Reise-Reportage Frisieren rund um den Globus

Wochenlang waren die Friseursalons in Deutschland aufgrund der Corona-Krise geschlossen. Für viele Menschen gehörte das zu den größten Einschränkungen: sich nicht die Haare schneiden lassen zu können. Wir haben Friseuren weltweit über die Schulter geschaut.

 In diesem kleinen indischen Dorf am Ganges schneidet der Friseur seinen Kunden direkt auf der Straße unter freiem Himmel die Haare.

In diesem kleinen indischen Dorf am Ganges schneidet der Friseur seinen Kunden direkt auf der Straße unter freiem Himmel die Haare.

Foto: Bernd Schiller

Waschen, Legen, Föhnen – das gehört auch in Kashgar oder auf den Kapverden zu den ganz alltäglichen Aufgaben von Barbieren und Friseuren. Nach der Behandlung mit Kamm und Schere sieht das Haupt stets ein bisschen anders aus als vorher. Je nachdem in welcher Ecke der Erde, geht das Haareschneiden aber eben auch etwas anders vonstatten.

Es liegt schon ein paar Jahre zurück, und es war ein Ereignis unter freiem Himmel, zu dem sich einige Dutzend Nomaden und Viehtreiber in der Wüste Thar um mich scharten. Der Anlass war simpel: Ich wollte mir nach langen Wochen Abenteuer-Tour endlich die Haare schneiden und den Bart stutzen lassen. Aber hier, auf diesem staubigen Platz im indischen Bundesstaat Rajasthan unweit der Grenze zu Pakistan, zwischen Kamelen und Kühen, hatte diesen Versuch wohl nie zuvor ein Tourist aus einer anderen Welt versucht. Facebook oder Selfies gab es noch nicht, das Internet war noch nicht erfunden, also rückte man hautnah an den Fremden heran, zupfte vorsichtig am nicht ganz so weißen Umhang – und hatte sicher noch auf Wochen hinaus Gesprächsstoff. Die Arbeit des Wüstenfriseurs fiel übrigens durchaus zufriedenstellend aus.

Seither mache ich es gern umgekehrt, schaue überall in der Welt mal kurz in die Salons der Coiffeure und Barbiere, die nicht selten unter freiem Himmel aufgebaut sind. Diese Blicke über die Schulter und auf die Köpfe vermitteln unter anderem die Einsicht, dass es hier so schwer ist, Locken auf der Glatze zu drehen wie in der Ferne Zöpfchen in Wuschelköpfe zu zaubern. Weder auf dem berühmten Sonntagsmarkt von Kashgar an der chinesischen Seidenstraße noch in Praia, dem Hauptstädtchen der Kapverden. Überall sind Friseure und Friseusen mit Fleiß und Stolz beim Schneiden, Waschen, Legen, Föhnen und – je weiter weg, desto häufiger – auch beim Rasieren.

 Im Friseursalon in Praia auf der kapverdischen Insel Santiago steht das Flechten von Zöpfen ganz hoch im Kurs.

Im Friseursalon in Praia auf der kapverdischen Insel Santiago steht das Flechten von Zöpfen ganz hoch im Kurs.

Foto: Bernd Schiller

Aber nirgendwo dort draußen würde es den Barbieren einfallen, mit haarsträubenden Wortspielen ihr Handwerk anzupreisen wie es bei uns Mode geworden ist: „Haarlekin“, „Haarmonie“, „Vorhair & Nachhair“, ja sogar „O’Haara“ und „KatHAARina“ – alles, ehrlich gesagt, haarscharf daneben. „Ali Barber“ hingegen, beliebt in Szenevierteln mit hoher Migrationsrate, gehört zu den eher gelungenen Beispielen. So könnte sogar der Bahnhofsfriseur in Semarang auf der muslimisch dominierten indonesischen Insel Java seine Freiluft-Werkstatt nennen.

 Auf der indonesischen Insel Java wartet dieser Friseur im Bahnhof auf seine Kunden.

Auf der indonesischen Insel Java wartet dieser Friseur im Bahnhof auf seine Kunden.

Foto: Bernd Schiller
 Friseur- und Beautysalon in einem ist dieser Laden in Dalat in Vietnam

Friseur- und Beautysalon in einem ist dieser Laden in Dalat in Vietnam

Foto: Bernd Schiller

Eines aber haben alle Salons gemeinsam: Es sind Treffpunkte und Börsen für Klatsch und Tratsch aus der Nachbarschaft wie für Meinungen aus der großen Politik, über die man sich, eingehüllt in Duftwässerchen, lustig machen oder lustvoll aufregen kann. Ohne sie würde selbst in Zeiten von WhatsApp, Twitter und Facebook der Nachrichtenfluss dieser Welt ins Stocken geraten. Wie beruhigend also, dass wenigstens die Bühnen der Figaros geblieben sind, was sie immer waren: Hochburgen für die Philosophen des Alltag, für Weltverbesserer und Lebenskünstler.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort