Countdown für die Expo 2010 Schanghai - fast so verrückt wie Dubai

Schanghai (RPO). Es ist zweifellos die beeindruckendste Stadt Chinas: In Schanghai ragen zwei der weltgrößten Wolkenkratzer in den Himmel. Was Olympia 2008 für Peking war, soll die am 1. Mai beginnende Expo 2010 für die 18-Millionen-Metropole werden.

Boomtown Schanghai
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Mit erwarteten 70 Millionen Besuchern und 250 teilnehmenden Ländern und Organisationen wird es die größte Weltausstellung aller Zeiten. Daneben entsteht trotz globaler Finanzkrise noch das Schanghai Center: 632 Meter wird sich der Megaturm bis 2014 in den Himmel schrauben und dann nur vom Burj Khalifa in Dubai übertroffen werden. Vor allem will die Hafenstadt Hongkong den Rang als asiatisches Finanzzentrum ablaufen.

In dem Häusermeer der 18 Millionen Einwohner zählenden Mega-City findet sich eine Mischung aus Modernität, Konsum und chinesischem Alltag - gepaart mit Resten asiatischer Exotik, die zunehmend bedroht ist. Um den Yuyang-Garten mit dem alten Teehaus im chinesischen Viertel ist die Tradition aber noch spürbar: Geschwungene Dächer recken sich gen Himmel, rote Lampions schmücken die Straßen. Garküchen bieten auf Holzspießen frittierte Krebse und Tintenfische.

"Rolex watch?"

Menschenmassen schieben sich durch die Gassen. Geschäfte bieten Perlen, Plastikspielzeug und Kitsch an. Der penetrante Geruch von "Chou Doufu", einer frittierten Art des Tofu-Sojabohnenkäses, liegt in der Luft. "Rolex watch?", "iPhone?" - so sprechen Schwarzhändler Ausländer an und halten ihnen Prospekte mit gefälschten Taschen und Luxusuhren unter die Nase. Mancher wird über den Tisch gezogen und bekommt bei der Rückreise Ärger mit dem heimischen Zoll.

Entspannter geht es in der Old China Street (Fangban Lu) zu, wo alte Frauen süße Backwaren verkaufen. Über den Ladenlokalen gibt es im oberen Stock Nudelsuppen und die in Schanghai berühmten gefüllten Teigtaschen Baozi und Xiaolongbao. Selbst bei Straßenhändlern lassen sich diese Dampfnudeln bedenkenlos essen. Für Ausländer gilt: Wo viele Chinesen essen, muss es gut sein. Und wenn es keine bebilderte Speisekarte gibt: einfach auf die Teller auf Nachbartischen zeigen.

Die alte Uferpromenade am Huangpu-Fluss heißt Bund. Hier sind das Zollamt von 1927 zu finden, das Gebäude der Bank of China von 1936 und das im Chicago-Stil gebaute "Peace-Hotel" mit dem Art-Deco-Foyer. Derzeit ist es aber wegen Renovierung geschlossen. Manches andere alte Gebäude steht leer oder hätte dringend eine Sanierung nötig. Es gibt wenig Flair entlang der Promenade, auch wenn globale Marken wie Prada oder Zegna glauben, mit Läden am Bund vertreten sein zu müssen.

Schön restauriert, mit betulichem Charme von gestern, zeigt sich hingegen im alten französischen Viertel das "Garden Hotel" aus den 30er Jahren. Das Gebäude war einst der exklusive französische Club. Nach dem Sieg der Kommunisten 1949 erkor Mao Tsetung es zur Residenz. Nicht weit entfernt ist das Herz der französischen Konzession: die "King Albert Apartments" von 1930. Der Verkehrslärm verschwindet hier zwischen den viergeschossigen Gebäuden und wird von Vogelgezwitscher ersetzt. An langen Stangen hängt Wäsche zum Trocknen an den Fenstern.

Shoppen im Pyjama

Dass die Wäsche so ins Freie gehängt wird, passt den Stadtoberen nicht mehr ins Bild einer modernen Metropole. Ebenso wollen sie den Schanghaiern austreiben, im Pyjama zum Einkaufen zu gehen - eine charmante Eigenart, die sich durch das heiße Sommerwetter und die beengten Wohnverhältnisse erklären lässt. Früher mussten sich häufig mehrere Familien ein Bad teilen. Jeder sah jeden im Schlafanzug. Warum also nicht den ganzen Tag im bequemen Nachtanzug herumlaufen?

Typisch für die engen Behausungen ist die "Cité Bourgogne" von 1930. Einige der Lilongs genannten Gassenhäuser wurden in den 90er Jahren unter Denkmalschutz gestellt, viele andere abgerissen. Auch die Expo ist manchmal nur ein Vorwand für den Abriss alter Quartiere. "Die Leute, die da wohnten, können sich die neuen Wohnungen nicht mehr leisten und müssen ganz weit weg ziehen", sagt der 44-jährige Taxifahrer Wang Jinjun.

Heiratsbörse im Vokspark

Im Volkspark gibt es samstags und sonntags einen Heiratsmarkt. "Unsere Kinder haben keine Zeit und müssen arbeiten. Deswegen helfen wir ihnen, einen Ehepartner zu finden", sagt Yang Jieyun, ein Vater. Auf Zetteln stellen sich Kandidaten vor: "Weiblich, 27 Jahre, gut aussehend, weiße Haut, aus intellektueller Familie, hoher Standard, Jahreseinkommen 70 000 Yuan, arbeitet für ein Top-500-Unternehmen" steht auf einem. "Suche ausgeglichenen Qualitätsmann mit Schanghaier Wohnortregistrierung und Bachelor-Abschluss" auf einem anderen.

"Wie groß ist ihre Tochter?", tauschen sich Eltern erwachsener Kinder aus. "Wie auf dem Viehmarkt", staunt eine ausländische Touristin. Doch arrangierte Hochzeiten haben in China Tradition. Yang Jieyun erklärt die Prioritäten: "Der Mensch ist entscheidend, dann kommt die Ausbildung, der Beruf und dann, ob er eine eigene Wohnung hat." Liebe als Voraussetzung für eine Ehe mag ihm nicht einfallen.

Expo in Schanghai: Sechs Monate die Welt zu Gast

Die Expo 2010 findet vom 1. Mai bis 31. Oktober in Schanghai in China statt. Das 5,28 Quadratkilometer große Gelände der Weltausstellung liegt im Süden der Metropole auf beiden Seiten des Huangpu-Flusses vor allem zwischen der Nanpu- und Lupu-Brücke. Die Länderpavillons sind auf der Ostseite in Pudong, während Unternehmen und auch die deutschen Städte Hamburg, Freiburg, Bremen und Düsseldorf auf der Westseite in Puxi ihren Auftritt haben.

Besucher: In den sechs Expo-Monaten werden 70 Millionen Besucher erwartet, davon rund 5 Millionen Ausländer. Täglich sollen 400 000 bis 600 000 Menschen durch das Gelände geschleust werden.

Tickets: Es gibt Karten für 160 Yuan (rund 16 Euro) an normalen Tagen und für 200 Yuan (rund 20 Euro) an den Spitzentagen. Im Vorverkauf sind Tickets billiger. Drei-Tage-Pässe kosten 400 Yuan, eine Woche 900 Yuan. Abendkarten werden für 90 Yuan angeboten.

Spitzenzeiten: Zum Auftakt zwischen dem 1. und 3. Mai sowie zum Nationalfeiertag zwischen dem 1. und 7. Oktober und in der letzten Woche der Expo vom 25. bis 31. Oktober werden besonders viele Besucher erwartet. Dann erhöhen sich die Eintrittskosten.

Öffentlicher Nahverkehr: Vier Shuttlebus-Linien verkehren von der Stadt zur Expo. Auf dem Gelände ist das Mitfahren in Bussen oder Fähren über den Huangpu-Fluss kostenlos.

Infos:

Anreise: Lufthansa, Air China und China Eastern fliegen täglich von Deutschland nach Schanghai. Der Flug dauert etwa zwölf Stunden. Vom Flughafen Pudong lässt sich mit dem Taxi (150 bis 200 Yuan) oder der Magnetschnellbahn Transrapid (50 Yuan) in die Stadt fahren. Es gibt auch Airport-Shuttle-Busse zu Metrostationen oder großen Hotels.

Formalitäten: Deutsche benötigen einen noch sechs Monate gültigen Pass und ein Visum: Botschaft der Volksrepublik China, Brückenstraße 10, 10179 Berlin (Tel.: 030/27 58 85 72, www.china-botschaft.de).

Klima und Reisezeit: Für Reisen am besten sind das Frühjahr (März bis Mai) und der Herbst (Oktober bis November). Die Expo 2010 geht vom 1. Mai über den feuchtheißen Sommer bis zum 31. Oktober. Die Temperaturen können im Sommer 40 Grad erreichen, während sie im Winter bis auf den Nullpunkt fallen können.

Währung: Der Yuan, auch Renminbi (RMB) genannt, verändert sich im Verhältnis von etwa 10:1 zum Euro nur wenig. Zehn Yuan sind ein Euro. Große Hotels, teure Restaurants und Kaufhäuser nehmen Kreditkarten. An Geldautomaten kann auch mit der EC-Karte Bares abgehoben werden.

Gesundheit: Behandlungen in Krankenhäusern müssen sofort bezahlt werden. Kreditkarten werden nur in wenigen Kliniken angenommen. Eine Reisekrankenversicherung mit Rückholservice nach Europa ist sinnvoll. Leitungswasser ist nicht trinkbar, zum Zähneputzen aber in Ordnung.

Informationen: Fremdenverkehrsamt der VR China, Ilkenhansstraße 6, 60433 Frankfurt (Tel.: 069/52 01 35, www.china-tourism.de, Botschaft der Volksrepublik China, Brückenstraße 10, 10179 Berlin (Tel.: 030/27 58 85 72), www.china-botschaft.de, www.shanghai.diplo.de.

(tmn/mais)
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