Dänische Westküste Mit dem Trecker zur Insel Mandø

Mandø · Mandø ist eine ungewöhnliche winzige Insel vor der dänischen Westküste. Die meisten Touristen kommen mit Kristian Nielsens Trecker dorthin. Die Passagiere sitzen im Anhänger und gucken übers Wattenmeer.

Treckerfahrt zur dänischen Insel Mandø
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Kristian Nielsen ist passionierter Treckerfahrer. Sein Traktor, ein 5150 Pro von Case IH, ist ein Mordsding mit 135 Pferdestärken. Die riesigen, breiten Reifen reichen einem Erwachsenen locker bis an die Brust. Sie haben ein enormes Profil, und die Maschine könnte den Schlepper problemlos auf 40 Stundenkilometer beschleunigen. Aber Nielsen gibt selten Gummi und fährt viel lieber ausgesprochen langsam. Das liegt daran, dass er meist auf einer ziemlich kleinen Straße unterwegs ist, die durchs Wattenmeer der Nordsee führt. Nielsen transportiert seine Passagiere nach Mandø, einer winzigen Insel vor der dänischen Küste.

Mandø ist acht Quadratkilometer groß

Nielsens Gäste sitzen dabei im "Mandø Bussen", dem Anhänger, den der Traktor zieht. Wenn die Sonne scheint, sind die meisten auf dem Oberdeck an der frischen Luft. Der rot-blaue Mandø-Doppeldecker-Bus gehört Preben Nielsen, Kristians Vater. Er ist auf Mandø aufgewachsen - und er hatte die Idee, Touristen, die hier im Süden Dänemarks Urlaub machen, für einen Ausflug der etwas anderen Art auf seine Heimatinsel zu bringen. Sie ist gerade einmal acht Quadratkilometer groß und liegt südlich der auch bei deutschen Touristen beliebten Ferieninsel Fanø.

Kristian Nielsen startet auf dem Festland nicht weit von der Küste, etwas westlich von Vester Vedsted, wo auf dem Deich ein paar Schafe grasen. Der Trecker nimmt die Strecke über den Laaningsvej, dem etwas erhöhten, befestigten Weg rüber auf die Insel, der zweimal am Tag vom Nordseewasser überflutet wird, bei Ebbe aber problemlos befahrbar ist. Bis vor gut einem Jahr ist er auch auf dem Ebbevej gefahren, direkt über den Wattenmeerboden. Doch seit einem Unfall ist das Geschichte.

Blick bis zum Horizont

Die Sonne strahlt, am Himmel verteilen sich dekorativ weiße Wölkchen. Über den Schlick staksen einige Watvögel. Auf der Holzbank auf dem Oberdeck haben Nielsens Gäste einen hervorragenden Blick bis zum Horizont. Auf dem Laaningsvej ist die Fahrt vergleichsweise komfortabel und hat doch einen Hauch von Safari: Man kann das Fahrzeug nicht verlassen, bekommt viel zu sehen und muss eigentlich nichts tun, außer die Augen offen zu halten, während Nielsen seinen Riesentrecker stoisch vorwärts steuert.

Auch Autos sind manchmal auf dem befestigten Weg unterwegs. Immer mal wieder versuchen ein paar Wagemutige oder Schwachköpfe, stattdessen über den fast parallel verlaufenden Ebbevej durchs Watt zu fahren und bleiben dann im Matsch stecken. Der Wagen ist hinüber, wenn die Flut kommt und sie es bis dahin nicht zurück ans Land geschafft haben.

Wenn der Bus Mandø erreicht hat, braucht Nielsen nur ein Stück geradeaus zu fahren, um in das einzige Inseldorf zu kommen. Das Leben auf der winzigen Nordseeinsel ist kein Zuckerschlecken. Heute wohnen hier nur noch rund 30 Menschen, Mitte der 1990er Jahre waren es noch mehr als doppelt so viele.

"Nur ganz spezielle Leute können hier leben", sagt Kristian Nielsen. "Im Winter passiert gar nichts." Sogar die Grundschule ist inzwischen geschlossen. Die Kinder müssen zum Unterricht auf das Festland. Und das geht nur mit Nielsens Hilfe: Sie fahren jeden Tag mit dem Doppeldecker-Bus. "Mit dem Traktor kann man bei fast jedem Wetter ans Festland fahren", sagt Nielsen. "Nur bei Sturmflut geht das nicht." Dann fällt die Schule aus.

Nielsen parkt seinen Trecker mitten im Inseldorf. Ein paar Gästezimmer gibt es im Gasthof "Mandø Kro" und auf einigen Bauernhöfen sowie einen Campingplatz. Die meisten Touristen kommen mit Nielsen für einen Kurzbesuch. Die Sehenswürdigkeiten sind an einer Hand abzuzählen und alle schnell zu erreichen: Die Mandø Mølle, eine Windmühle aus dem 19. Jahrhundert, ist gleich am Dorfrand zu sehen. Die kleine Kirche gehört auch dazu, die ein paar inseltypische Besonderheiten hat. Ihre zwei Eingänge zählen dazu - je nachdem, aus welcher Richtung der Wind weht, nimmt man den einen oder den anderen.

Vor 30 Jahren überspült

Das klingt lustiger, als es ist: Wenn die Böen auf Orkanstärke zugehen, kann es sehr hilfreich sein, nicht durch den Wind laufen zu müssen. Bei heftigem Sturm ist die Insel akut gefährdet - zuletzt wurde sie vor genau 30 Jahren überspült.

Unter der Kirchendecke hängen vier Schiffsmodelle - gestiftet von Seeleuten, die damit ihre Dankbarkeit dafür zeigen wollten, nach großer Fahrt lebend zurück auf ihre Heimatinsel gekommen zu sein. Alle Schiffe zeigen mit dem Bug in Richtung Kanzel. Drei Heiligenfiguren gibt es, die einst auf Mandø angespült wurden. Und ein Hirschgeweih, das aus der Eiszeit stammen soll, dient hier als Haken für Hüte.

Das sehenswerte Mandø-Museum bietet einen Einblick in das Alltagsleben früherer Zeiten: Ein Webstuhl ist hier zu sehen, Nähzeug, Spinnrad und Schafwolle und ein Ofen, der sich von hinten aus dem Nachbarzimmer befeuern ließ. Zwei Alkoven gibt es, in denen einst halb sitzend geschlafen wurde. Die Werkzeugkammer ist mit Sägen, Zangen und Hämmern ausgestattet. Selbst eine Harke fehlt nicht, mit der die Bewohner einst Schafdung zusammengekratzt haben.

Zu den ungewöhnlichsten Exponaten gehört die Uniform eines englischen Piloten. Er war im Zweiten Weltkrieg über der Nordsee abgeschossen worden, mit dem Fallschirm abgesprungen und vor Mandø im Watt gelandet. Die Dänen versteckten ihn und halfen ihm bei der Flucht nach Schweden.

Mandø ist überschaubar. Man ist schnell am Deich und blickt dann über das Wattenmeer: Ein Boot liegt dort bei Ebbe schräg auf dem Meeresboden. Auch die riesige Sandbank ist von hier aus gut zu sehen: Sie ist 20 Quadratkilometer groß - das ist zweieinhalb Mal die Fläche von Mandø selbst. An manchen Stellen fühlen sich auf der Sandfläche auch Seehunde wohl. Zu sehen bekommen Kurzbesucher sie üblicherweise nicht. Es bleibt auch gar nicht mehr viel Zeit. Kristian Nielsen guckt schon auf die Uhr: Der "Mandø Bussen" fährt gleich wieder ab.

(dpa)
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