Ferien ohne Fernziel Wie der Urlaub auch zu Hause schön wird

Münster/Hamburg · Freie Ostertage ohne echtes Ostergefühl. Ferien ohne Urlaub. Das Coronavirus sorgt bei vielen für Zwangsurlaub auf Balkonien. Das ist bitter, aber es macht Entspannung nicht unmöglich. Experten sagen, wie es auch daheim geht.

 Mit ein bisschen Fantasie kommt man auch zu Hause in den Erholungsmodus. (Symbolbild)

Mit ein bisschen Fantasie kommt man auch zu Hause in den Erholungsmodus. (Symbolbild)

Foto: Shutterstock/nito

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Schon seit Wochen in sozialer Isolation in den eigenen vier Wänden und jetzt ist auch noch der Urlaub futsch. Da, wo sich sonst vergnügte Urlaubsstimmung breit macht, fluten in der Corona-Krise Feriendepressionen das Gemüt. Erst Arbeiten in den eigenen vier Wänden und nun auch noch Urlaub zu Hause. Wie soll das gehen?

Dass dies nicht leicht ist, spürt intuitiv jeder. Trotzdem kann es funktionieren. Die gute Nachricht: „Für den Erholungseffekt ist es egal, ob wir weit weg fahren oder zu Hause bleiben“, sagt Carmen Binnewies, Arbeitspsychologin von der Universität Münster. Psychologisch erklären wir Erholung damit, dass es gelingt, den Alltag zu vergessen und Abstand von der Arbeit zu bekommen. Dies geht durch einen Ortswechsel zwar leichter, zeigen Studien, doch Wegfahren bedeutet immer auch Reisestress, sagt Binnewies.

Lange Autofahrten, Flugverspätung oder Jetlag, ungewohntes Klima oder zu harte oder weiche Betten – die Liste der mit Urlaub verbundenen Stressfaktoren ist lang. Sie sind die Hürde vor der Entspannung. „Bei Reisen mit Zeitumstellung braucht der Körper beispielsweise 14 Tage, um sich an eine andere Zeit zu gewöhnen“, sagt der Hamburger Sozialpsychiater und Psychotherapeut Michael Stark. Zu Hause zu bleiben erspart also viele Anpassungsprobleme.

Die Herausforderung stellt zu Hause allerdings der geglückte Shift aus der Routine dar. Denn in den eigenen vier Wänden neigt man dazu, all die Dinge zu tun, die sonst liegen bleiben. Darum rät Stark dazu, beim Urlaub zu Hause nicht nur die Post im Briefkasten zu lassen. Auch den Frühjahrsputz oder die Steuererklärung in Angriff zu nehmen sei tabu. „Tun Sie nicht das langweilige Übliche, sondern spaßige und verrückte Dinge“, rät Stark.

Was das konkret sein kann, muss jeder für sich ausloten. Familien mit Kindern können, so ein Vorschlag des Experten, beispielsweise das Wohnzimmer in einen Zeltplatz umbauen und dort übernachten. Auch im Schrebergarten zu schlafen, könne zum kleinen Abenteuer werden. Ohnehin im Moment untersagte Spielplatzbesuche können durch einen Ausflug in den Wald ersetzt werden.

Sich hinter Bäumen zu verstecken oder mit Hölzern einen kleinen Bach aufzustauen – solche Fluchten aus Großstadträumen sorgen für Abwechslung und haben nachweislich einen starken Erholungs- und auch Gesundheitseffekt. Dabei spielt es keine Rolle, ob man eine Urlaubswanderung um den Bodensee macht oder die Hinsbecker Seenplatte besucht, durch die Pinienwälder an der Côte d’Azur spaziert oder durch den Wald vor der eigenen Haustüre.

Denn Waldluft enthält grundsätzlich chemische Verbindungen, auch Terpene genannt, sagt Gisela Immich, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Publik Health und Versorgungsforschung der Universität München. Diese ätherischen Öle – wie wir sie beispielsweise in Kieferwäldern riechen - dienen den Pflanzen als Kommunikationsmittel, um sich selbst vor Bakterien und Pilzen zu schützen. Beim Menschen wirken laut Immich Terpene hingegen stärkend auf das Immunsystem.

Ganz gleich ob Fangen spielen oder ein ausgedehnter Spaziergang – jede Form der Bewegung hilft laut Binnewies dabei, Stresshormone abzubauen und auch ohne fernes Urlaubsziel zu entschleunigen. Selbst bei schlechtem Wetter lasse sich der Positiveffekt der Natur nutzen: „Wissenschaftler aus Norwegen haben herausgefunden, dass es bereits reicht Naturbilder zu betrachten oder Naturgeräusche zu hören“, sagt die Psychologin. Erklären lässt sich dieser Effekt durch die Aktivierung des Parasympathikus. Dieser Teil unseres Nervensystems sorgt dafür, dass sich der Körper erholt.

Weiterer Entspannungsfaktor für den gelungenen Urlaub zu Hause: Schlafen, wie es der eigene Biorhythmus vorgibt. „In unserem Alltagsleben ist oft der eigene Schlaftakt nicht synchron mit den Anforderungen von außen“, sagt Binnewies. Nach der eigenen Uhr schlafen zu gehen und aufzustehen, wann man möchte, ist eine Freiheit, die viele in den Ferien schätzen. „Gleichzeitig sollten man seine Gewohnheiten aber auch nicht zu drastisch ändern“, sagt die Psychologin. Das gelte vor allem für Menschen mit Migräne.

Für das Erholungsgefühl sei zudem wichtig, körperlich zur Ruhe zu kommen. Für den einen kann ein Online-Yoga-Kurs das bieten, für den anderen frei gestaltbare Zeit zum Musik hören oder Bücher verschlingen. „Suchen Sie nach einfachen Dingen, über die Sie sich freuen können“, rät Stark. Das könne zum Beispiel das gute Gefühl sein, kreativ zu sein und sich in Tätigkeiten zu versuchen, die man sonst nicht macht. Der größte Fehler hingegen: „Auf der Couch sitzen bleiben und nichts zu tun“, Sagt Binnewies.

Sie rät dazu auch die wachsende Zahl digitaler Angebote zu nutzen. Derzeit öffnen große Galerien und Museen weltweit ihre Türen zu virtuellen Rundgängen, die als Ersatz für den realen Besuch dienen können. „Ich habe beispielsweise den Berliner Zoo abonniert, der uns regelmäßig mit Storys über die Tiere versorgt“, sagt Binnewies. Eine weitere Idee, die sie mit ihrem Team umsetzen möchte: Der digitale Besuch eines Exit-Rooms. Verabreden Sie sich zum gemeinsamen Spielen oder Kochen via Skype oder Zoom“, steuert Stark bei. Am Ende sei gar nicht so wichtig, was man macht, sondern wie man sich selbst dabei fühlt.

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