef I. herbeieilte, wenn eine neue Bahnlinie eröffnet wurde. Die Welt wurde kleiner im Rausch nie gekannter Mobilität.

Lust auf einen Spaziergang durch die anderen Waggons des Nostalgiezugs: Equipage mit Chippendale-Bestuhlung. Excelsior, Vorhänge und Polster in Rot gehalten, an der Frontseite ein hoher Spiegel. Der zeigte im persönlichen Salonwagen der Kaiserin, wie schön sie war. Überall das gleich gediegene Ambiente, Messingzierleisten, Teppiche, Samt und Plüsch im Stil der Zeit und überall Porträts vom Kaiser und seiner Gattin Sisi, Fotos in schwarz-weiß von seinen Reisen. Der originale Hofzug hat das Ende der Monarchie nicht lange überstanden und gilt als verschollen.

Der Eisenbahnfan und Gründer des Nostalgieprojekts, ohne den es den Kaiserzug nicht gäbe, heißt Gottfried Rieck. Er hat in jahrelanger Sammelleidenschaft auf Auktionen und Flohmärkten nach Accessoires gesucht, und ist bei manchen Reisen in dem Zug mit von der Partie. Im Rauchercoupé von Salon 1 hat er Platz genommen, eine Zigarre in der Hand, sein elegant beschuhter Fuß ruht auf einem samtbezogenen Schemel. „Im Kaiserzug wurde nach dem Dinner zur Zigarre gebeten. Was ich hier rauche, ist eine Virginia, das war die Lieblingszigarre von Kaiser Franz Josef“, sagt Rieck und betrachtet versonnen den Rauch. „Nach dem Dinner zogen sich die Herren in den Rauchsalon zurück, der lag direkt neben dem Speisewagen mit der langen Tafel.“

Der echte Kaiserzug bot Platz für nur 16 Personen, also den Kaiser und seine Entourage und die Bediensteten. Heute verteilen sich auf die fünf Waggons über 60 Gäste, die zwischen den Mahlzeiten am Baccarat-Tisch oder an der Bar Zerstreuung finden oder während der gemächlichen Fahrt die Zeit angenehm verplaudern. Abbazía nannte man das mondäne Seebad an der k.u.k.-Riviera bis 1918, in der Belle Epoque machte es Cannes und Nizza Konkurrenz. 3000 Kilometer Adriaküste gehörten damals zum österreichischen Kaiserreich.

100 Jahre später ist vom Flair des berühmten Kurorts der europäischen Haute-volée einiges geblieben. Villen und Grandhotels wurden renoviert. Parks, Waldwege oben am Berg und eine zwölf Kilometer lange Uferpromenade laden zu Spaziergängen ein. Und auf der großen Terrasse des Café Wagner am Meer kann man, wie einst, den Blick über die Kvarner Bucht genießen. Hier wurde den feinen Damen und Herren stets frische Sachertorte serviert, täglich geliefert mit dem Zug von Wien.

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