Komponisten-Jubiläum Sachsen feiert Wagners 200. Geburtstag

Leipzig · Mit dem Namen Richard Wagner verbinden die meisten Bayreuth, doch geboren und aufgewachsen ist der Komponist in Sachsen. Im Jubiläumsjahr erinnern Ausstellungen und Denkmäler an Wagner. Doch der stimmungsvollste Erinnerungsort liegt in einem kleinen Dorf.

So feiert Sachsen Wagners 200. Geburtstag
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Im Jahr 1831 trat ein junger Mann durch die Tür des Musikverlags C.F. Peters in Leipzig. Der Student fragte schüchtern, ob er nicht Geld mit seinen Kompositionen verdienen könne. "Leisten Sie erst mal was in der Musik, dann kommen Sie wieder", antwortete man ihm. Das tat der junge Mann. Er hieß Richard Wagner.

Heute, 200 Jahre nach seiner Geburt, versuchen Leipzig und das ganze Bundesland Sachsen, einen Schimmer vom Glanz des Weltstars zu erhaschen. "Richard ist Leipziger", brüstet man sich in seiner Geburtsstadt. "Wo Wagner WAGNER wurde", jubelt man in Dresden. In der Semperoper laufen "Lohengrin", "Der fliegende Holländer" und "Tristan und Isolde", in der Leipziger Oper "Die Feen" und "Das Rheingold", in Chemnitz "Tannhäuser" und "Parsifal". Es gibt Ausstellungen, Kongresse, neue Denkmäler und Museen. Es gibt Wagner-Menüs, Mettbrot mit Wachtelei, Geflügel und Allerlei - angeblich alles Gerichte, die der Komponist gern gegessen hat.

"Blechbüchse" am Ort des Geburtshauses

"Im wunderschönen Monat Mai, kroch Richard Wagner aus dem Ei. Es wünschten viele, die ihn lieben, er wäre lieber dringeblieben", schrieb das schwierige Genie selbstironisch am 22. Mai 1855. Genau 42 Jahre vorher, 1813, kam Wagner als letztes von neun Kindern im Haus zum Roten und Weißen Löwen auf die Welt. Heute steht dort ein Einkaufszentrum, von den Leipzigern als "Blechbüchse" geschmäht.

"Wagners Geburtshaus war Ende des 19. Jahrhunderts eines der kleinsten, heruntergekommensten Häuser der Innenstadt, 1886 wurde es abgerissen", sagt Thomas Krakow. Er ist Vorsitzender des Leipziger Richard-Wagner-Verbands. 2006 schrubbte er mit einer Wurzelbürste öffentlichkeitswirksam den Schmutz von der Bronzetafel, die an den berühmten Sohn der Stadt erinnert.

Dass Leipzig besonders stolz auf diesen ist, konnte man bisher nicht sagen. 100 Jahre hat es gedauert, bis Richard Wagner nun ein angemessenes Denkmal bekommt. Der Grundstein dazu wurde 1913 gelegt, der Bildhauer Max Klinger sollte es erschaffen. Doch dann kam der Erste Weltkrieg dazwischen, und als der Marmorsockel mit den drei nackten Rheintöchtern nach Leipzig kam, wollte man mit ihm Klinger ehren, nicht mehr Wagner.

Nun wird auf dem "Pornowürfel", wie die Leipziger ihn nennen, endlich Wagner stehen, 1,80 Meter groß, aus bemalter Bronze, mit einem drei Meter hohen Schatten aus rostendem Stahl.

Ansonsten erinnert in Leipzig nicht mehr viel an Wagner. Straßennamen. Eine mickrige Büste am Schwanenteich in den Ringpromenaden, aufgestellt 1983 anlässlich der Richard-Wagner-Tage der DDR. Und die Reste des nie vollendeten Wagner-Hains am Ostufer des Elsterbeckens, den Hitler seinem Lieblingskomponisten widmen wollte. Der Rheintöchterbrunnen steht heute am Chiemsee, die Bodenplatten haben die Leipziger nach dem Krieg in ihre Schrebergärten geschleppt. "Die Leute wissen bis heute nicht, wo der Wagner-Hain liegt", klagt Krakow. "Vielleicht wird er ja zum 250. Todestag vollendet." Das wäre 2133.

Die meisten Häuser, in denen Wagner lebte und lernte, wurden längst abgerissen oder im Krieg zerstört. Das Gewandhaus, wo er Beethovens Symphonien lieben lernte, oder die Thomasschule, die er ohne Reifeprüfung verließ. Geblieben sind sein Taufstein aus Marmor und Alabaster in der Thomaskirche und die Nikolaischule, wo die Aula aussieht wie zu Wagners Zeit und eine neue Dauerausstellung an seine Jugendjahre erinnert.

Den Großteil seiner Kindheit verbrachte Richard allerdings in Dresden. Hier besuchte der junge Richard Geyer, wie er bis 1827 hieß, die Kreuzschule. Über seinen Stiefvater lernte er die Welt des Theaters kennen, schon früh spielte er Statistenrollen. In der Kreuzkirche hörte er das "Dresdner Amen", das er später als Leitmotiv in seiner letzten Oper "Parsifal" aufgriff.

Musikalisches Erwachen in Leipzig

Sein musikalisches Erweckungserlebnis, wie Krakow es ausdrückt, hatte Wagner aber in Leipzig: 1829 sah er im Hoftheater Wilhelmine Schröder-Devrient in Beethovens Oper "Fidelio", danach schrieb er der Primadonna einen feurigen Verehrerbrief. Nun wusste Wagner, was er wollte: Opern komponieren. Er brach die Schule ab, die ihn ohnehin langweilte, und schrieb sich als Musikstudent an der Universität ein. Am Heiligabend 1830 erklang seine erste Komposition im Comödienhaus, die Ouvertüre B-Dur. Wagner war 17.

Er stand an der Schwelle eines bewegten Komponistenlebens, das ihn nach Paris, Königsberg, Zürich und schließlich Venedig führen sollte. "Doch Wagner sprach bis ins hohe Alter sächsisch", wie Thomas Krakow erklärt. Und er kehrte nach Sachsen zurück. Von 1842 bis zu seiner Flucht nach dem gescheiterten Maiaufstand 1849 lebte er mit seiner ersten Frau Minna in Dresden, unter anderem im Marcolini-Palais, das heute ein Krankenhaus ist. Im neuen Hoftheater an der Stelle der Semperoper wurden "Rienzi", "Der fliegende Holländer" und "Tannhäuser" uraufgeführt.

Nachgebautes Hammerklavier in Graupa

Im Sommer 1846 gönnte sich Wagner eine Auszeit in Graupa, "ein gänzlich unentweihtes Dorf", wie er schrieb, "gottlob drei Stunden von Dresden entfernt". Heute fährt eine Trambahn zu den Richard-Wagner-Stätten.

Hier kann man sich Wagner vorstellen, wie er am Hammerklavier saß und den "Lohengrin" entwarf. Zwar arbeitete Wagner nie an genau diesem Instrument, und er lag auch nicht in dem bemalten Bauernbett. Doch die beiden Stuben im Lohengrinhaus wurden anhand von Beschreibungen rekonstruiert.

Anschaulich soll auch die neue Multimedia-Ausstellung im Jagdschloss nebenan sein. Die sechs Räume wollen anhand von Pappmaché-Bühnenbildern, einem Modell des Hoftheaters, Partituren mit Lichtorgel sowie Audio- und Videoportalen Wagners Idee des Gesamtkunstwerks begreiflich machen. Der Besucher lernt aber auch seine dunkle Seite kennen: die antisemitischen Ausfälle, und wie sein Werk von den Nazis vereinnahmt wurde.

Wer danach noch nicht genug hat von Wagner, kann über den Kulturpfad spazieren und die 17 Tafeln lesen, die von Wagners Lebensstationen und Werken erzählen. Oder er wandert weiter, wie es Wagner so gerne tat, durch die Hügel und Wälder der Sächsischen Schweiz zum Liebethaler Grund. Dort in der Schlucht wartet ein gut vier Meter großer Gralsritter, umgeben von fünf allegorischen Frauenfiguren. Richard Wagner.

(dpa/anch)
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