Weltjugendtag Madrid im Papstfieber

Madrid (RPO). Der August ist für Madrids Fremdenführer ein eher langweiliger Monat. Spanische wie ausländische Touristen meiden dann die Sommerhitze in der Hauptstadt und vergnügen sich lieber an den Stränden der spanischen Mittelmeerküste oder auf Mallorca.

Papst feiert Messe mit 500.000 Jugendlichen
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Papst feiert Messe mit 500.000 Jugendlichen

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Foto: AFP

"Doch derzeit sind wir alle in Alarmbereitschaft", sagt Reiseführerin Esther Benito. "Die Nachfrage nach geführten Stadtrundgängen ist enorm." Schuld daran ist ein Deutscher: Papst Benedikt XVI. hat Jugendliche aus der ganzen Welt eingeladen, mit ihm in Madrid den Weltjugendtag (WJT) zu feiern. Und sie kommen in Scharen.

16.500 deutsche Katholiken

Vom 16. bis 21. August werden in der spanischen Hauptstadt mehr als 1,5 Millionen Pilger erwartet. Auch 16.500 junge Katholiken aus Deutschland haben sich angekündigt. Sie alle erwartet neben dem Glaubensfest ein kulturelles Rahmenprogramm. Mit seinen mehr als 300 Veranstaltungen wie Ausstellungen, Theater- und Tanzvorstellungen, Konzerten und einem Kinofestival lockt es kulturinteressierte Touristen in die spanische Hauptstadt und zeigt eine Seite der Drei-Millionen-Metropole, die nicht jedem bekannt ist.

Das Fremdenverkehrsamt Madrids habe eigens kulturell-religiöse Stadtrundführungen ins Leben gerufen, erklärt Fremdenführerin Esther Benito: "Durch den Besuch von Papst Benedikt sind es jedoch auch immer mehr normale Touristen und sogar Madrilenen, die sich plötzlich für die religiöse Geschichte der Stadt interessieren."

Populäre Stille

Sie führt ihre Gruppe auf dem "Rundgang der Kirchen" als erstes zu der kleinen, unscheinbaren Kapelle Santo Niño del Remedio. Die wenigsten Touristen würden diesen Ort aufsuchen. "Aber diese Kapelle gehört zu den wichtigsten der ganzen Stadt", erklärt Esther. "Vielleicht ist sie gerade wegen ihrer Schlichtheit und Stille so populär. Sehr viele Madrilenen kommen hierher zum Gebet."

Nur wenige Schritte entfernt steht die Kirche San Ginés, eine der ältesten Madrids. Die meisten Touristen laufen auf dem Weg von der Puerta del Sol zum Königspalast einfach an ihr vorbei. Das Gotteshaus stammt aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Vom ursprünglichen Gebäude ist aber nicht mehr viel zu sehen, weil es im 17. Jahrhundert nach einem Brand nahezu komplett umgebaut wurde.

Schiefe Kirche von Madrid

Dennoch verbergen sich im Inneren neben der prachtvollen Kapelle Santísimo Cristo lohnenswerte Kunstwerke von Meistern wie El Greco. "In San Ginés liegen heute viele berühmte Stierkämpfer begraben, der große spanische Schriftsteller Lópe de Vega heiratete hier", erzählt Esther. Die Kirche von San Pedro El Viejo wiederum birgt eine der beliebtesten Prozessionsfiguren der Karwoche, Jesus den Armen. Esther vergleicht das Gotteshaus wegen der Schieflage des Glockenturms mit dem schiefen Turm von Pisa.

Durch das Gewirr der Madrider Altstadt geht es weiter zur Iglesia San Nicolás de Bari, der ältesten Kirche der Stadt mit ihrem berühmten Schiefer-Glockenturm aus dem 12. Jahrhundert. Weniger spektakulär wirkt das Kloster Las Carboneras. Doch hinter der Fassade im maurischen Stil verbirgt sich eine Überraschung.

Zitronen- oder Orangenkekse?

Nach einem kurzen Klingeln ertönt durch den Lautsprecher ein fröhliches "Ave Maria purissima". Die Tür öffnet sich. Zu sehen ist niemand. Die Nonnen leben in Klausur. Doch hinter einem Fenster, in dem eine Drehtür aus schwerem Holz eingebaut ist, fragt eine zerbrechliche Frauenstimme, ob man lieber selbstgebackene Zitronen- oder Orangenkekse kaufen möchte - hausgemachte Leckerbissen.

Andere dieser religiös-kulturgeschichtlichen Stadtführungen, die noch bis Ende August angeboten werden, zeigen den Besuchern die päpstlichen Orte der Stadt oder Madrids christlichen Ursprung. Unter dem Motto "Ein Glaube, der zur Kultur wurde" gibt es während des Weltjugendtags kulturelle Veranstaltungen, in deren Mittelpunkt der Glaube und die Beziehung zwischen Kunst und Religion stehen.

36 internationale Künstler

Im Retiro-Stadtpark lädt die Ausstellung "Bewegt von der Schönheit" zum virtuellen Rundgang durch die Kirche Sagrada Familia in Barcelona ein. Vor dem spektakulären ägyptischen Tempel Dedob setzen Flamenco-Tänzer zum Beispiel die Passion und Auferstehung Christi auf sehr spanische Weise unter freiem Himmel um. Die Stiftung Pons zeigt unterdessen 36 internationale zeitgenössische Künstler und ihren Versuch, eine Brücke zwischen Kunst und Glauben zu schlagen.

Das berühmte Prado-Museum lockt mit der Ausstellung "Das Antlitz Christi". Ein Höhenpunkt der Schau ist die "Kreuzabnahme" von Caravaggio, eine Leihgabe der Vatikan-Museen. Auch das Thyssen- und das Königin-Sofia-Museum laden zu Sonderausstellungen ein.

Kulturzentren zeigen Ausstellungen zu Ordensleuten wie Mutter Teresa. In der ganzen Stadt erzählen Musicals, Theateraufführungen und Filme vom Leben und Wirken des verstorbenen Papstes Johannes Paul II., dem Schutzpatron des Weltjugendtags. Und beim Kinofestival zum Thema "Glauben und Religion" werden in 17 Kinos Kurzfilme, Dokumentarfilme und Spielfilme gezeigt. Der Film "Der Gärtner Gottes" mit Christopher Lambert hat im kulturellen Rahmenprogramm des WJT seine Weltpremiere.

(tmn/erer)
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