Köln Stadtrundgang ohne Fremdworte
Köln · Führungen in einfacher Sprache sollen neue Zielgruppen für den Tourismus erschließen.
Der kleine Platz mit Blick auf das Hauptportal des Kölner Doms ist erst vor kurzem zu hohen Ehren gelangt: 2008 erhielt er den Namen von Kardinal Joseph Höffner. "Das war der Vorgänger von Kardinal Meisner, und der war der Vorgänger von - wem?", fragt Wolfram Buttschardt. Die Gruppe druckst einen Moment herum. Die Führung hat gerade erst angefangen, und schon kommen Quizfragen. "Kardinal Woelki", löst Buttschardt auf. "Den Namen solltet ihr kennen. Vielleicht treffen wir ihn gleich noch. Er fährt öfter mit dem Fahrrad hier entlang", erklärt er und weist in Richtung Domplatte.
Während des Rundgangs stellt er viele solcher Fragen - rund um die Themen, die die Domstadt bewegen: Kirche, Kölsch und Karneval. Doch vor allem erklärt Buttschardt, zeigt überraschende Details und gibt Anekdoten zum Besten. All das tut er an diesem Spätsommerabend mit simplen Worten, denn die Führung findet in Einfacher Sprache statt. Solche Angebote in Einfacher und Leichter Sprache stoßen auf wachsende Beliebtheit; es gibt sie in immer mehr deutschen Städten.
Diesmal hat eine Gruppe der Alexianer die Führung gebucht, die in Köln mehrere Einrichtungen für Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung betreiben. Das Ziel ist es, sie so nah wie möglich an den ersten Arbeitsmarkt zu bringen - und dazu könnten Freizeitangebote wie die Stadtführung beitragen, meint Gruppenleiter Hans-Jürgen Neu.
Außerdem kann hier jeder etwas dazulernen. Zum Beispiel, nach wem der Roncalli-Platz benannt ist: nicht etwa nach dem gleichnamigen Zirkus, sondern nach Papst Johannes XXIII., der mit bürgerlichem Namen Angelo Giuseppe Roncalli hieß. Den aktuellen Papst kennt jeder in der Gruppe. "Mal sehen, ob der auch einmal nach Köln kommt", sagt Buttschardt. Teilnehmer Ronny ist überzeugt: "Der kommt! Am elften Elften."
Wie "Karneval ohne Alkohol" hätten Polizisten den Weltjugendtag 2006 erlebt, so schlägt Buttschardt einen erneuten Bogen. Er greift Erinnerungen und Anregungen der Teilnehmer auf - und passt seine Ausdrucksweise an. "Leichte Sprache ist ohnehin keine gesprochene Sprache. Und wenn ich in Vier-Wort-Sätzen mit jemandem sprechen würde, der eine psychische, aber keine kognitive Einschränkung hat, wäre das unangemessen", erklärt der Stadtführer, der hauptberuflich bei der KoKoBe arbeitet, einer Beratungsstelle für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung.
Buttschardt hat Angebote in Leichter Sprache bei KölnTourismus angeregt, inzwischen werden alle Mitarbeiter in Inklusion geschult. Er liegt damit im Trend. So ist es erklärtes Ziel der Bundesregierung, Leichte Sprache in den Bundesbehörden zu etablieren. "Menschen mit Behinderungen haben ein Recht darauf, dass wir ihnen alle Informationen so verständlich wie möglich vermitteln", erklärte Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) im vergangenen Jahr.
Dabei ist Leichte Sprache keine Kindersprache, sondern eine grammatikalische Form des Deutschen. Sie soll Menschen mit kognitiven Lernschwierigkeiten den Zugang zu Informationen erleichtern. Laut dem Kommunikationsfachmann Bernd Heimbüchel liegt der Absatz von Publikationen in Leichter Sprache "immer um ein Mehrfaches über dem Anteil der ursprünglichen Zielgruppe". Heimbüchel leitet das Büro für Leichte Sprache und ist Vorstand des Instituts für Leichte Sprache und Inklusion (ISI); beide haben ihren Sitz in Köln.
Auch Stadtführer Buttschardt rechnet angesichts inklusiver Schulklassen mit wachsender Nachfrage. Seine Führung jedenfalls klingt jeck aus: im "Höhnerstall", den die gleichnamige kölsche Mundartband eingerichtet hat. "Köln ist schließlich die meistbesungene Stadt der Welt", verrät Buttschardt. Wie viele Karnevalslieder es wohl gibt, rätselt die Gruppe, 100 oder sogar 1000? Nein, es sind 24.000.