Inselstaat im Indischen Ozean Tourismus auf den Malediven - wo ist das Robinson-Feeling?

Malé · Als 1972 die ersten Urlauber auf die Malediven kamen, wohnten sie in einfachen Hütten aus Korallen und Palmwedeln. Der Kontrast zu den Luxus-Resorts von heute könnte kaum größer sein.

50 Jahre Urlaub auf den Malediven
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50 Jahre Urlaub auf den Malediven

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Foto: dpa-tmn/Bernhard Krieger

Von Palmen gesäumte Sandstrände, türkis schimmernde Lagunen, farbenprächtige Korallenriffe, ewiger Sommer - die Malediven sind für viele der Inbegriff des Sehnsuchtsziels im Urlaub. Und immer mehr machen ihren Traum wahr. Die Touristenzahlen steigen kontinuierlich, sogar während der Corona-Pandemie.

50 Jahre nach den ersten Touristen erwartet der Inselstaat im Indischen Ozean 2022 eine neue Rekordzahl von 1,6 Millionen Gästen. Auch in diesem Jahr eröffneten neue, immer luxuriösere Resorts. Der Malediven-Tourismus boomt - mit allen Licht- und Schattenseiten.

Sicher ist: Die Abenteuerlustigen, die zur Eröffnung des ersten Resorts am 3. Oktober 1972 kamen, würden die Malediven heute kaum noch wiedererkennen. Die ersten Hütten waren einfach, mit Wänden aus Korallen und Dächern aus Palmwedeln. Geduscht wurde mit verdünntem Salzwasser. Es gab keinen Pool, kein Spa, kein Fitnesscenter und nicht mal ein richtiges Restaurant.

Was es gab: Barbecue am Strand, Lagerfeuer unter Palmen, eine überwältigende Unterwasserwelt und jede Menge Insel-Romantik. Ein bisschen Robinson-Crusoe-Feeling mitten im Ozean.

Alles begann mit einem italienischen Reisebüro-Besitzer

Den ersten Touristen, die der Italiener George Corbin auf die Malediven brachte, reichte das. Als der Reisebüro-Besitzer Anfang der 1970er Jahre in Sri Lanka neue Bade- und Tauchreiseziele suchte, entdeckte er die Malediven eher zufällig.

Auf seiner zweiten Erkundungstour traf er im Februar 1972 auf Mohamed Umar Maniku, einen findigen Beamten, der sich mit einem Freund von Corbins Pioniergeist anstecken ließ. Kurzerhand zimmerten die beiden auf der Kokosplantagen-Insel Vihamanaafushi gegenüber von Malés Flughafen drei Dutzend Unterkünfte zusammen.

Mit der Eröffnung ihres Kurumba Village 1972 legten sie den Grundstein für den Tourismus auf den Malediven. Fehlendes Know-how glichen sie mit Engagement aus. „Wir wussten nichts, aber wir haben den Gästen zugehört und gelernt“, erzählt Maniku, der sich nicht zu schade war, in den ersten Monaten selbst zu kochen und Zimmer zu putzen. Heute ist Maniku Vorsitzender der Universal Resorts, die Kurumba und andere Resorts auf den Malediven betreiben.

„Bis Mitte der achtziger Jahre waren die Malediven ein Billigreiseziel und eine Art Anhängsel von Sri Lanka“, erinnert sich Maniku. In den ersten Jahren kamen vor allem Rucksack-Touristen und Taucher. Viel Geld ließen sie nicht da.

Erste Luxus-Resorts und Top-Restaurants

Mit der Zeit aber wurde der Tourismus immer wichtiger für den Staat mit seinen 1190 Inselchen, die sich über 26 Atolle und fast 900 Kilometer hinweg vom Äquator nach Norden aufreihen.

Als in den 1990er Jahren erste Luxus-Resorts mit hochklassigen Spas und Top-Restaurants öffneten, nahm schließlich auch der Jetset Notiz von den Sandflecken im Indischen Ozean. Fotos von Stars und Sternchen im Malediven-Urlaub gingen um die Welt und machten die Inseln zum Sehnsuchtsziel, unter anderem für Hochzeitsreisende.

Immer neue Resorts entstanden, auch weiter von Malé entfernt. Auf diese Eilande wurden die Gäste zunächst mit Hubschraubern gebracht, bevor diese von Wasserflugzeugen abgelöst wurden, die bis heute von sogenannten „Barefoot-Pilots“ barfuß gesteuert werden.

Spektakuläre Anreise auf die Atolle

Schon der Flug mit den bulligen Twin-Otter-Maschinen ist für viele Urlauber ein Highlight, auch für die Gäste des Amilla Resorts im Baa Atoll. Nach dem Start vom Seaplane-Terminal neben dem internationalen Flughafen dreht die Maschine über die riesigen Appartement-Blocks von Hulhumalé Richtung Norden ab.

Schnell verschwinden die Hochhäuser von Malé, das seit 2018 mit der Flughafen-Insel Hulhulé durch eine Brücke und mit den neuen Vierteln der aufgeschütteten Hulhumalé-Insel durch einen Damm verbunden ist. Malé platzt aus allen Nähten, weil wegen des boomenden Tourismus viele Malediver in die Hauptstadt ziehen.

Touristen dagegen zieht es in der Regel sofort nach Landung in Malé raus in die Resorts. Die sind schon aus dem Wasserflieger an ihren in die Lagunen gebauten Wasservillen zu erkennen. Rund um die Inseln sind in dem kristallklaren Wasser Riffe zu erahnen.

Viele Inseln werden durch ein Hausriff geschützt, das Atoll zusätzlich durch ein Außenriff. Wie knapp unter der Wasseroberfläche liegende Wellenbrecher schirmen sie die Atolle vor heranrollenden Wellen ab. Dank der fast senkrecht abfallenden Riffe kamen die Malediven auch beim Tsunami 2004 relativ glimpflich davon.

Ein Urlaubstraum - Strandvilla mit Meerzugang und Mantarochen

In Winter ist das Wasser in den Atollen oft spiegelglatt. Dann können die Wasserflieger besonders sanft aufsetzen - auch vor Amilla, wo die stellvertretende Resort-Direktorin Victoria Kruse am Steg empfängt.

Auf der Insel verstecken sich Strandvillen zwischen dichter tropischer Vegetation. Alle haben eigene Pools und direkten Zugang zum Meer. Von den weiß getünchten Häusern steigt man über eine Treppe direkt ins Wasser, um - umgeben von bunten Fischen - zu schwimmen. Manchmal kommen Schildkröten, Rochen und kleine Haie vorbei.

In der wenige Bootsminuten entfernten Hanifaru Bay tummeln sich von Mai bis Oktober hunderte Mantarochen. Das Unesco-Biosphären-Reservat Baa Atoll beherbergt die weltgrößte Population der majestätischen Tiere mit ihren breiten, teppichartigen Flossen.

Touristen dürfen regelmäßig in der von Rangern überwachten Bucht schnorcheln. Ab und zu gesellen sich bis zu zehn Meter große, völlig friedliche Walhaie hinzu. Auch wenn steigende Meerestemperaturen und Korallenbleichen den Riffen schwer zugesetzt haben, sind die Malediven immer noch ein Weltklasse-Tauchrevier.

Nachhaltigkeit ist kein Alleinstellungsmerkmal

„Die Hanifaru Bay ist etwas Einzigartiges“, sagt Amilla-Managerin Kruse, die wie alle anderen Resort-Chefinnen und -Chefs versucht, in dem immer größer werdenden Konkurrenzkampf der Inseln mit Alleinstellungsmerkmalen zu punkten.

Und wie fast alle anderen setzt sie mit Solar-Systemen und eigener Wasseraufbereitung auf Nachhaltigkeit. „Wir haben sogar eine kleine Farm auf der Insel mit Hühnern und Gemüse-Anbau“, betont sie.

Viele Resorts engagieren sich für die Umwelt, unter anderem mit Korallen-, Schildkröten- und Mantarochen-Projekten. Einige betreiben eigene Kläranlagen, während beispielsweise in Malé Abwässer der knapp 150 000 Einwohner immer noch ins Meer geleitet werden. Resorts wie Fairmont investierten in Plastik-Recycling-Anlagen, in denen auch Plastikmüll von anderen Inseln verwertet wird.

Wurden früher Riffe gedankenlos für den Bau von Resorts zerstört, gibt es inzwischen strikte Auflagen der Regierung. Auch die Fischerei wurde reglementiert und Schildkröten- und Haifang komplett verboten.

Ein Überbietungswettbewerb der Resorts

Kritikern geht dies nicht weit genug, zumal der Trend zu immer größeren Resorts ungebrochen ist. „Seit rund 30 Jahren überbieten sich die Resorts mit immer spektakulären Neuerungen“, sagt Sumeet Kumar. Der fundierte Kenner der Malediven hat schon in vielen Resorts gearbeitet. Derzeit ist er für die Restaurants des Resorts Huvafen Fushi verantwortlich.

Die relativ kleine Insel gehört zu Universal und zu den Trendsettern auf den Malediven. „Huvafen Fushi baute als erstes Resort Pools an alle Villen, ein Unterwasser-Spa und den ersten unterirdischen Weinkeller der Malediven“, zählt Kumar auf.

Huvafen Fushi hat sich trotzdem so etwas wie ein ursprüngliches Malediven-Feeling bewahrt. Andere im boomenden Luxus-Segment haben sich weit von den Ursprüngen entfernt. Villen sind dort zuweilen hunderte Quadratmeter groß. Restaurants werden nicht mehr nur an den Strand gebaut. Sie finden sich teils unter Wasser - oder in Baumwipfeln. Das Resort Velaa Private Island im Noonu Atoll hat sogar einen Golfplatz.

Bodenständiger geht es auf den meisten Drei- und Viersterne-Inseln zu. Neuerdings gibt es auch einige Gästehäuser auf den zuvor von der Regierung abgeschirmten Einheimischen-Inseln.

(albu/dpa)
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