Entführung in Ägypten Die Sorglosigkeit der Urlauber

Berlin (RPO). 19 Touristen wurden im Südwesten Ägyptens entführt. Das Auswärtige Amt rät von Reisen in die dortige Wüstenregion ab. Dennoch lassen sich viele Urlauber von Gefahren nicht abschrecken, ignorieren Regeln und Warnungen. Manche Leute wollen um keinen Preis Pauschaltouristen sein, kritisiert ein Tourismusexperte.

 Ein Tourist in der Region Gilf el-Kabir. Im Südwesten der ägyptischen Sahara wurde eine Urlaubergruppe entführt.

Ein Tourist in der Region Gilf el-Kabir. Im Südwesten der ägyptischen Sahara wurde eine Urlaubergruppe entführt.

Foto: AFP

Denken Sie bei Reiseplanung an politische Anschläge? Diese Frage stellte der Outdoorhändler Globetrotter am Dienstag seinen Kunden auf der firmeneigenen Homepage. Und das Ergebnis der Umfrage war denkwürdig: Zwar überwiegt die Zahl der vorsichtigen Reisenden deutlich. Knapp jeder fünfte ist aber der Meinung: "Nein, Terrorismus kann überall passieren".

Das Ergebnis deckt sich mit den Beobachtungen des Tourismusforschers Karl Born. "Es ist erstaunlich, dass es immer wieder Individualtouristen gibt, die glauben, dass für sie die allgemeine Weltordnung nicht gilt", sagt Born, der lange Jahre in der Geschäftsführung des Reisekonzerns TUI tätig war und heute unter anderem als Honorarprofessor an der Hochschule Harz in Wernigerode lehrt.

"Es gibt Leute, die wollen auf gar keinen Fall als Pauschaltourist gelten. Die ignorieren dann alle Regeln und Warnungen, überschätzen sich und die Situation", weiß Born aus zahlreichen Gesprächen.

In Ländern wie Ägypten werde zudem eine Sicherheit suggeriert, die nur teilweise vorhanden sei. "Wir sprechen von der optischen Sicherheit", erklärt Born. Gemeint sind beispielsweise Sicherheitsschleusen und bewaffnete Sicherheitskräfte auf Flughäfen. Dass diese Sicherheit dann außerhalb des Gebäudes ende, werde entweder gar nicht wahrgenommen oder schlicht ignoriert.

Der vergessene Terror

"Die Touristen haben sich von den weltweiten Terroranschlägen nicht abschrecken lassen. Die Vergessengrenze ist enorm gesunken", sagt Born. Vielfach werde nach dem Motto gereist: "Wenn's passiert, dann passiert es eben." Das sei ähnlich wie die Teilnahme am Straßenverkehr: Trotz Tausender Verkehrstoter jährlich werde weiter Auto gefahren.

Dass die Lust auf Auslandsreisen weltweit ungebrochen ist, belegen Studien, die jüngst auf der Reisemesse ITB in Berlin vorgestellt wurden. Demnach legte die Zahl der Auslandsreisen im vergangenen Jahr um sechs Prozent zu - stärker noch als im Jahr zuvor. Die Bundesbürger verteidigten ihren Ruf als Reiseweltmeister.

Auf das Reiseprogramm des Veranstalters Studiosus beispielsweise hat die Verschleppung von Urlaubern in Ägypten keinen Einfluss, wie Sprecher Frano Ilic erklärte. Der Vorfall habe sich 900 Kilometer von den üblichen Studiosus-Reisezielen entfernt ereignet. "Was unsere Kunden dort sehen, sind die klassischen Sehenswürdigkeiten entlang des Nils."

In der Tat diskutieren die Kunden im Studiosus-Internetforum vor allem über Kleidungsvorschriften im Iran ("Lange Hosen sind für die Herren schon Pflicht") oder die beste Reisezeit für Ägypten ("Februar/März") - Einträge zum Thema Terror sind nicht zu finden.

Die Reisenden halten es da offenbar mit einem Kalenderspruch, der asiatischen Ursprungs sein soll: "Tourismus ist wie Feuer: Man kann seine Suppe damit kochen, man kann aber auch sein Haus damit abbrennen".

(ap)
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