Spanien Altstadt-Charme und Avantgarde

Auf der einen Seite Mittelmeer-Romantik mit Paella und Patina, auf der anderen futuristische Ausrufezeichen aus Glas und Beton in der „Stadt der Künste“. Und wie immer im März: Spaniens feurigste Fiesta

 Der Turia-Brunnen liegt in Valencias Altstadt.

Der Turia-Brunnen liegt in Valencias Altstadt.

Foto: Bernd Schiller

Schönes altes Europa. Auf der großen Plaza de la Virgin glaubt man sich der Seele dieser mediterranen Metropole ziemlich nahe zu sein: in der Mitte ein sprudelnder Brunnen, eingerahmt von allegorischen Figuren, die die acht Bäche symbolisieren, die einst dem Stadtfluss Turia entgegenstrebten. Der Jungfrauenplatz wird vom Kuppelbau einer Barockbasilika dominiert, von der Kathedrale überragt, von Korbstühlen gemütlicher Cafés flankiert und von Flaneuren, Radfahrern und Tagträumern bevölkert.

Schöne neue Welt. In der „Stadt der Künste und Wissenschaften“ hat die Zukunft längst begonnen. Und auch hier, keine zwei Kilometer weiter, ist Seele zu spüren, Flair und Atmosphäre, nur eben ganz anders. Der weltberühmte Architekt Santiago Calatrava, ein echter Valenciano, hat spektakuläre Kontrapunkte zu den klassischen Bauten der Altstadt in das trockengelegte Flussbett des Turio gesetzt: zum Beispiel das Opernhaus, das seine Betonfühler wie ein gewaltiges Insekt in den blauen Himmel reckt, daneben „L‘Hemisphèric“, ein Planetarium mit 3-D-Kino. Oder ein Museum, das alle bekannten Gesetze von Form und Zweckmäßigkeit zu überwinden scheint, schließlich “L‘Oceanogràfic“, ein zeltartig gestaltetes Aquarium der Superlative.

Auf der einen Seite die den Traditionalisten und Kunstliebhabern vertraute Plaza oder die Seidenbörse aus dem 15. Jahrhundert, die längst zum Weltkulturerbe geadelt wurde. Auf der anderen Seite Calatravas steingewordene Visionen und, seit diesem Jahr, das Attribut einer Welthauptstadt des Designs. Mehr Kontrast mag man sich kaum vorstellen. Und doch bilden die Pole dieser Stadt eine elegante Einheit.

 Hinter dem modernen 3-D-Kino L'Hemisfèric liegt die nicht minder moderne Oper Valencias.

Hinter dem modernen 3-D-Kino L'Hemisfèric liegt die nicht minder moderne Oper Valencias.

Foto: Bernd Schiller

Dabei lebt doch „die Schöne an der Spaniens Ostküste“, wie sie sich gern nennen lässt, vor allem die Gegenwart auf südlich-heitere Weise aus, zum Beispiel im bunten Kiez El Carmen, einem Viertel voller Kunst und Lebensfreude. Mit Eifer pflegt die Fast-Millionenstadt am Meer ihre Traditionen, etwa in Markthallen unter gusseisernem Dach oder bei einem der spektakulärsten Feste der iberischen Halbinsel, den Fallas-Tagen im März.

Jedes Jahr stellen dabei die Valencianos ihre Stadt für mindestens eine Woche auf den Kopf. Was vor fast 300 Jahren als flammender Frühlingsgruß der Zimmerleute zu Ehren ihres Patrons, des heiligen Josefs, begann, zieht längst als feurige Fiesta Besucher aus der ganzen Welt an. Wurden ursprünglich Holzreste der Handwerker und später Puppen in Brand gesetzt, stehen heute riesige Kunstwerke aus Pappmaché im Mittelpunkt, jedes für sich auf zumeist spöttische Weise einem Thema der Stadt gewidmet. Nicht allen Valencianos gefällt der Trubel, manche flüchten während der tollen Tage im März aufs Land, so wie es im Rheinland Menschen gibt, die vor dem Karneval für ein paar Tage nach Sylt entschwinden.

Ganzjährig beliebter Startpunkt für einen Bummel durch die alten Gassen ist die Horchateria Santa Catalina. Seit 1909 schenkt man hier einen erfrischendes Mixgetränk aus, Mandelmilch, die einst mit den Arabern ins Land gekommen war und später vergessen wurde. Neuerdings bieten zwar auch neonschicke Läden das Getränk to go an, aber die traditionsbewussten Valencianos, und das sind keineswegs nur die Alten, bleiben Santa Catalina und anderen klassischen Bars treu.

Auch darauf legen man in Leute in Valencia, stolz und stur, wie sie sind, großen Wert: Sie haben die Paella erfunden, sie und niemand sonst in Spanien.

Der Genuss dieses weltweit beliebten Pfannengerichts gehört also unbedingt zu Valencia wie das Altbier zu Düsseldorf. Wer es authentisch liebt, wird zwanzig Minuten Autofahrt durch schier endlose Reisfelder gern in Kauf nehmen. Sie gehen in das Naturschutzgebiet Albufera über, eine stille amphibische Landschaft, ein Biotop voller seltener Tiere und Pflanzen. Und fast mittendrin, das Restaurant Mateu, Ziel aller Paella-Pilger, nobles Ambiente und doch familienfreundlich.

Wohl nirgendwo wird die Pfanne so üppig gefüllt wie hier, vor den Toren der Stadt. Zur echten Paella Valanciana gehören übrigens niemals Meeresfrüchte, nur Hühnchen- und Kaninchenfleisch, grüne Bohnen, rote Paprika, geriebene Tomaten. Und, claro, echter Safran, der den Reis so schön gelb färbt. Wem die Portionen zu groß sind, wer auf Entdeckungen aus ist, wird vielleicht andere Spezialitäten, weniger bekannt, aber nicht minder pikant, bestellen, zum Beispiel die Llisa, einen Fisch aus der Albufera, oder All i Pebre, den Eintopf mit Aal, den früher vor allem die Fischer und Reisbauern der Region zu schätzen gewusst haben.

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