Ursprünglichkeit verschwindet Nach Vietnam — aber schnell

Düsseldorf · Sie haben Glück gehabt. Endlich mal. Der große Regen, der in den vergangenen Wochen Schäden in Millionenhöhe beim thailändischen Nachbarn angerichtet hat, hat Vietnam halbwegs verschont. Doch auch wenn es anders gekommen wäre, hätten die Vietnamesen vermutlich kurz innegehalten, gelächelt und dann weiter gemacht. "Die Mentalität der Menschen ist unglaublich. Sie nehmen das Leben so locker wie Rheinländer und sind sehr optimistisch", sagt Ralf Dittko. Der Bonner lebt seit 17 Jahren in Saigon, hat mit einer Einheimischen einen Sohn, arbeitet für das Goethe-Institut und organisiert Touren.

Fünf Dinge, die man auf einer Süd-Vietnam-Reise erlebt haben sollte
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Foto: Lastminute.de

Die Vietnamesen sind ein arg gebeuteltes Volk: Im 19. Jahrhundert besetzten die Franzosen das Land, dann kamen die Japaner und am Ende zerstörten US-amerikanische Soldaten in einem mörderischen Krieg Mensch und Natur. Heute, 40 Jahre später, regiert der Kommunismus das Land — "aber mit marktwirtschaftlicher Ausprägung", wie Dittko erklärt. "Die Vietnamesen gelten als die Preußen Asiens, sie sind fleißig, blieben aber in der Vergangenheit unter ihren Möglichkeiten, weil das Geld in der Korruption versickert ist." Das soll jetzt besser werden. Sieben Prozent betrug das Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr.

Auch im Tourismus will das Land eine größere Rolle spielen. Ende der 1980er Jahre kamen nicht mehr als 100 000 Urlauber, 2010 waren es fünf Millionen. Viele deutsche Veranstalter bieten klassische Rundreisen an — angefangen im Norden mit der Hauptstadt Hanoi über die einstige Kaiserstadt Hué und Da Nang in der Mitte. Die meisten Touren enden im fruchtbaren Süden Vietnams, wo der Mekong nach 4500 Kilometern als "Fluss der neun Drachen" in einem Labyrinth aus acht Armen und Tausenden von Seitenarmen in das Südchinesische Meer mündet. Hier, in diesem Verkehrsnetz und Biotop, leben 17,8 Millionen Menschen. Es ist das am dichtesten besiedelte Gebiet Vietnams. Eine Region voll pulsierender Energie. Die Menschen wohnen in kleinen Hütten mitten in den Reisfeldern oder an den Ufern. Sie arbeiten in Ziegeleien, Fischfarmen, auf den Feldern oder auf dem Wasser.

Seit die Partei Reformen ausgerufen hat, blüht überall der Handel. In Can Tho, der größten Stadt im Delta mit ultramodernem Flughafen, treffen sich morgens um Fünf die Einheimischen auf dem größten Schwimmenden Markt in der Region. Sie kommen von weit her mit ihren schmalen Holzbooten, die von einem knatternden Dieselmotor antrieben werden und die voll bepackt sind mit all dem, was die Natur so hergibt: Fisch, Obst, Gemüse, Fleisch, Reis. Das Treiben auf dem Wasser ist so bunt und laut und von solch exotischer Schönheit, dass man sich kaum sattsehen kann. Und doch lässt einen, während der Kapitän uns mit dem Boot um die vielen Händler herumkurvt, die Frage nicht los, wie lange es angesichts der Entwicklung des Landes den Markt in dieser Form noch geben wird.

Auf Phu Quoc, einer kleinen Insel vor der kambodschanischen Küste, gibt es nicht nur einen riesigen Nationalpark mit seltenen Pflanzen und Tieren. Phu Quoc besitzt zudem Traumstrände, die nach Westen gerichtet sind. Es sollen die einzigen Vietnams sein, die mit denen Thailands und auf den Malediven konkurrieren können, sagen die Fachleute. Das macht die mit fast 600 Quadratmetern größte Insel des Landes für Investoren so begehrenswert. Noch gibt es in diesem unberührten Paradies neben staubigen, ausgefahrenen Sandpisten nur eine befestigte Straße und ein Dutzend — zum Teil sehr schöner — Hotels. Doch schon im kommenden Jahr soll der internationale Flughafen fertig sein, und dann wird auf Phu Quoc, das übersetzt "Schönes Land" heißt, alles anders. Mit Hilfe eines Masterplans, der den Bau eines Kasinos sowie mehrerer Ferienanlagen und Hotels vorsieht, will die Regierung die Auswüchse in Grenzen halten. Rafael Rodriguez, Manager im Chen Sea Resort, hat da so seine Zweifel: "Wenn es nicht gelingt, die Korruption zu stoppen, dann sieht es in ein paar Jahren hier so aus wie in Phuket." Mit Eröffnung des neuen Flughafens erwarten die Vietnamesen jährlich drei Millionen Gäste. Weniger sorgenvoll ist Pham Van Du, Direktor des vietnamesischen Tourismusboards: "Wir können planen, wo wir authentisch bleiben wollen. Es sind ohne Zweifel spannende Zeiten mit viel Fortschritt."

Con Dao ist ein kleines Archipel im Südchinesischen Meer. Hier hat sich nicht ohne Grund die Six Senses-Gruppe mit einer exklusiven Villenanlage niedergelassen. Die Lage des Resorts erfüllt alle Träume: langer einsamer Strand, tolles Panorama und rund um die vorgelagerten unbewohnten Inselchen menschenleere Schnorchel- und Tauchspots. Hier kann man nach einer Rundreise durch den Süden Vietnams ein paar Tage ausspannen und im vornehm zurückhaltenden Luxus schwelgen — vorausgesetzt, man hat das nötige Kleingeld. Es gibt aber auf der ehemaligen Gefangeneninsel auch einige preiswerte Unterkünfte.

Schöner Abschluss sind ein paar Tage in der ehemaligen Hauptstadt Indochinas, in Saigon — heute Ho-Chi-Minh-Stadt. Die Sieben-Millionen-Metropole pulsiert. Tag und Nacht. Und der Schwarm mit Hunderten Mopeds, der in Wellen an einem vorbeirauscht, scheint nie wirklich abzuebben. Pham Va Du erzählt, dass es in der Großstadt geschätzte sechs Millionen Mopeds gibt. Sie sind Familientaxi und Lastentransporter. Manchmal sieht man einen Bauern mit lebendem Schwein vorbeiflitzen, dann eine junge Frau herausgeputzt im traditionellen Ao Dai oder eine vierköpfige Familie, die sich hintereinander auf den Sitz quetscht.

Doch Saigon verliert langsam seinen alten Indochina-Charme. Auch das ist ein Zeichen des Umbruchs. Und doch, wer genau hinguckt und sich Zeit nimmt, entdeckt zwischen den bunten Werbetafeln immer wieder die im tropischen Klima leicht verfallenen Villen und Prunkbauten der ehemaligen französischen Kolonialherren. Sie sind glücklicherweise fester Bestandteil der Geschichte — wie vieles andere auch im Alltag des neuen Vietnams.

Klima Im Süden herrscht tropisches Klima. Angenehm ist es von November bis Januar, sehr heiß hingegen von Februar bis Mai. Die Regenzeit liegt zwischen Mai und Oktober.

Beste Reisezeit ist von Januar bis März; in Ho-Chi-Minh-Stadt liegen die Höchsttemperaturen zwischen 32 und 35 Grad; nachts kühlt es sich auf 21 bis 25 Grad ab.

Anreise Vietnam Airlines fliegt von Frankfurt nach Ho-Chi-Minh-Stadt ab 759 , in der Nebensaison gibt es zwei Inlandsflüge gratis.

Einreise Das Visum muss bei der vietnamesischen Botschaft in Berlin (Tel. 030/5363 01 08) beantragt werden. Bearbeitungsdauer: eine Woche. Schneller gehts bei Online-Agenturen. Kostenpunkt ca. 35 Euro.

Übernachten Ho-Chi-Minh-Stadt: Das Sofitel Saigon Plaza (5-Sterne) befindet sich im Stadtzentrum, nahe der Notre-Dame-Kathedrale und dem Wiedervereinigungspalast (ab 87 Euro; Phu Quoc: Das Chen Sea Resort & Spa (4-Sterne, ww.centarahotelsresorts.com) liegt in einer ruhigen Bucht mit 300 m langem Sandstrand, hat sehr schöne, große Zimmer (ab 58  ) und bietet damit ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Inmitten eines großen tropischen Gartens und direkt am Meer liegt das im Kolonialstil erbaute Boutique-Hotel La Veranda (4-Sterne). Das DZ kostet ab 94 . Con Dao: Das traumhaft gelegene luxuriöse Six Senses Resort ist eine Villenanlage mit ökologischem Anspruch. Die Häuser sind puristisch eingerichtet, jedes hat einen eigenen Pool und einen einsamen Strand vor der Haustür (ab 790 pro Nacht/Villa, www.sixsenses.com).

Literatur Bernd Schiller: Vietnam – ein Reiselesebuch, Ellert & Richter Verlag, 12,95

(RP/chk/pst)
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