Wohin mit den Fahrgästen? Deutsche Bahn hat zu wenig Züge

Berlin · Noch läuft es rund bei der Bahn, doch sie baut schon einmal vor. Wenn der Mangel an Fernzügen nicht behoben wird, kann auch bald die jüngste Erfolgsgeschichte zu Ende sein.

Wohin mit den Fahrgästen?: Deutsche Bahn hat zu wenig Züge
Foto: Julian Omonsky

Ende März hatte Bahnchef Rüdiger Grube noch frohlockt, weil er eine gute Winterbilanz ziehen konnte. Anders als auf Autobahnen und Flughäfen sei der Verkehr auf der Schiene gut gelaufen. Im Fernverkehr stieg die Zahl der Bahnreisen 2012 um fünf Prozent. Doch selbst wenn die Fahrgäste weiter auf die Bahn fliegen sollten, könnte das Staatsunternehmen bald ausgebremst werden. Denn der Mangel an ICE und IC bringt die Bahn allmählich in ernste Schwierigkeiten.

"Wir werden einen heißen Sommer und einen heißen Winter haben", warnt Ulrich Homburg, im Bahnvorstand für den Personenverkehr zuständig, vor den kommenden Monaten. Was er damit meint, ist die äußerst knappe Ausstattung mit Fahrzeugen. "Wir fahren im Prinzip jeden Tag ohne Reserve", sagt Homburg. Von 255 ICE der Bahn würden 210 für den täglichen Verkehr gebraucht. Zwölf Züge seien stets in der Werkstatt, weil seit dem Bruch einer Achse im Jahr 2008 diese Bauteile viel häufiger auf Risse kontrolliert werden müssen.

Dies wird sich erst ändern, wenn die ICE-3-Achsen mit Antriebsfunktion gegen neue ausgetauscht sein werden. Wie sich nun zeigt, zieht sich Genehmigung der Neukonstruktion immer weiter in die Länge. Der letzte Antrag liegt seit April beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA). Die Bahn erwartet im günstigsten Fall Ende dieses Jahres grünes Licht. Es gehe um komplizierte Fragen zu dauerhaften Festigkeit der Achsen, sagt Homburg. Sobald die Genehmigung dann vorliege, werde es etwa zweieinhalb Jahre dauern, bis alle 1200 Radsätze ausgetauscht sind, bei denen das nötig ist. Eigentlich sollte der Austausch im vergangenen Herbst beginnen.

Genehmigung erforderlich

Das EBA ist auch die entscheidende Instanz, die den Einsatz von 16 neuen ICE 3 genehmigen muss, auf die die Bahn sehnsüchtig wartet. Bei acht von ihnen hätte es im November 2012 beinahe geklappt, dann wurden die Renner doch noch gestoppt, weil das Programm für die Zugsteuerung nicht einwandfrei funktionierte. Siemens-Vorstandschef Peter Löscher hat lediglich zugesichert, dass die Züge von Ende Juli an dem EBA zur Verfügung gestellt würden. Noch steht in den Sternen, wie lange die Behörde für die Prüfung braucht. Siemens rechnet nach der Erfahrungen aus der Vergangenheit mit mindestens vier Monaten.

Homburg jedenfalls geht davon aus, dass die Bahn ihre Kunden nicht mehr lange mit dem jetzigen Wagenpark zufriedenstellen könne. "Ende 2014 müssen wir Entspannung haben, sonst wird das die Nachfrage beschädigen." Vor allem die Stammfahrgäste nähmen es der Bahn irgendwann krumm, wenn sie auf stark genutzten Strecken keinen Sitzplatz reservieren könnten. Dann werde die Bahn Passagiere verlieren, orakelt der Manager. Auch das schnelle Internet, das bis 2014/15 in jedem ICE verwirklicht sein soll, würde dann wohl auch nicht mehr helfen.

(dpa)
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