Jeep-Safari, Multimedia und Genusswandern Neun Werbefloskeln und was sie wirklich bedeuten

Wilhelmshaven · Wilde Länder kennen lernen und bei einer Wanderung genießen - jeder kennt diese Floskeln aus der Reisewerbung. Wir erklären, was sie wirklich bedeuten.

 Jeep-Safari auf Kreta (Symbol).

Jeep-Safari auf Kreta (Symbol).

Foto: dpa-tmn/Philipp Laage

Reiseveranstalter und Tourismusbüros überbieten sich mit Jubelbegriffen und Floskeln, die schöne und aufregende Erlebnisse verheißen. Doch oft verschleiern die Worte nur banale Aktivitäten. Bei diesen Reizworten in Reisekatalogen und Werbebroschüren sollten Urlauber aufhorchen:

Jeep-Safari

Safari - was für ein Sehnsuchtswort! Manche haben gleich den Sundowner in der Serengeti vor Augen, andere die Wildtiere Afrikas: Elefanten, Nashörner, Büffel, Löwen. Mittlerweile wird der Begriff aber inflationär für Rundfahrten im Geländewagen überall auf der Welt gebraucht. Da führt eine Jeep-Safari zum Beispiel durch die Uckermark in Brandenburg. Oder über die Insel Kreta. Dabei handelt es sich um konventionelle Sightseeing-Touren mit Fotostopps. Tiere kommen nicht unbedingt vor die Linse, auch wenn vielleicht mal ein Greifvogel am Himmel zu sehen ist. Das Wort „Safari“ klingt aber aufregend. Absurd wird es, wenn etwa eine „Skisafari“ in den Kitzbüheler Alpen beworben wird. Safari im Schnee - wie bitte?

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Foto: Unplash/Ernests Vaga

Genusswandern

Wandern klingt für viele eher langweilig und anstrengend. Wie wäre es also mit Genusswandern, einem weit verbreiteten Modewort der Urlaubsbranche? Tourismusforscher Prof. Torsten Kirstges von der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven ordnet ein: „Bloß nicht zu viel Anstrengung, damit es genüsslich bleibt.“ Nach Angaben des Deutschen Wanderverbands wird der Begriff inhaltlich ganz unterschiedlich gefüllt. Bei den Qualitätsrouten des Verbands gehe es um „kulinarischen Genuss“, also Speis und Trank entlang des Weges.

Im weiteren Sinne geht es beim Genusswandern nicht unbedingt um die leckere Brotzeit oder das verdiente Mittagessen. Oft sind einfache, kurze Routen für eher wenig sportliche Zeitgenossen gemeint. Wandern für Anfänger - aber das klingt nicht so einladend. Manche sprechen auch vom „Wandern mit allen Sinnen“. Riechen, lauschen, schmecken. Da stellt sich die Frage: Gehört das beim Wandern nicht immer dazu?

Durchs wilde...

Auch wegen Karl Mays „Durchs wilde Kurdistan“ suggeriert das Wort „wild“ in Zusammenhang mit Reisen ein großes Abenteuer. Doch dahinter kann sich ein recht profanes Urlaubserlebnis verbergen: „Man fährt bequem und klimatisiert mit dem Bus durch steile und kurvenreiche Schluchten, die rechts und links Felsen, hohe Bäume, Gestrüpp und gelegentlich Wasserfälle zeigen“, fasst Kirstges das Angebot zusammen. Alternativ geht es immerhin zu Fuß oder per Rad durch die Natur - gerne als Pauschaltour ohne Risiko.

Auf Luxussafari durch Afrika
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Foto: dpa, may

Beispiele aus der Praxis: Durchs wilde Korsika, Norwegen oder Patagonien. Problematisch an „wilden“ Reisezielen kann auch ein kolonialer Beiklang sein, der sich nicht auf die Landschaft, sondern das Leben der Menschen bezieht: Das Klischee des „edlen Wilden“, der einfach, ursprünglich und fernab der hektischen Moderne lebt, durchzieht viele Reiseerzählungen.

Indian Summer

Mit dem Indian Summer ist der trockene Spätherbst an der Ostküste Nordamerikas gemeint, wenn nach einem Hochdruckgebiet die bunten Blätter der Wälder in der Sonne strahlen. Doch mit einem Indian Summer werben längst auch andere Reiseziele - zum Beispiel Hessen. „Für alle, die sich die Kanadareise nicht leisten können, aber dennoch leicht rot gefärbte Baumblätter beim Spaziergang sehen möchten“, vermutet Kirstges. „Dumm nur, dass es in unseren Gefilden dann meist schmuddelig nasskalt ist statt trocken, warm und sonnig wie in Kanada.“ Aber wer weiß, vielleicht wird es doch ein goldener Oktober - das klingt bloß nicht so exotisch wie Indian Summer.

Kulinarik

Kulinarik heißt Kochkunst und ist im Kontext der Urlaubsreise ein Synonym für Restaurantbesuche - denn die wenigsten schwingen auf Reisen selbst den Kochlöffel. „Charmante Umschreibung dafür, dass die Verpflegung im Mittelpunkt des Reisewunsches steht“, kommentiert Kirstges. „Endlich mal so richtig satt essen mit dem, was man sich zu Hause nicht leisten kann.“ Kulinarik ist letztlich ein menschliches Grundbedürfnis. Tourismus-Vermarkter benutzen das Schnörkel-Wort gerne, weil es irgendwie eine hohe Qualität des Essens andeutet - was keinesfalls tatsächlich so sein muss.

Interaktiv, Multimedia

Zwei Schlagworte, die im Kontext von Museen und Ausstellungen nicht mehr wegzudenken sind. Im Extremfall ist das Erlebnis so: „Fünf Bildschirme flackern auf den Besucher ein und sorgen so für Reizüberflutung, wobei man auf einige drauftatschen darf“, sagt Kirstges. Die Gefahr: „Spätestens nach zehn Minuten wird es langweilig.“ Interaktiv und multimedial zu sein, ist dabei nichts Besonderes mehr - es reicht ein Videofilm, ein Touchpad. Die Worte klingen fortschrittlich, umschreiben jedoch den Standard.

Gourmet-Tempel

Teller in ungewöhnlichen Formen, Kleinstspeisen mit allerlei Soßenspritzern - und das zu Preisen, die einen Normalverdiener schlucken lassen. In einem Tempel wird gebetet, und im Gourmet-Tempel wird dem feinen Essen gehuldigt - ein Kunstwort für ein teures, durchaus gutes Restaurant. Vor der Tischreservierung die Preise prüfen! „Anschließend geht man besser zum Currywurst-Tempel um die Ecke, um endlich satt zu werden“, rät Kirstges.

Perle

Perle der Adria, Perle des Mittelmeers - so werden unzählige Urlaubsorte beworben. Was suggeriert das Wort? „Klein und selten und daher nur mit viel Blick fürs Detail zu entdecken, da oft vor die Säue geworfen, das heißt von weniger Schönem umgeben“, schätzt Kirstges. Natürlich, eine Perle ist reizend - eben wie das Reiseziel (hoffentlich) auch. Doch Vorsicht: Perlen sind nicht günstig!

Tradition und Moderne

Ein Klassiker aus dem Reisekatalog, besonders als Beschreibung für Fernreiseziele in Asien von China über Thailand und Myanmar bis Japan. Was liest der Profi aus den Schlagworten? „Widersprüchliches in unharmonischer Weise aufeinander treffend, aber als gewollt gestaltet verkauft“, sagt Kirstges. In der Tat dürfte es kein Land auf der Welt geben, in dem Tradition und Moderne nicht nebeneinander existieren. Das Begriffspaar klingt aufregend, ist aber nichtssagend.

(ham/dpa)
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