Mohn-Tage im Waldviertel

Wenn unweit des Städtchens Zwettl im österreichischen Waldviertel der Mohn blüht, ist dieses Landschaftsbild eines der malerischsten, das man sich denken kann. "Ich kenne keine schönere Blüte", sagt Edith Weiß. In der Früh sehe der Mohn am besten aus, anmutig und zart. Aber gegen Abend schließt er seine Blätter. "Und am nächsten Tag fällt die Blüte schon wieder ab."

Die Dame im Dirndl weiß, wovon sie erzählt. Edith Weiß trägt den Titel einer Mohnobfrau. Zu ihren Aufgaben im Mohndorf Armschlag gehört es, den Mohn bekannter zu machen: PR für eine Pflanze. Dabei hat der Mohnanbau im stillen Waldviertel, das sich zwischen Donau und tschechischer Grenze versteckt, Tradition. In der Bibliothek des Stifts Zwettl bezeugt eine Schrift den Mohnanbau im Waldviertel schon für das 13. Jahrhundert. Bis 1934 wurde er sogar an der Londoner Börse notiert. Aber nach dem Krieg verlor Mohn seine wirtschaftliche Bedeutung, bis man ihn vor einigen Jahren wiederentdeckt und erfolgreich rekultiviert hat. "Unser Mohndorf verdankt sich einer privaten Initiative, die immer größere Kreise gezogen hat", erinnert sich Edith Weiß. Mittlerweile seien fast alle Familien vom Mohn begeistert.

Was aber macht Armschlag zu einem Mohndorf? "Auf geht's", antwortet die Obfrau. Vom Mohnlehrpfad, der neben Anbau, Ernte und Nutzung auch Geschichtliches vermittelt, über den Mohngarten, in dem verschiedenste Mohnsorten blühen, spaziert man zum Dorf hinaus auf die Felder zum Mohnwanderweg, immer dem Symbol der roten Mohnblüte folgend. "Danach können Sie sich bei unserem Mohnwirt stärken", empfiehlt die Mohnexpertin. Bei den Neuwiesingers dreht sich alles um den Mohn – natürlich auch auf der Speisenkarte. Denn der Waldviertler Mohn ist nicht nur ein echter Hingucker, sondern schmeckt gut.

Für Rosemarie Neuwiesinger ist Mohn ein Grundbestandteil ihrer Küche. "Das kenne ich gar nicht anders," meint sie. "Vor allem bei Süßspeisen zeigt er, was er kann." Ihre Mohnoberstorte oder die Mohnnudeln sind der Beweis. Auch der Zander bekommt dank Mohnkruste ein nussiges Aroma

Mohnbäuerin Margarete Greßl aus dem benachbarten Ottenschlag erzählt, dass im Waldviertel vor allem Graumohn, der durch eine offizielle Ursprungsbezeichnung der EU geschützt sei, angebaut werde. "Er ist geschmacklich etwas dezenter als Blau- und Weißmohn." Was man bei einer Ölverkostung in ihrem Mohnshop überprüfen kann.

Auch die Greßls sind dem Mohn verfallen und haben auf ihrem Hof ein Mohnmuseum mit einer begehbaren Mohnkapsel eingerichtet. Dabei enthält der Waldviertler Mohn überhaupt keine süchtigmachenden Substanzen. Im Gegenteil – das aus den Graumohnsamen kalt gepresste Öl ist sehr gesund. "Es eignet sich zum Beispiel ausgezeichnet für eine cholesterinbewusste Ernährung", weiß die Mohnproduzentin.

Neben dem "Olivenöl des Nordens" bieten die Greßls Mohn in diversen Verarbeitungsformen an – von Marmelade und Schokolade über Likör und Schnaps bis zu kosmetischen Produkten: Mohn als Alleskönner. Dass der Mohn eine besondere Pflanze ist, zeigt sich auch im August. Dann folgt dem Fest der Farben rund um das Dorf Armschlag die Geräusch-Collage. Wenn die Samen, nachdem die Blüten abgefallen sind, in den Mohnkapseln trocknen, sind die Felder schon beim leichtesten Windzug von einem vielstimmigen, feinen, aber deutlich vernehmbaren Klappern erfüllt: Als wolle der Mohn selbst auf seine baldige Ernte aufmerksam machen. Öffnet er schließlich seine Augen, kann der Samen vorsichtig mit der Hand herausgeschüttelt werden.

Das Waldviertel als eine Region für Genießer hat aber mehr zu bieten als nur den Mohn. In weiteren Hauptrollen treten auf: der Karpfen, das Weiderind, die Kartoffel und der Wein. Und der Hauptort Zwettl bezeichnet sich gerne als Knödelhochburg. So kann die Aussicht auf eine gute Mahlzeit durchaus den Urlauber auf seinen Wanderungen zu den Burgen und Seen rund um Zwettl beflügeln. Natürlich genießen ist hier mehr als ein einprägsamer Slogan der regionalen Marketing-Strategen.

(RP)
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