Tokios Fischmarkt bittet Touristen um Benehmen Bitte nicht am Thunfisch lecken

Tokio (RPO). Nachdem ein angetrunkener britischer Tourist einen tiefgefrorenen Thunfisch abgeleckt hatte, war auch bei den für ihre Höflichkeit bekannten Japanern das Maß voll. Im Dezember verhängten sie ein vorübergehendes Touristenverbot auf dem Tokioter Fischmarkt. Nun sollen Flugblätter zu korrektem Benehmen animieren.

 Dieser Blauflossen-Thunfisch wiegt 128 Kilogramm und brachte auf einer Auktion über 104.000 Dollar.

Dieser Blauflossen-Thunfisch wiegt 128 Kilogramm und brachte auf einer Auktion über 104.000 Dollar.

Foto: JIJI PRESS, AFP

Der Tsukiji-Fischmarkt in Tokio gehört bei Besuchern der japanischen Hauptstadt zu den beliebtesten Ausflugszielen. Noch vor Morgengrauen geht es rund auf dem weltgrößten Umschlagplatz für Fisch. Doch nicht nur Fischhändler strömen dorthin. Scharenweise fallen Touristen über den Markt her, behindern die Händler bei ihrer Arbeit und benehmen sich teilweise unmöglich.

"Das ist kein Freizeitpark"

"Wir glauben ja, dass der Anblick Hunderter gefrorener Thunfische etwas Einzigartiges und Interessantes ist für Besucher aus dem Ausland", räumt der stellvertretende Marktleiter Yoshiaki Takagi ein. "Sie müssen aber einsehen, dass das kein Freizeitpark ist, sondern ein Platz, an dem gearbeitet wird."

Zu einem der berüchtigtsten Zwischenfälle in jüngster Zeit kam es, als ein angetrunkener britischer Tourist angesichts eines tiefgefrorenen Thunfischs offenbar zärtliche Gefühle bekam, das Tier ableckte und seine Kiemen tätschelte. Festgehalten wurde der delikate Vorfall von einem japanischen TV-Kamerateam. Ein anderes Mal brachten zwei Touristen einen Karren, der normalerweise von den Großhändlern zum Fischtransport benutzt wird, an sich, und fuhren damit durch den Markt. Auch sie wurden bei ihrem Treiben gefilmt. "Raus mit euch", brüllte ihnen ein erzürnter Marktaufseher hinterher.

"Thunfisch ist ein sehr teurer Fisch", erklärte Takagi. "Er kostet ohne weiteres über eine Million Yen (rund 8.500 Euro). Einige Touristen aber berühren den Fisch oder wollen ihn sogar umarmen."

Die beiden Vorfälle fanden in der japanischen Öffentlichkeit große Beachtung und waren der vielzitierte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die genervte Marktleitung machte dem Touristenspuk ein Ende und verhängte kurzerhand ein Besucherverbot über die besonders umsatzträchtigen Neujahrsfeiern. Erst nach gut 14 Tagen wurde das Verbot aufgehoben, und Besucher wurden wieder zugelassen. Doch weiterhin beschäftigt die japanische Öffentlichkeit die Frage: Kann man Touristen trauen, wenn es um Thunfisch geht?

Nirgends auf der Welt wird so viel Fisch verzehrt wie in Nippon. 480 Sorten Fisch werden auf dem Tokioter Fischmarkt angeboten. 40.000 Käufer und Verkäufer finden sich dort Tag für Tag ein. Fisch im Wert von umgerechnet 16 Millionen Euro wird dort täglich umgesetzt.

Fast 90 Prozent der Marktbesucher stammen aus dem Ausland. "In Holland haben wird einen Blumenmarkt, einen Gänsemarkt, aber nichts wie den Tsukiji-Markt", erklärt Jan Groeneweg, ein Banker aus den Niederlanden. "Er gehört zu den zehn wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Tokio. Man muss in einfach besuchen."

"So etwas sieht man sonst nur in Fernsehreportagen auf dem Discovery Channel", zeigt sich Chris Szydlo, ein 33 Jahre alter Geschäftsmann aus den USA, beim Besuch des Fischmarktes begeistert. "Bei uns gibt es so etwas nicht, nicht einmal ansatzweise."

Verhaltensmaßregeln in vier Sprachen

Die nüchternen Fischhändler sehen sich nicht als Touristenakttraktion, halten sich vielmehr für Arbeiter in einem Business mit großem Zeitdruck. Was die Auktionatoren am häufigsten an den Besuchern stört, ist deren ständiges Fotografieren. Die Blitzlichter machen es für sie schwerer, die Fingersignale der Bieter zu lesen. In dem Markt wurden zwar Verbotsschilder mit der englischen Aufschrift "No Flash" ("Kein Blitzlicht") aufgehängt, doch kaum jemand hält sich daran.

"Das Blitzen der Fotoapparate stört mich", sagt Tunfischkäufer Yasumasa Oshima. "Da ich kein Englisch spreche, gestikuliere ich den Touristen, dass sie kein Blitzlicht benutzen sollen. Die meisten hören dann auf, einige machen aber weiter."

Nach der vorübergehenden Schließung des Marktes werden jetzt am Eingang zu den Tunfisch-Auktionshallen Flugblätter auf Englisch, Chinesisch, Koreanisch und Japanisch verteilt. Darin werden die Besucher unter anderem angehalten, auf Blitzlicht zu verzichten, im zugewiesenen Gästebereich zu bleiben und sofort nach Ende der Auktion wieder zu gehen. Die Flugblätter und auch die vorübergehende Aussperrung der Touristen zeigen bereits erste Erfolge. Die Menge benimmt sich seither besser.

(AP)
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