Malediven Vom Glück der langen Weile

Die Malediven gelten als Urlaubsparadies. Zumindest für Erwachsene. Was Kinder zu Traumwetter und Traumstränden sagen? Wir haben's ausprobiert und Jonar (4) auf die Familieninsel Kuramathi geschickt.

"Mir ist langweilig", seufzt mein Sohn. Jonar ist vier und sieht müde aus. Er ist mit mir über 8000 Kilometer weit geflogen, um nach Kuramathi zu gelangen. Die Insel gehört zu den Malediven im Indischen Ozean und liegt etwa 60 Kilometer westlich der Hauptstadt Malé im Rasdhoo-Atoll. Sie sieht aus, wie man sich als Erwachsener das Paradies vorstellt: ein kleiner grüner Fleck mit einem weißen Ring und drumherum das türkisfarbene Meer. Aber ist es das auch für Kinder? Das Paradies? Wenn man meinem Sohn Glauben schenken darf, ist es das nicht unbedingt. "Mir ist langweilig", sagt er und scheint es ernst zu meinen. Was ist passiert?

Jonar war im Infinity-Pool an der Laguna-Bar planschen. Die Bar liegt westlich, also in dem Teil der Insel, der 2015 komplett erneuert wurde. Aus 290 Betten sind 360 geworden, zumeist in Form von Wasservillen auf Stelzen. Jonar liebt die Stelzen, besonders abends, wenn sie beleuchtet werden.

In der Bar hat er seinen ersten Mojito getrunken - ohne Alkohol versteht sich, dafür mit ganz viel braunem Zucker. Er hat Graureiher gejagt, die die Fische gejagt haben, die bereits von Babyhaien gejagt wurden. Er hat sich gleich am ersten Tag einen Sonnenbrand geholt, obwohl ich ihn von oben bis unten eingecremt hatte. Er ist auf den höchsten Punkt der Insel geklettert (es gab eine Treppe), die Sky Bar, sieben Meter über dem Meeresspiegel. Er ist nachts mit der Taschenlampe durch den Palmenhain spaziert und hat die Einsiedlerkrebse erschreckt.

Er hat sich mit einem Mädchen angefreundet, Julia, eine Schweizerin. Ich bin mir sicher, dass er kein Wort von dem verstanden hat, was sie gesagt hat, jedenfalls standen die beiden Händchen haltend im Pool. Er hat ihr bunte Blüten von Frangipani-, Hibiskus-, und Ixorabäumen, Drillingsblumen und anderen exotischen Pflanzen hinters Ohr gesteckt. Er hat das Skelett eines Pottwals bewundert, das im Eco-Center ausgestellt wird. Er hat eine Strandburg gebaut und behauptet, der Sand wäre deshalb so weiß, weil ihn jeden Morgen ein Muschelputzer putzen müsste. Abends war er auf der Sandbank, die nur bei Ebbe zum Vorschein kommt.

Er hat mit den Kellnern und Köchen über das Essen palavert, obwohl er kein Wort Englisch spricht (auch nicht Dhivehi, die Sprache der Einheimischen). Er hat, wenn es dunkel wurde, und dunkel wird es auf den Malediven schon gegen 18 Uhr, versucht, die Sterne zu zählen und ist bei 46 oder 47 eingeschlafen. Er hat im Hydro-Gewächshaus Mäuschen gespielt, als sie Tomaten, Salate, Basilikum, Minze und Koriander geerntet haben. Er hat sich an die hundert Mal mit einem elektrischen Golfwagen über die 1,8 Kilometer lange Insel chauffieren lassen. Er ist von der Treppe an der Wasservilla ins Meer gesprungen, obwohl er gar nicht schwimmen kann.

Er hat sich mindestens 50 neue Wörter für Blau überlegt, weil ihm die Farbe des Wassers so gut gefallen hat. Hier die drei schönsten: blauisch, laklos und keikiki. Er ist die ganze Zeit barfuß gelaufen, nur nicht das eine Mal, als sich die Holzbretter zu unserer Villa anfühlten wie glühende Kohlen. Er hat nicht einmal wissen wollen, wie spät es ist. Er ist mit einem knallroten U-Boot abgetaucht und hat bei jedem Fisch, der sich näherte, laut "Nemo" oder "Dorie" gerufen. Er war zum ersten Mal schnorcheln im Meer. Er hat sich geweigert, auch nur eine Drachenfrucht zu probieren. Er hat versucht, vom Boot aus Delfine und fliegende Fische mit der Hand zu fangen. Er hat sich von so ziemlich jedem der 1054 Mitarbeitern über den Kopf streicheln lassen. Er hat sich neben den 300 Jahre alten Banyanbaum gestellt und gestreichelt, damit er noch mal 300 Jahre schafft.

Abends dann hat er dem Kreischen der Flughunde gelauscht und ihnen eine Zitrone auf den Tisch gelegt, damit sie etwas zu essen hätten. Er ist nicht ins Bett gegangen, als ein Sturm über die Insel zog, weil er noch nie so viele Blitze über den Himmel zucken gesehen hat. Er hat Schraubenbaum-Eis probiert und schon nach dem ersten Schlecken das Gesicht verzogen. Er hat sich die Geschichte erzählen lassen, wie sich die Malediver früher vor den blühenden Korallen gefürchtet hätten, weil sie dachten, dass darin böse Geister lebten. Er hat sich im Kids Club als Pirat verkleidet und ist auf Schatzsuche gegangen (Beute: eine Tüte Süßes). Er hat sich in einer Hängematte so fest von mir schaukeln lassen, dass beinahe der Ast abgebrochen wäre. Aber nun steht er vor mir und sagt, ihm sei langweilig. Wie schön, denke ich.

Die Redaktion wurde vom Hotel Kuramathi Maldives eingeladen.

(webe)
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