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Alltagskultur Pariser kämpfen um ihre Kioske

Paris · Die alten, schnörkeligen Zeitungskioske von Paris sollen schon bald durch moderne Boxen ersetzt werden. Doch die Initiative von Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat schon mehr als 56.000 Gegner.

Sie gehören zu Paris wie die Taxis zu New York oder die Telefonzellen zu London: die dunkelgrünen Zeitungskioske mit dem Spitzenrand und der Kuppel auf dem Dach. Doch ausgerechnet eines der Wahrzeichen ihrer Stadt will Bürgermeisterin Anne Hidalgo nun abschaffen. Offiziell ist von einer Modernisierung der Zeitungsstände die Rede, die im Internet-Zeitalter mit sinkenden Kundenzahlen kämpfen. Statt der alten, achteckigen Verkaufsstellen, die auf das 19. Jahrhundert zurückgehen, sollen moderne Boxen entstehen. Die Zeitung "Le Parisien" enthüllte vor ein paar Wochen das geplante Design der neuen Kioske, das Kritiker an riesige Mülltonnen oder Dixi-Klos erinnert.

Kein Wunder, dass die Pariser über diese Veränderung nicht begeistert sind. "Die neuen Kioske haben überhaupt keinen Stil", sagt ein 54-jähriger Zeitungskunde. Er ist mit seiner Kritik nicht allein: Mehr als 56.000 Pariser haben auf der Plattform "http://change.org" bereits eine Petition gegen die neuen Verkaufsstände unterzeichnet. "Lasst uns den Geist des alten Paris bewahren", heißt es zur Begründung. "Wir sind für Kioske mit einem Design, das den Charme des 'Romantischen Paris' widerspiegelt." Genau dieser Charme ist es, der jedes Jahr mehr als 15 Millionen Besucher in die französische Hauptstadt bringt und sie damit zum Touristenziel Nummer eins macht.

Die alten Kioske stammen ursprünglich aus dem Jahr 1857, der Zeit des Stadtplaners Georges-Eugène Haussmann, der Paris sein heutiges Stadtbild gab. Mit ihrem schnörkeligen, gusseisernen Elementen, entworfen von Architekt Gabriel Davioud, passen sie zu den altmodischen Parkbänken und Litfasssäulen aus derselben Epoche. In den 1980er Jahren wurden sie durch "Remakes" ersetzt, die aus Metall und Glas bestehen. "Es gibt keine Kioske aus der Haussmann-Zeit mehr", wehrt sich Hidalgo gegen die Kritik. "Was man heute sieht, sind nur Nachbauten aus Plastik." Mit ihrer Modernisierung will sie den Verkäufern in den Buden, die künftig beheizt und besser isoliert sein sollen, die Arbeit erleichtern.

Die 360 Pariser Kioske sind schon lange in der Krise. Das Zeitungsgeschäft reicht kaum zum Überleben, so dass die Inhaber seit 2011 auch Souvenirs, Getränke und Regenschirme verkaufen dürfen. Künftig sollen sie auch Konzertkarten ausgeben, alte Batterien annehmen und als Handy-Ladestationen dienen. Dass die Pavillons ganz verschwinden, ist für die Pariser unvorstellbar: Laut einer Umfrage gehören sie für 88 Prozent der Pariser ebenso zu ihrem Viertel wie die Metro-Haltestelle oder die Markthalle. Zwei Drittel der "Parisiens" sind auch ihrem Zeitungsverkäufer treu, der oft schon seit Jahrzehnten in seinem grünen Häuschen sitzt, und mit dem sie morgens gerne ein Schwätzchen halten. So wie das einstige Top-Model Inès de la Fressange, das als Vorzeige-Pariserin schlechthin gilt und sich vor drei Jahren nicht zu schade war, in einem kurzen Auftritt für die Kioske Werbung zu machen. "Auch der Eiffelturm sollte einmal abgerissen werden", erinnerte die einstige Chanel-Ikone.

Auf einen Schlag weltberühmt wurden die Zeitungskioske nach dem Anschlag auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" im Januar 2015: Vor den Verkaufsständen bildeten sich lange Schlangen, als nur eine Woche nach dem Attentat die "Ausgabe der Überlebenden" erschien. Fernsehsender aus aller Welt zeigten die Menschenmassen, die stundenlang für ein Exemplar der legendären Nummer 1178 anstanden. Damals zahlte sich der gute Draht zum Zeitungshändler aus: Wer ihn kannte, bekam seine Ausgabe meist reserviert.

(RP)
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