Nicht einfach drauflos wandern Natururlaub ohne schlechtes Gewissen

Berlin · Natururlaub ist weit mehr als Wandern und liegt voll im Trend. Doch viele wünschen sich mittlerweile ein nachhaltiges Reiseerlebnis, das Menschen und Umwelt nicht schadet. Das wird manchmal schwierig.

 Natururlaub ist weit mehr als Wandern und liegt voll im Trend. Doch viele wünschen sich mittlerweile ein nachhaltiges Reiseerlebnis, das Menschen und Umwelt nicht schadet.

Natururlaub ist weit mehr als Wandern und liegt voll im Trend. Doch viele wünschen sich mittlerweile ein nachhaltiges Reiseerlebnis, das Menschen und Umwelt nicht schadet.

Foto: dpa

Die Stadt hinter sich lassen, unberührte Landschaften genießen, sich an frischer Luft bewegen: Natururlaub ist beliebt - und legt in der Gunst der Deutschen noch zu. "Wandern und der Wunsch, Natur zu erleben, ist seit dem Beginn des Tourismus ein wichtiges Motiv, Urlaub zu machen", sagt Prof. Martin Lohmann von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR), der auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin die "Reiseanalyse 2012" vorgestellt hat. "Schon die ersten Tourismusvereine vor 150 Jahren widmeten sich dem Wandern."

Anders als noch vor 20 Jahren habe Wandern kein "verschnarchtes Image" mehr, sagt Lohmann. "Wir denken bei Wanderern nicht mehr an Typen mit rot gemusterten Socken, die durch die Alpen stapfen." Wandern habe eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz. "Es gibt heute coole Ausrüstungsgegenstände, Wanderer gelten als Leute, die sich mit Outdoor auskennen." Dadurch sei Wandern auch für Jüngere attraktiver geworden und in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es ist aber längst nur noch eine Spielart des Natururlaubs.

Darunter fällt heute die Mehrtageswanderung durch die Mecklenburgische Schweiz ebenso wie Regenwald-Tourismus in der ökologisch neutralen Dschungel-Lodge oder Mountainbiken in den Dolomiten. "Man kann das nicht genau abgrenzen, es gibt keine absoluten Zahlen. Wir sehen nur, dass die Angebote zunehmen, weil sie nachgefragt werden", beschreibt Thorsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband (DRV) die Marktsituation. "Es gibt da keine Definition." Wandern, Radreisen, Sportausflüge, Trekking, Angeltripps und Aktivurlaub in der Ferne - all das kann Natururlaub sein.

"In der Natur sein" sei nach einer Umfrage des Qualitätsmonitors Deutschlandtourismus nach wie vor für rund die Hälfte der Deutschen ein besonders wichtiges Reisemotiv, so Reinhard Meyer, der Präsident des Deutschen Tourismusverbands (DTV), im Vorfeld der ITB. "Der Trend zu umwelt- und sozialverträglichem Reisen wächst." Zugleich könne der Tourismus Verursacher ökologischer Belastungen sein. Nachhaltiger Natururlaub wird zukünftig an Bedeutung gewinnen.

Jeder Fünfte zeige Interesse an nachhaltigem Reisen, sagt Ute Linsbauer vom Forum Anders Reisen, einem Zusammenschluss von 130 Veranstaltern, die sich einem Tourismus verpflichtet fühlen, der ökologisch, sozial und wirtschaftliche nachhaltig ist. "Mehr Veranstalter springen auf den grünen Zug auf." Und das Publikum dafür werde größer. "Trotzdem gibt es eine große Spanne zwischen Anspruch und Handeln. Da ist noch wahnsinnig viel Luft nach oben." Das sei vergleichbar mit der Lebensmittelbranche: "Es braucht Zeit."

Ist Nachhaltigkeit bisher nur guter Wille? "Natururlaub heißt erst mal nicht, dass es nachhaltig ist", sagt Prof. Hartmut Rein von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE) Eberswalde. "Es heißt nur, dass es Urlaub in der Natur ist. Das ist rein die Erlebnisperspektive." In Deutschland sei das in der Regel weniger problematisch, obwohl zum Beispiel Gebirge und Küsten durch den Tourismus gefährdet seien.

Bedenklich sind eher Fernreisen in Länder, in denen es anders als in Deutschland keine demokratischen Verhältnisse gibt und keine stabile Gesellschaft und gesetzliche Strukturen. In vielen Ländern würden sensible Küsten zugebaut und Lodges in Schutzgebieten errichtet, weil die Verantwortlichen geschmiert würden. Dadurch könnte massive ökologische Schäden entstehen.

Tourismus in Länder zu verteufeln, die sich nicht sonderlich um Umwelt und Menschen scheren, greift aber zu kurz: "Viele Länder sind abhängig vom Tourismus", erläutert Rein. "Wenn jetzt alle sagen, aus ökologischen Gründen fliegen wir nicht mehr, dann haben die Menschen kein Einkommen mehr."

Umwelt- und Sozialprobleme könnten sich so erst recht verschärfen, zum Beispiel weil die Leute anfangen zu wildern oder Raubbau zu betreiben. Die Abwägung könnte dann sein: Lieber die zahlungskräftigen Touristen auf Safari zu den Elefanten führen, als den Tieren die Stoßzähne zum Verkauf abschneiden.

Die An- und Abreise sei in Sachen Nachhaltigkeit aber bei weitem die größte Herausforderung für die Zukunft, sagt Rein. Bei Fernreisen ist das Fliegen besonders kritisch, andererseits seien bestimmte Destinationen auf Touristen angewiesen. Deshalb lautet sein Tipp:

"Länger vor Ort bleiben, dann rechnet sich der Flug eher." Außerdem gibt es Möglichkeiten, das ausgestoßene CO2 an anderer Stelle zu kompensieren. Was können Urlauber noch tun, denen beim Naturerlebnis Nachhaltigkeit wichtig ist? "Ich würde mit einem Reiseveranstalter fahren, der sich dem Thema verschrieben hat."

(dpa)
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