Sylt im Winter Raue Seeluft und lodernde Feuer

Sylt · Westerland (rpo). Der Winter steht auf Sylt ganz im Gegensatz zum Sommer: Der Partytrubel ist vorbei, Ruhe kehrt ein. Damit wird die Insel aber keinesfalls langweilig, nur stehen jetzt andere Aspekte im Vordergrund: Entspannung und Natur pur kann man hier genießen. Ausgedehnte Spaziergänge über den einsamen Strand und Dünen oder Badespaß im Hallenbad garantieren Erholung.

"Was ist schöner als ein Morgenspaziergang am fast menschenleeren Strand?", lautet die rhetorische Frage von Harald Hentzschel. Er führt in Sylts größtem Ort Westerland das Hotel "Stadt Hamburg". Zudem gibt er als Hobbyfotograf jedes Jahr den Kalender "Lichtbilder" mit Motiven von der Insel heraus.

Diese entwickelt tatsächlich in der Nebensaison ihren ganz eigenen Reiz. Erleben lässt er sich etwa bei einer Strandwanderung vom noblen Kampen nach Wenningstedt. Wer - einhüllt in eine dicke Jacke - seinen Blick auf die vom Wind gejagten Wolken und den endlos erscheinenden Horizont über dem grauen Meer schweifen lässt, ist möglicherweise bereits infiziert vom winterlichen "Sylt-Virus".

Gute Luft

Gerade in den rauen Wintermonaten ist ein solcher Spaziergang außerdem gesundheitsfördernd: Die vielen Stürme haben die Luft mit Sauerstoff und Jod angefüllt. Ein ausgedehnter Marsch in diesem Reizklima - den Salzgeschmack immer auf den Lippen - stärkt die Abwehrkräfte und weckt Energien.

Ein noch wohligeres Gefühl stellt sich oft nach der Wanderung ein - in einem Gasthaus. Besonders gut schmeckt dort ein heißer Tee nach friesischer Art: mit Kandis und eingeträufelter, nicht umgerührter Sahne. Dazu gibt es Kuchen, zum Beispiel Friesentorte mit viel Pflaumenmus und Schlagsahne.

In kulinarischer Hinsicht kennt Sylt ohnehin keine Nebensaison: Zahlreiche Restaurants bedienen ihre Gäste auch im Winter. Das gilt auch für die Prominenten-Treffs. Gäste, denen der Sinn nach etwas Sylter Lifestyle steht, brauchen also auch im Winter nicht darauf zu verzichten. Auch das berühmte Fischrestaurant "Gosch" mit Häusern in Westerland und in List ganz im Norden der Insel hat dann geöffnet.

Unerschrockene Schwimmer

Rund ums Jahr ermöglicht "Das Hoch im Norden", wie sich Sylt gern selbst nennt, Badespaß. Unerschrockene Schwimmer können am zweiten Weihnachtstag beim traditionellen "Westerländer Weihnachtsbaden" in die eiskalten Nordseefluten springen. Zur Belohnung gibt es eine Urkunde und einen wärmenden Punsch.

Weniger Hartgesottenen empfiehlt sich ein Besuch des Freizeitbades "Sylter Welle". Dort stehen ihnen beispielsweise ein Meerwasser-Wellenbad, aber auch eine Sauna-Grotte zur Verfügung. Im "Syltness-Center" dreht sich alles um Wellness, Fitness, Beauty und Gesundheit. Hier - aber auch in zahlreichen Hotels - können die Gäste sich zum Beispiel für eine therapeutische Massage, ein Körperpeeling oder eine Thalasso-Anwendung entscheiden.

Jahr für Jahr am 21. Februar feiern die Sylter ihr sprichwörtlich heißestes Fest, das "Biikebrennen". Überall lodern dann Holzstöße und leuchten ins Meer hinaus. Auch auf den anderen nordfriesischen Inseln gibt es diese Tradition. Sie geht auf einen uralten Kult zurück. Die noch nicht christianisierten Insulaner huldigten damit den nordischen Gottheiten. Als Opferfeuer sollten die "Biiken" die höheren Mächte besänftigen und dazu bewegen, den Winter zu vertreiben.

Gemeinsamer Sprung als Eheversprechen

Gleichzeitig war der Tag des "Biikebrennens" der Zeitpunkt für die Rechtsprechung und für amtliche Verkündungen. Als Orte wurden meist so genannte Thinghügel gewählt, von denen es auf Sylt einige gibt. Der gemeinsame Sprung von Jungen und Mädchen durch die fast nieder gebrannten Feuer galt oft als Eheversprechen. Vor allem im 17. und 18. Jahrhundert wurden mit dem Ereignis die friesischen Walfänger verabschiedet. Für die glückliche Heimkehr leuchteten die Feuer den Männern lange über das Meer hinterher.

Heute wandern die Sylter und die Insel-Besucher am Abend des 21. Februar in Fackelmärschen zu den Holzfeuern. Es werden Ansprachen gehalten - zuerst auf Friesisch, dann auf Hochdeutsch. Erst wenn die "Biiken" langsam verglimmen, beginnt das Fest so richtig, mit Tanz und Grünkohlessen mit Bier und Schnaps.

Am nächsten Tag - dem Petritag - haben die Kinder schulfrei und feiern ihre eigenen Feste. Wer als großzügiger Urlauber gelten will, zückt dann seine Geldbörse, um den Kindern den "Petrigroschen" zu spendieren. Auch für die Hoteliers und die Gastronomen sind das "Biikebrennen" und der Petritag wichtige Ereignisse: Für sie beginnt damit die neue Saison.

(gms)
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