Schweden Sammeln, kochen, genießen
Gemeinsames Anpacken erwünscht: In der schwedischen Region Värmland wird der Wald zum Open-Air-Restaurant.
Sich einfach an die gedeckte Tafel setzen? Das will hier niemand. Sich von andern bedienen lassen auch nicht. Wer an diesem rustikalen Holztisch im Naturreserverat Kittelfältet in der schwedischen Region Värmland Platz nimmt, der will vor allem eines: Ein pures Naturerlebnis, ein leckeres Menü aus regionalen Zutaten mit anderen gemeinsam zubereiten und mit allen Sinnen genießen. Kochen und Essen ist aber nicht alles. Zunächst muss die eine oder andere Zutat im Wald gesammelt werden. Und man darf sich getrost Zeit lassen.
„Ein Land wird Restaurant“ heißt das dahinterstehende Konzept, wie Cajsa Jansson von der Tourismusorganisation „Visit Värmland“ erklärt. „Um den Zugang zu gesundem Essen und einem aktiven Lebensstil zu erleichtern, haben wir schwedische Köche mit Michelin-Stern um Rat gefragt“, sagt sie. „Gesunde Leckerbissen findet man in unseren Wäldern genug und so wollen wir an verschiedenen Standorten das ganze Land in ein Restaurant zum Selberkochen verwandeln.“
Schluss mit der Theorie: Schon die Anfahrt mit dem Auto ist ein wenig abenteuerlich. Die letzten zwei Kilometer geht es auf einem holprigen Waldweg über Stock und Stein. Am Zielort angekommen, wird man freudig von Max Monsler begrüßt. Er ist zertifizierter Outdoor-Guide und gleichzeitig leidenschaftlicher Hobbykoch. „Keine Angst, ihr müsst heute keinen Elch schießen. Aber den Zander, den ich euch mitgebracht habe, hättet ihr eigentlich auch selbst in dem kleinen See dort unten fangen können“, erzählt er seinen Gästen, die heute alle aus Deutschland und Österreich kommen. Die Kommunikation ist kein Problem. „Ich habe einen deutschen Vater und eine schwedische Mutter und bin deshalb zweisprachig aufgewachsen“, erklärt der 30-Jährige. Natürlich ist man gleich per Du, so wie es in Schweden üblich ist.
Ran an den Speck. Genauer gesagt an die Kräuter, die fürs heutige Menü benötigt werden. Gemeinsames Streifen durchs Unterholz ist angesagt. „Je nach Jahreszeit bietet uns die Natur vieles an“, weiß Max und bringt der Gruppe die Vorzüge des „Elchgrases“ näher. Ein Kraut, das dem ahnungslosen Beobachter recht unscheinbar daherkommt. Man kenne es vielleicht auch unter dem Namen „Mädesüß“, mutmaßt der Experte und weist darauf hin, nur die kleinen und zarten Blätter zu pflücken. Es sei süß, herb und gleichzeitig scharf – habe also von vielen Geschmacksrichtungen etwas – und sei kleingeschnitten bestens zum Würzen von verschiedenen Speisen geeignet. „Das Elchgras enthält außerdem Acetylsalicylsäure, wirkt also entzündungshemmend und schmerzlindernd – falls ihr gestern Abend vielleicht zu viel Alkohol getrunken habt“, fügt Max augenzwinkernd hinzu. Aber auch frische Brennnesseltriebe werden zum Objekt der kulinarischen Begierde und sollen später beim Zubereiten des Fisches hilfreiche Dienste leisten. Natürlich kommt das schwedische „Jedermannsrecht“ zur Sprache. „Was man im Wald findet, darf man auch sammeln, so einfach ist das“, erklärt Max. „Wenn ihr in zwei Wochen nochmal kommt, dann sind die Blaubeeren und Preiselbeeren reif – auch eine perfekte Fleischbeilage. Und im August gibt’s in unseren Wäldern Steinpilze und Pfifferlinge satt.“
Mittlerweile sind gut zwei Stunden vergangen. Hinsetzen, zur Ruhe kommen und zur Erkenntnis gelangen, dass gutes und gesundes Essen doch so einfach sein kann. Die Laune unter allen Beteiligten könnte besser nicht sein. Doch Schluss ist an diesem so herrlichen Frühsommertag noch lange nicht. Max lädt zu einem Verdauungsspaziergang rund um den nahegelegenen See ein und gibt dabei so manche Erfahrung aus seinem naturnahen Leben preis. Und danach wird zur „Fika“, der traditionellen Kaffeepause mit typisch schwedischem Kaffee, eingeladen. Aber auch dafür braucht es Zeit. Und das ist gut so.
Die Reise wurde unterstützt von Visit Sweden.