Ziele für Schlechtwetterfans Orkane durch Panoramafenster beobachten

Düsseldorf · Den Sturmbeobachtern können die Orkane gar nicht wütend genug toben. Doch beim "Stormwatching" handelt es sich nicht um einen neuen Extremurlaub. Die Schaulustigen machen es sich in Hotels mit Panoramafenstern oder an gesicherten Aussichtspunkten bequem und genießen das Erlebnis der Urkräfte.

Bretagne, Ile de Ouessant

Am 21. Dezember 1989 machte Jean Guichard das Bild seines Lebens: Mit einem Helikopter ist der Fotograf bei Windstärke 10 unterwegs zum Leuchtturm "Phare de la Jument" auf einer Klippe vor der bretonischen Insel Ile de Ouessant. Das Meer schäumt.

Da öffnet der Wärter die Tür und tritt an die Brüstung. Die gigantische Welle, die sich von hinten nähert, kann er nicht sehen. Erst als ihm die Gischt die Sicht nimmt, weicht er in den Turm zurück – Sekundenbruchteile, bevor das Wasser vor der Tür zusammenschlägt und den Leuchtturm zu verschlingen scheint. "Ich wartete auf Rettung und wollte nachschauen, als ich den Hubschrauber hörte", erzählte Théodore Malgorn später. "Wäre ich einen Augenblick länger geblieben, die Wassermassen hätten mich mitgerissen".

Das Foto wurde berühmt, Malgorn auf die Ile de Ouessant versetzt und der Leuchtturm auf Automatikbetrieb umgestellt. Und die Stürme rasen immer noch, Winter für Winter. Genau das richtige Wetter für die Gästeführerin Ondine Morin (26) auf der Ile de Ouessant. Sobald Windstärke 7 oder mehr angekündigt wird, bietet sie Wanderungen an, auf denen man die Naturgewalten hautnah erleben kann.

Helgoland Um die Wucht der Elemente zu erleben, muss man nicht ins Ausland reisen. Auf Deutschlands einziger Hochseeinsel Helgoland jagen im Winter Stürme ungebremst über die Nordsee zu und türmen die Wellen bis zehn Meter hoch. Das im Schutz der Felsen liegende Hotel "Rickmers Insulaner" ist da ein gemütlicher Platz mit Panoramafenstern, aus denen man beobachten kann, wie das Meer gegen die Hafenmauern donnert und Gischtwolken bis 25 Meter hoch steigen.

Gäste können sich vorab online registrieren lassen und werden dann zwei Tage vor Eintreffen eines Sturmes über dessen erwartete Stärke informiert. Auf Wunsch wird die Anreise – am besten per Flugzeug oder Helikopter – organisiert sowie Regenzeug und Fernglas bereitgelegt.

Galicien "Costa da Morte"

Todesküste heißt ein Strich der galizischen Küste im äußersten Nordwesten Spaniens zwischen Malpica und Fisterra, dem "Ende der Welt". Zahllose Schiffe zerschellten an ihren Klippen, und viele Fischer verunglückten bei dem Versuch, die begehrten Entenmuscheln in der Brandungszone zu ernten. Durch die exponierte Lage am Atlantik ist Galiciens 1200 Kilometer lange Küstenlinie Winterstürmen ausgeliefert. Wer sich einen sicheren Standort am Steilufer oder einem der breiten Strände sucht, kann ein großartiges Naturschauspiel genießen. Atlantikbrecher zerbersten an vorgelagerten Felsen, das kochende Wasser läuft schäumend auf dem Sand aus. Ein paar Hotels, ganz oben auf Klippen oder an Strandpromenaden, werden als Geheimtipps gehandelt.

Cornwall

Fast 5000 Kilometer Ozean liegen vor der Nordküste Cornwalls. Ideal, um im Sommer perfekte Winde zum Segeln aufkommen zu lassen. Der Winter ist dann die Saison für Sturmbeobachter, wenn sich über dem Atlantik Orkane zusammenbrauen und auf die Küste zurasen.

Einige Hotels liegen besonders günstig für Schwerwetterfans. In St. Mawes, einem schicken Ferienort auf der Roseland Halbinsel, logieren Gäste im "The Idle Rocks Hotel" praktisch auf der Hafenmauer. Man sitzt in der ersten Reihe, wenn Wellen gegen die Mole krachen, Gischt auf die Fenster spritzt – und im Rücken prasselt ein Kaminfeuer. Das viktorianische Traditionshotel "The Headland" liegt auf einer Landzunge bei Newquay.

Für eine Rosamunde-Pilcher-Verfilmung war es schon die Kulisse. Aus den Zimmern hat man einen fantastischen Blick über Fistral Beach, Englands berühmtesten Surferspot.

Vancouver Island

Wenn Winterstürme mit bis zu 150 Stundenkilometern über den Pazifik fauchen, den Wellen die Schaumkronen abreißen und gegen die Panoramascheiben klatschen, fühlen sich die Gäste im "Wickaninnish Inn" auf Vancouver Island vor der Westküste Kanadas besonders wohl. Das Luxus-Resort bei Tofino hockt auf einer Felsnase am Chesterman Beach, dahinter windgebürsteter Zedernwald.

Regelmäßig inszeniert das berüchtigte Aleuten-Tief ein Wetterdrama, dem im Restaurant der richtige Zuschauerraum bereitet wird. Orkansichere Scheiben gewähren eine 240-Grad-Aussicht. Zum Dinner übertragen außen angebrachte Mikrofone das Inferno, unterlegt mit Mozart, Beethoven oder Wagner.

Wer Glück hat, findet am Strand ein begehrtes Sammlergut: antike Glaskugeln, wie sie einst von japanischen Fischern am anderen Ende des Pazifiks als Schwimmkörper für ihre Netze benutzt wurden.

(RP/chk)
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