Mit 304 PS durchs Übermorgenland

Zwischen Morgen- und Übermorgenland liegt der stillste Ort der Welt - die Wüste. Während es in der Glitzerstadt Dubai um die Superlative "höher, größer, prunkvoller" geht, heißt es in der Dünenlandschaft: still, stiller, am stillsten.

Mit 304 PS durchs Übermorgenland
Foto: Elfi Vomberg

Die Dünen sehen weich aus wie Butter, fluffig wie Baiser und flauschig wie Samt - zum reinlegen. Doch der Aufprall kommt plötzlich - und hart. Der Anschnallgurt gräbt sich in die Schulter und für einen kurzen Moment bleibt die Luft weg. Dass der Geländewagen in der Dünenlandschaft bei diesem Manöver nicht umkippt gleicht einem Wunder. Düne für Düne erklimmt Fahrer Adil Asad die Wüstenlandschaft. Aus den Boxen der Anlage dröhnt dazu ein Gemisch aus Hip-Hop, arabischen Trommeln und Disco-Beats, das zusammen mit dem eigenen Pulsschlag zu einem hochdramatischen Soundtrack wird.

Mit 304 PS durchs Übermorgenland
Foto: Elfi Vomberg

Kaum wieder zu Atem gekommen, setzt Adil schon zur nächsten Runde an: Prescht die Dünen mit seinem Wagen hoch, reißt das Lenkrad herum, bis der Sand gegen die Autoscheiben spritzt. Am höchsten Punkt auf dem Kamm hält er kurz inne, um sich und sein Gefährt dann umso heftiger in den Abgrund zu stürzen. Für einen kurzen Moment schwebt der schwere Geländewagen durch die Luft.

Hier in der Wüste - im Herzen der Arabischen Emirate - wird der Dünenritt zur Achterbahnfahrt. Eine halbe Autostunde von Dubai entfernt liegen die "Big Reds" - besonders hohe, tiefrote Sanddünen, die man mit vierradgetriebenen Autos bei einer Wüstensafari erkunden kann.

Dabei wird der unendliche Sandkasten am Rande der Großstadt zum riesigen Erwachsenenspielplatz: Denn besonders junge Emiratis treiben an den Big Reds das sogenannte Dünen-Prügeln, das "dune bashing", bei dem sie die Tachonadeln ihrer Geländewagen hochtreiben, die Dünen um die Wette hochrasen und den Nervenkitzel genießen.

Fahrer Adil hat inzwischen im Nirgendwo der wogenden Sandwellen die Handbremse gezogen und den Motor ausgestellt. Endlich kann man den feinen Sand unter den Füßen spüren. Und dann ist sie da: die Magie der Wüste. Der Blick schweift über das Farbspiel der Sanddünen, das vom hellen Beige bis zum warmen Rotbraun changiert, über den Horizont zu den weichen Formen, die der Wind kreiert hat.

Adil greift in den Sand und lässt die feinen Körner durch seine Hand gleiten und erklärt: "Wenn sich auf einer gelben Düne besonders viel roter Sand angesammelt hat, ist die Düne besonders weich, dann ist das keine gute Idee hier durchzufahren." Den Sand lesen - eine Kunst, die schon die Beduinen beherrschten. "Das richtige Timing ist alles. Man muss ein Gefühl für den Sand haben, er ist unberechenbar - und dieses Gefühl geht bei mir direkt ins Lenkrad", so der 30-jährige Fahrer, der schon seit vier Jahren mit 304 PS durch die Wüste prescht.

Für die Nomaden war die Wüste einst der Garten Allahs, in dem der Mensch die Chance hat, sich selbst zu erkennen. Doch das Tempo der Wüste hat sich inzwischen mit den motorisierten Wüstenritten deutlich beschleunigt. "Ich bin halt ein moderner Beduine", sagt Adil und klopft lachend auf die Motorhaube.

Reisende mit Sehnsucht nach orientalischem Flair können aber auch das Fortbewegungsmittel in der Wüste wechseln und traditionell auf einem Kamel durch die Dünen reiten. Oder aber direkt eine Nacht ganz stilecht und stimmungsvoll im Beduinenzelt verbringen und den Sternenhimmel abseits von Dubai genießen. Der Ausflug in die menschenleere, stille Wüste bildet einen reizvollen Kontrast zum pulsierenden Dubai mit seinen Super-Shopping-Malls und architektonischen Superlativen.

Adil pumpt derweil wieder mehr Luft in die Reifen für die asphaltierten Straßen. Vorbei an trottenden Kamelen auf dem Seitenstreifen und kleinen Siedlungen mit Windtürmen und Minaretten geht es vom Morgenland zurück ins Übermorgenland Dubai. Im Rückspiegel verlieren sich die Reifenspuren im Sand, die schon mit der nächsten Sandböe längst Geschichte sind.

Nach 30 Minuten taucht plötzlich die Skyline von Dubai wie eine Fata Morgana am Horizont auf. Unwirklich liegt die Glitzerstadt im sandigen Dunst. Der Staub der Wüste färbt den Sonnenuntergang heute gold-rosa. Es wirkt als würde ein elektrischer Dimmer langsam runtergedreht. Zwischen den Wolkenkratzern, die sich eckig, gedrechselt und spitz in den Himmel winden, ist das Stadtbild mit Baukränen verziert. Dubai putzt sich raus für die Expo 2020 und verziert die Skyline derzeit mit weiteren Prachtbauten. Bis dahin zieht vor allem das höchste Gebäude der Welt, der Burj Khalifa, der mit seiner Spitze in 828 Metern die Wolken kitzelt, die Blicke auf sich.

Beim Anblick der glitzernden Hochhausschluchten scheint die stille Wüstenwelt plötzlich wieder ganz weit weg. Was vom Ausflug ins Morgenland hier im Übermorgenland bleibt ist nur der knirschende Sand zwischen den Zähnen.

Die Redaktion wurde von sonnenklar.TV zu dieser Reise eingeladen.

(RP)
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