Wirbel um deutsches Quartier Düstere Räume, schmutziges Besteck

Erasmia (RP). Kitschige Säulen, düstere Räume, schmutziges Besteck – die Unterkunft der deutschen Nationalelf in Südafrika tägt nicht gerade das Prädikat "perfekt". Englands Fußballer werden es da besser antreffen. Zwei Ortsbesuche.

Wirbel um deutsches Quartier: Düstere Räume, schmutziges Besteck
Foto: Philip Schedler

Erasmia (RP). Kitschige Säulen, düstere Räume, schmutziges Besteck — die Unterkunft der deutschen Nationalelf in Südafrika tägt nicht gerade das Prädikat "perfekt". Englands Fußballer werden es da besser antreffen. Zwei Ortsbesuche.

Wer den Feind im Haus hat, will ihn wieder loswerden. Heinz Mulders Feind sitzt an diesem Mittag im Mai im Restaurant seines Hotels, als er ihn bemerkt. Der 32-jährige Manager nähert sich. Der Blick ist verkniffen. Sein Stiernacken dehnt den Kragen des nicht mehr wirklich sauberen Hemdes, das erst unterhalb einen massigen Bauches der Hose begegnet. Die Hände sind in die Seite gestützt, dort, wo ein protziges Handy befestigt ist.

Er dürfe nichts sagen, sagt Mulder. Das habe der Deutsche Fußball-Bund (DFB) angeordnet, damit in den Medien nicht noch mehr Lügen über das Velmore Hotel veröffentlicht werden. Fotos zu machen, sei im Übrigen auch nicht mehr erlaubt. Im Velmore Hotel logiert ab dem 7. Juni die Deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der WM in Südafrika. Und Heinz Mulders Feindbild ist seit einigen Wochen der deutsche Journalist im Allgemeinen.

Die Fünf-Sterne-Anlage, die der DFB über die Monopol-Agentur des Weltverbandes Fifa geblockt und in der er 83 von 99 Zimmern reserviert hat, liegt 50 Kilometer nördlich von Johannesburg und 20 Kilometer südwestlich von Pretoria. Im Niemandsland der Kommune Erasmia. Die letzten Kilometer zum Velmore Hotel führen über eine schmale, ausgefranste Schlaglochpiste mit Namen Main Road 26.

Gegenüber einer Telefonzelle am Rande des Buschlands taucht rechterhand irgendwann eine Mauer auf, an der zwei Männer ein Stück des Sims' ausbessern. Am Torbogen ein paar Meter weiter erklärt der Pförtner, er benötige von jedem die ID-Nummer des Ausweises. Schließlich geht es auch ohne die Nummer über den Kieselweg hinein ins acht Hektar große Anwesen, das so gar nicht passen will in das Bild einer makellosen Herberge.

Als Mulder noch mit deutschen Journalisten sprechen durfte, pries er den provencalischen Stil der Gebäude. Er meinte die billigen römischen Säulen, kitschigen Amphoren und den tröpfelnden Springbrunnen am Hoteleingang. Gäste sind an diesem Tag keine hier — wie eigentlich immer, unken Einheimische. Manchmal, samstags, feiern reiche Südafrikaner Hochzeit auf dem Anwesen.

Für selbiges hat Eigentümer Emil Keyser trotz Eröffnung im vergangenen November übrigens immer noch keine Baugenehmigung, weshalb der zuständige Verwaltungsbezirk Tshwane nun gegen ihn vorgeht. Weil der Zeitplan drängte, habe man einfach angefangen zu bauen, sagte Keyser jüngst den "Pretoria News".

So protzig und ausschweifend die Außenanlangen, so düster die Innengestaltung. Glänzende Oberflächen in schwarz und metallic dominieren nicht nur die Empfangshalle. Im Speisesaal sind zwar alle Tische gedeckt, allerdings ist das Besteck in manch Düsseldorfer Studenten-WG sauberer. Die Bedienungen wirken verschüchtert, unorganisiert und hilflos.

Im April kursierte eine Meldung, wonach der südafrikanische Geheimdienst dem DFB wegen Sicherheitsmängeln vom Aufenthalt in Velmore abgeraten haben soll. Doch der DFB hält an seiner Wahl fest — muss er womöglich, weil er, wie ein Vertrauter des WM-Organisationskomitees sagt, bei weiteren möglichen Unterkünften so lange wartete, bis andere Nationen zugriffen.

Mulder, Weißer und Sohn eines Österreichers, hat vor einiger Zeit beiläufig zwei interessante Sachen gesagt. Zum einen, dass ihn Fußball eigentlich nicht interessiere. Das sei schließlich die Sportart der Schwarzen. Und zum anderen: "Die Deutschen haben den Briten das Hotel vor der Nase weggeschnappt."

Die ach so geschlagenen Engländer logieren nun knapp 100 Kilometer weiter westlich in Rustenburg. Und beim nationalen Fußballverband FA dürften sie inzwischen schon so manches Mal darauf angestoßen haben, dass sie den "Germans" das Velmore überlassen haben. Das Royal Marang Hotel, ein Neubau auf dem 65 Hektar weiten Bafokeng Sports Campus, lässt nämlich keine Wünsche offen.

Es besitzt 68 Zimmer, in denen per Bewegungsmelder unter dem Bett das Licht angeht, wenn Wayne Rooney und Co nachts das Bad aufsuchen wollen und auf deren TV-Schirme Trainer Fabio Capellos Ansprache zugeschaltet werden kann. Von der Terrasse im ersten Stock zeigt Hotel-Manager Martin Bekker auf drei der sechs Trainingsplätze, die Englands Profis zur Verfügung stehen, und die angeblich die höchsten Fifa-Ansprüche an Rasenqualität erfüllen sollen.

"Unser Gras ist sogar besser als das im Soccer City Stadion in Johannesburg", sagt Bekker. Auch einige andere Verbände hätten hier wohnen wollen, fügt er stolz hinzu. Die Deutschen etwa? Es ist die einzige Frage, die Bekker an diesem Nachmittag nicht beantworten wird.

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