Der Fahrradmarkt brummt Elektroräder auf der Überholspur

Düsseldorf · Elektroräder erobern den Fahrradmarkt. Auch in diesem Frühjahr hält der Boom an. Der Handel rechnet für 2012 einen mit einem Verkaufsrekord von 400.000 E-Rädern. Die neue Leichtigkeit des Fahrradfahrens trifft auf großes Interesse. Dabei ist die Anschaffung eines Elektrorads kein billiges Vergnügen. Die Preise bewegen sich zwischen 1000 und 4000 Euro. Die Kaufentscheidung will gut überlegt sein. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Welcher Fahrrad-Typ sind Sie?
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Warum sind Elektroräder ein Renner?

Es wäre verfehlt, von einer Modeerscheinung zu sprechen. Elektromobilität ist ein genereller Trend. Die Fahrradbranche setzte früh auf das Thema und ist heute Vorreiter im Bereich der neuen Mobilität und alternativer Stadtkonzepte. Den Deutschen ist ihr Fahrrad lieb und teuer. Sie steigen jetzt in großer Zahl vom herkömmlichen Drahtesel auf (teurere) Elektroräder um.

Motive gibt es genug: Ohne große Anstrengung Besorgungen im Ort erledigen, ohne Schweißperlen auf der Stirn zur Arbeit radeln, Bewegung in frischer Luft, das gute Gefühl, einen positiven Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Schon jetzt beträgt der Marktanteil der Elektroräder in Deutschland acht Prozent. Langfristig sollen es 30 Prozent werden.

Was bedeuten die verschiedenen Begriffe?

In der Fahrradbranche schwirren verschiedene Begriffe umher, die aber nicht viel bedeuten. Die einen sprechen von E-Bikes, andere bevorzugen den Fachausdruck Pedelec (Pedal Electric Cycle), aber auch die deutschen Bezeichnungen E-Rad bzw. Elektrorad sind weit verbreitet. Viel wichtiger ist eine andere Unterscheidung. Es gibt zwei Klassen von Elektrorädern, die sich in der Geschwindigkeit deutlich unterscheiden.

Das normale Elektrorad ist mit einer Motorleistung von 250 Watt auf eine Geschwindigkeit von 25 km/h ausgelegt, die höhere Leistungsklasse mit 500 Watt auf Tempo 45 km/h. Die 25er-Klasse gilt in rechtlicher Hinsicht als Fahrrad, die schnelleren Elektroräder, die allerdings nur einen Marktanteil von fünf Prozent haben, werden der Mofa-Klasse zugerechnet.

Wem ist ein Elektrorad zu empfehlen?

Elektroräder sind besonders geeignet für Radfahrer, die keine großen Strecken zurücklegen müssen und sich beim Radeln nicht besonders anstrengen wollen. Die nicht aus der Puste kommen möchten bei einer kleinen Steigung, sondern am Ziel locker und frisch vom Rad steigen wollen. Industrie und Handel haben dabei in erster Linie die stark vertretene ältere Radfahrer-Generation als Kundschaft ins Auge gefasst. Das Elektrofahrrad als bequemes Fortbewegungsmittel für Kurzstrecken im Ort und kleine Tagesausflüge. Die Rechnung ist aufgegangen.

Neuerdings ist jedoch festzustellen, dass auch junge Leute auf Elektroräder umsatteln. Studenten und junge Angestellte (männlich wie weiblich), die die Kilometer zum Arbeitsplatz oder zur Uni aus verschiedenen Gründen (Kosten, Verkehr, Umwelt) lieber mit dem ökonomisch und ökologisch vorteilhaften Elektrofahrrad als mit einem PKW zurücklegen. Zu den Gruppen, für die sich Elektrofahrrad kaum eignet, zählen Leute, die bisher keine Radfahrer sind, und jene, die Radfahren als Sport betreiben.

Wo liegen die Preise für ein Elektrorad?

Ein Elektrorad ist kein billiges Vergnügen. Die mittlere Preisklasse liegt bei rund 1500 bis 1800 Euro. Im niedrigen Preissegment gibt es auch Angebote unterhalb 1000 Euro. Hierbei handelt es sich meistens um ältere Modelle mit geringerer Leistungsfähigkeit oder um Vorführräder. Die obere Preiskategorie beginnt bei rund 2500 Euro und reicht bis zu 4000 Euro. Dazu gehören vor allem Räder der 45er Klasse mit starker Motorleistung und Reichweiten bis zu 100 Kilometer.

Warum sind Elektroräder so teuer?

Elektroräder sind ein innovatives Produkt, in das viel Entwicklungsgeld investiert wurde. Neben dem Preis für ein normales Fahrrad der gehobenen Preisklasse kommen zwei neue Komponenten hinzu, Akku und Motor. Wie beim Elektroauto ist auch hier der Akku ein erheblicher Preisfaktor. Er allein kostet soviel wie sonst ein komplettes Fahrrad, nämlich 400 bis 700 Euro. Bis jetzt gibt es noch keine Anzeichen, dass die Preise durch höhere Produktivität und größere Stückzahlen sinken. Viele Händler nehmen aber beim Kauf eines Elektrorads das gebrauchte Fahrrad des Käufers in Kommission.

Was ist das Wichtigste?

Erstens Probefahrt. Zweitens Probefahrt. Und drittens Probefahrt. Selbst für den geübten Radfahrer bedeutet der Wechsel aufs Elektrorad eine Umstellung. Vieles ist neu und ungewohnt. Das fängt beim Gewicht an. Elektroräder wiegen rund 25 kg und damit doppelt so viel wie ein normales Straßenrad. Sie sind etwas länger, haben eine andere Rahmenkonstruktion und entwickeln eine größere Fahrdynamik.

Empfehlenswert sind so genannte Tiefeinsteiger. Sie sehen aus wie ein Damenrad und bieten durch ihre Bewegungsfreiheit in brenzligen Situationen mehr Sicherheit. Erst durch den Test verschiedener Modelle wird man ein Gefühl für die Eigenschaften des jeweiligen Elektrorads bekommen. Probefahrten sind deshalb unverzichtbar. Viele Händler veranstalten mit Unterstützung der Hersteller entsprechende Aktionstage auf öffentlichen Plätzen, bei denen verschiedene Modelle getestet werden können.

Gibt es Testergebnisse?

Aus dem Jahr 2011 liegen Testergebnisse der Stiftung Warentest und des ADAC vor. In beiden Fällen wurden allerdings nur wenige Modelle berücksichtigt. Die Entwicklung ist inzwischen rasch fortgeschritten. Neue Anbieter sind auf den expandierenden Markt gekommen. Es ist höchste Zeit für eine aktuellen, breit angelegten Test, der den Stand der Technik und die Preis-/Leistungsverhältnisse abbildet.

Fast alle bekannten Fahrradhersteller haben inzwischen auch Elektroräder in ihrem Angebot. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Qualität hier eine Liste namhafter Firmen: Ketteler, Kreidler, Kalkhoff, Hercules, Gazelle, Victoria, Winora, Falter, Riese & Müller, Raleigh, Giant, Pegasus, KTM, Diamant, Bulls, Rixe, Connondale, Scott.

Wie steht es mit Fahrerlaubnis und Helmpflicht?

Eine definitive gesetzliche Regelung liegt noch nicht vor. Nach den Empfehlungen beim Deutschen Verkehrsgerichtstag 2012 in Goslar sollen Elektroräder mit Motorunterstützung bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h als Fahrräder im Sinne der StVZO gelten, für die kein Führerschein, keine Betriebserlaubnis, kein Versicherungsschein und kein Helm benötigt wird.

Unabhängig davon wird allseits empfohlen, zur Sicherheit einen Schutzhelm zu tragen. Schnellere Elektroräder, die Geschwindigkeiten bis zu 45 km/ erreichen, sollen dagegen wie Kleinkrafträder behandelt werden. Das bedeutet Führerschein Klasse M oder eine sonstige höhere Fahrerlaubnis, Versicherungskennzeichen und Helmpflicht.

Welche Antriebstechniken gibt es?

Von den Herstellern wurden drei unterschiedliche Antriebstechniken entwickelt. Vorderradantrieb, Hinterradantrieb und Mittelantrieb. Der Trend geht in Richtung Mittelantrieb, weil er sich günstig auf den Schwerpunkt auswirkt und das Elektrorad besser beherrschbar macht. Auch die Position des Akkus ist unterschiedlich. Oft ist er unterhalb des Gepäckträgers platziert oder am Rahmen Bei einer Probefahrt sollten nach Möglichkeit auch die unterschiedlichen Antriebstechniken getestet werden.

Wie wichtig ist eine Antrittshilfe?

Eine Antrittshilfe, auch Schiebehilfe genannt, leistet wichtige Dienste. Sie bringt das Rad ohne eigene Trittkraft auf Geschwindigkeit (sechs km/h) und ist besonders im Stadtverkehr eine wertvolle Hilfe. Bei einem Radgewicht von rund 25 Kilogramm wäre es ohne diese Unterstützung verdammt schwer, aus dem Stand heraus wieder auf Touren zu kommen. Besonders nach einem Ampelstopp wirkt sich die Antrittshilfe positiv aus.

Wie lange hält ein Akku?

Das ist eine wichtige Frage, denn ein neuer Akku kostet 400 bis 700 Euro. Die Hersteller sprechen allgemein von einer Lebensdauer bis zu 500 Ladezyklen. Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht. Und was heißt das konkret? Je nach Leistungsstärke (und Preis) des Akkus und auch abhängig von der Fahrweise reicht eine Akkuladung für 30 bis 90 Kilometer. Multipliziert mit dem Faktor 500 ergibt sich eine Kilometerleistung zwischen 15.000 und 45.000 Kilometer, sachgemäßes Handling vorausgesetzt. Zum Beispiel sind Akkus frostempfindlich und dürfen über Winter keiner strengen Kälte ausgesetzt werden.

Wieviel Ladezeit braucht ein Akku?

Hier liegt ein Schwachpunkt der neuen Antriebstechnik. Die Ladezeiten der Akkus sind bei den meisten Herstellern noch etwas lang. Je teurer der Akku, desto kürzer die Ladezeit. Sie müssen zwischen zwei und sechs Stunden an der Steckdose hängen, bis sie wieder die volle Kapazität aufweisen. Wer den Ladevorgang abends beginnt, kann am nächsten Morgen auf jeden Fall mit voller Kraft starten.

Zur Standardausrüstung jedes Elektrorades zählt ein LED-Display, das in drei Stufen den Energieverbrauch anzeigt. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann sich auch den Luxus eines Ersatzakkus leisten. Schon jetzt gibt es aber auch in vielen Städten öffentliche Ladestationen, wo der Akku zur Not aufgeladen werden kann.

(spol/anch)
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