Tipps für die Spanienreise Faszinierender Cabañeros-Nationalpark

Alcoba · In Kastilien-La Mancha gibt es Landstriche, in denen kaum Menschen wohnen. Genau deswegen kommen Besucher in den Cabañeros-Nationalpark: Rehe, Luchse und Adler gibt es hier - und fossile Relikte von Riesenwürmern.

Spaniens Serengeti
9 Bilder

Spaniens Serengeti

9 Bilder

Der Weg ist nicht befestigt, und der Unimog mit hohem Radstand ruckelt bei jeder Bodenwelle kräftig. Plötzlich huschen Rehe über die Straße und preschen auf der anderen Seite weiter über die Graslandschaft. Aber wo wollen sie hin? Vielleicht zu ihren Artgenossen, die etwas weiter hinten bewegungslos wie Statuen vor einer Baumreihe stehen und bisher gar nicht aufgefallen sind. Ein Dutzend sind es mindestens, ein Stück weiter noch einmal so viele und gleich daneben etliche Hirsche - Serengeti-Feeling im Cabañeros-Nationalpark mitten in Spanien.

Obwohl es keine Gnus und Antilopen gibt, fühlt sich mancher Besucher in dem Nationalpark in den Bergen von Toledo wie bei Prof.
Grzimek in Ostafrika. Die meisten Besucher kommen genau deswegen hierher. Sie wollen weit weg von der nächsten Großstadt mitten in der Natur sein, wo ihre atmungsaktiven Outdoorjacken die einzigen Hinweise auf moderne Zivilisation sind.

Platz für ganz verschiedene Ökosysteme

Der Blick fällt über eine Landschaft mit spärlichem Baumbestand, die an Savanne erinnert. Die Wege scheinen endlos lang und verschwinden am Horizont im Nichts, die Erde ist an manchen Stellen überraschend rot. Und immer wieder lassen sich während der Fahrt oder bei den zahlreichen Stopps Tiere beobachten, von denen manche anderswo längst bedroht sind, hier aber in großer Zahl vorkommen.

Die Rehe, die als erstes ins Auge fallen, stehen nicht auf der Roten Liste. Aber zum Beispiel auch der seltene Schwarzstorch und der Iberische Kaiseradler leben im Cabañeros-Nationalpark, der mit seiner Fläche von fast 410 Quadratkilometern Platz für ganz verschiedene Ökosysteme bietet, sind hier zu Hause. Der Wagen hält, Jaap Scholten stellt nur ein paar Meter entfernt ein Beobachtungsfernrohr auf.
"Gute Stelle hier", sagt der Outdoor-Trainer, der aus Groningen in den Niederlanden stammt, sich aber längst in Kastilien-La Mancha zu Hause fühlt - und ganz besonders im Cabañeros-Nationalpark.

Greifvögel in natürlicher Umgebung

Scholten wirft einen ersten prüfenden Blick durch das Fernrohr.
Mindestens zwei Dutzend Geier tummeln sich am Boden und zerren an mehreren Stücken Aas. Aber auch am Himmel sind jetzt gleich mehrere zu sehen, drei, vier, fünf, die direkt über den Köpfen der Besucher schweben - allerdings so hoch, dass nichts von ihnen zu befürchten ist, lebende Touristen passen ohnehin nicht in ihr Beuteschema.

"Guckt mal, das ist ein besonders Großer", sagt Scholten. Ein Dutzend Augenpaare folgt seinem Zeigefinger, der auf einen Mönchsgeier weist. Der Greifvogel scheint am Himmel den Kondensstreifen eines Flugzeugs zu kreuzen. Gänsegeier sind im Parque Nacional de Cabañeros ebenfalls heimisch - ein Geier mit Spazierstock und Fernglas um den Hals ist das Parkmaskottchen. Für Ornithologen ist die Region besonders interessant.

Gute Vorraussetzungen für Flora und Fauna

Flora und Fauna haben im Nationalpark die Möglichkeit, sich ganz anders zu entwickeln als in den dicht bevölkerten Teilen oder gar in den Industriezentren Spaniens. Kastilien-La Mancha bringt dafür gute Voraussetzungen mit. "Wenig bevölkert war die Region schon immer", sagt Jaap Scholten. Und es sieht nicht so aus, als würde sich daran bald etwas ändern. Ganz Kastilien-La Mancha hat nur 1,7 Millionen Einwohner - und ist doppelt so groß wie Scholtens Heimat, die Niederlande, wo fast zehnmal so viele Menschen leben.

Seinen Namen hat der Nationalpark von der Caban, der Hütte aus Schilf, die Bewohner Kastiliens jahrhundertelang nutzten, Schäfer und Köhler zum Beispiel. Teile des heutigen Parkgeländes dienten noch vor wenigen Jahrzehnten der Landwirtschaft, das Gesetz über die Gründung des Nationalparks wurde erst 1995 verabschiedet. Heute wirkt die Landschaft schon außerhalb des Nationalparks an vielen Stellen menschenleer. Lange bevor Besucher ihn erreichen, haben sie das letzte Dorf passiert und seitdem kein Haus mehr gesehen.

Die Natur hat freie Bahn

Hier hat die Natur das Sagen: Viele immergrüne Bäume gibt es, Steineichen und Korkeichen, Olivenbäume. Allein 4000 Rothirsche leben im Nationalpark. "Weil sie keine natürlichen Feinde haben, vermehren sie sich entsprechend stark", sagt Scholten.

Der Wald ist angepasst an heißes, trockenes Klima. In den Bergen allerdings, den Montes de Toledo, geht es hinauf bis auf 1500 Meter Höhe. Trockenzeit ist von Mai bis Oktober. Im Herbst kommen die Kraniche, die im Nationalpark überwintern und im Frühling wieder in Richtung Norden abfliegen. Uhus gibt es hier, Spechte, Dachse, Luchse, Schildkröten, Eidechsen, Füchse, Wildschweine, Hirsche - und allein rund 250 Mönchsgeierpaare.

Wandertouren kostenlos

Skorpione leben ebenfalls in der Region, dürften Besuchern allerdings kaum jemals vor die Augen geraten. Über Flora und Fauna informiert das Besucherzentrum im Ostteil des Parks. Dort sind auch Fossilien ausgestellt, die hier gefunden wurden. Erkunden lässt sich der Nationalpark am besten bei geführten Touren mit geländegängigen Fahrzeugen. Ausgangspunkt ist beispielsweise in Alcoba oder in Retuerta del Bullaque. Es gibt aber auch mehrere Wanderwege durch den Nationalpark, zwei davon dürfen auch mit Mountainbikes befahren werden. Geführte Wandertouren gibt es kostenlos.

Einer der Wege ist die Ruta Del Boquerón Del Estena, die bei Navas de Estena beginnt und für die rund dreieinhalb Stunden eingeplant werden sollten. Wer sich zu Fuß durch die Landschaft bewegt, erlebt sie gleich noch einmal intensiver - mit Blick auf Berghänge samt nacktem, grauen Fels, auf Weidenbäume am Ufer kleiner Flüsse, auf Korkeichen oder die seltsamen Relikte aus der frühen Erdgeschichte, für die der Nationalpark ebenfalls bekannt ist. Dori arbeitet als Guide im Nationalpark und kennt sich auf der Ruta Del Boquerón Del Estena bestens aus. "Wir haben Besucher aus aller Welt, die kommen, um sich die Fossilien anzusehen", erzählt sie.

Erstaunliche Funde

Funde gibt es in erstaunlich großer Zahl - und einige sind schon ziemlich ungewöhnlich. Der Tunnel eines Riesenwurms gehört dazu. "Er ist rund 450 Millionen Jahre alt", sagt Dori und zeigt auf die Felswand, wo sich gut nachvollziehen lässt, wie sich der Wurm einst durchs Erdreich vorgearbeitet hat. "Der Gang ist zwölf Meter lang und hat einen Durchmesser von 20 Zentimetern."

Fossilien sind auch eine der Leidenschaften von Lola. Erschöpfte Wanderer sind heilfroh, dass es sie gibt. Bei ihr landen viele ganz automatisch, wenn Hunger und Durst kommen. Dolores "Lola" González Mosquera steht mit weißer Schürze und rotem Kopftuch vor dem Landhaus, das ihr Restaurant beherbergt. Ihre Brille hängt an einer Schnur vor der Brust, als sie die Gäste hereinbittet. Wasser und Wein stehen schon auf dem Tisch. Es dauert keine fünf Minuten, dann kommen auch schon Körbe mit frischem Brot und Ziegenkäse aus den Montes de Toledo.

"Alles selbst gemacht"

Lola serviert Pisto, eine Art Ratatouille aus Tomaten und Paprika - eine ihrer Lieblingsvorspeisen - und Migas, ein Hirtengericht aus gerösteten, mit Thymian und Oregano gewürzten Brotkrümeln, zu denen Schinkenspeck gut passt. Als Hauptgang kommt Hirsch aus dem Ofen, als Nachtisch gibt es Käsekuchen, für den Lola Schafsmilch verwendet.
"Alles selbst gemacht", beteuert sie.

Nach dem Dessert bittet sie in ein unscheinbares Nebengebäude, in dem sie ihre Schätze aufbewahrt: Dort sind vom Boden bis zur Decke Fossilienfunde ausgestellt, eine beachtliche Sammlung von überdimensionalen Trilobiten, versteinerten Fischen oder Muscheln aus den Zeiten, als an Dinosaurier noch nicht zu denken war. Eine fossile Spezies ist sogar nach ihr als Entdeckerin benannt worden:
Paralenorthis lolae, rund 465 Millionen Jahre alt, ein sogenannter Armfüßer, der für Laien aussieht wie eine Muschel und zumindest ebenfalls im Meer lebte.

Lola González ist durchaus stolz darauf und hat einen Wein nach dem Fossil benannt: Der Paralenorthis lolae, den sie ausschenkt, ist ein kräftiger Roter, 13 Prozent Alkohol, sehr süffig. Wanderer im Cabañeros-Nationalpark sollten sich davon aber besser nicht verführen lassen. Sonst wird der Rückweg schlimmstenfalls gefährlich - und der Blick für die Besonderheiten der Flora und Fauna in jedem Fall getrübt.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort