Die Renaissance des Wermut Von „Cin cin!” bis „Gin, Gin!”

Vor oder nach dem Essen ein Gläschen trinken – in Palma ist die Auswahl an Tresen riesig. In dieser Saison gesellt sich zu Cava und Gin jedoch ein Drink, den wir hierzulande schon gar nicht mehr auf dem Zettel haben: Wermut – eine (Wieder-)Entdeckung!

Die Renaissance des Wermut: Von „Cin cin!” bis „Gin, Gin!”
Foto: MallorcaGehtAus

Vor oder nach dem Essen ein Gläschen trinken — in Palma ist die Auswahl an Tresen riesig. In dieser Saison gesellt sich zu Cava und Gin jedoch ein Drink, den wir hierzulande schon gar nicht mehr auf dem Zettel haben: Wermut — eine (Wieder-)Entdeckung!

Aus Palma mit seinen vielen gastronomischen Einflüssen schwappt gelegentlich die eine oder andere Anregung auch mal nach Deutschland rüber — auch wenn man daheim mitunter zwei, drei Saisons darauf warten muss. Von der Art, Szenecafés lässig einzurichten, über preiswerte Mittagsmenüs in jungen Lokalen bis zu den ein, zwei Häppchen, die man zum Drink hingestellt bekommt (nein, keine öden Salzstangen), kann sich die deutsche Gastronomie jedenfalls immer noch ein Scheibchen abschneiden. Auch dass sich Gäste ihre Gerichte problemlos teilen dürfen und mehrere Gänge gleichzeitig auf den Tisch gestellt werden, haben wir hier erst so richtig kennen- und liebengelernt. Andere Trends, etwa die Vorliebe für Sushi-Bars, funktionieren parallel in den meisten europäischen Metropolen. Auch das internationale Gin-Fieber ist in Palma kaum abgeklungen, das Angebot an spannenden Marken weiterhin exorbitant. Nun ist es gerade ausgerechnet der Wermut, der eine ungeahnte Renaissance erfährt. Er wird in jeder Bar angeboten und — stellen Sie sich das mal in Deutschland vor — mitunter bereits mittags verkostet. Kulinarische Leitkultur, der wir uns auf der Insel gerne beugen!

 Vermutería La Rosa

Vermutería La Rosa

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Cin cin! Klingt das nicht ungeheuer retro? Ein Trinkspruch unserer Altvorderen, die in den stilsicheren Sixties mit Cocktailgläsern anstießen. Wir haben in den Bars und Bistros von Palma rote, weiße, trockene oder eher süße sowie stark würzig-ölig schmeckende Wermut-Eigenkreationen probiert. Wir haben aus handfesten Tumbler-Gläsern und niedlichen Cocktailgläschen aus den 1960ern getrunken, neben Eiswürfeln wurden uns Orangenscheiben und -zesten oder auch Oliven am Spieß ins Glas getaucht. Wie wir bei einigen Adressen aufgeregt feststellen konnten, machen sich Bartender und Küchenchef gemeinsam Gedanken darüber, welches Häppchen wohl am besten zum Wermut passt — dazu gleich mehr! Richtige Bars übrigens, das sei angemerkt, in denen man ausschließlich zum Trinken hochwertiger Spirituosen oder Schaumweine einkehrt, gibt es so in Palma kaum. Vielmehr verzichtet keine Bar auf eine Speisekarte, die mindestens adäquate kalte und warme Snacks und Tapas anbietet, häufig jedoch auch amtliche Tellergerichte. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass Sie so manche Adresse bereits von unseren Streifzügen durch die gehobenen Tapasbars Palmas kennen, zuletzt ausführlich in MALLORCA GEHT AUS! 2013/2014 dokumentiert.

 Bar Weyler

Bar Weyler

Foto: MallorcaGehtAus

Wir beginnen unsere wermutige Reise — die Cava, Craft Beer und Gin beileibe nicht ausspart — in einer Bar, die den neuen Trend zum Wermut-Aperitif gleich im Namen trägt: Die Vermutería La Rosa (Calle de la Rosa 5) ist der momentane absolute Hotspot in Palmas Innenstadt und darf auf keinem abendlichen Zug durch die Gemeinde fehlen. Etwas versteckt an der Plaça de Weyler, links neben der gleichnamigen Jugendstil-Ikone Gran Hotel Weyler gelegen, ist das L-förmige Lokal im vorderen, weiß gekachelten Bereich mehr eine Stehbar mit wenigen Sitzgelegenheiten. Vor Kopf liegt ein offener Showküchenbereich, in dem Bartender und Servicepersonal Drinks zubereiten, Snacks und kalte Teller anrichten. Altmodische Küchenwaagen, Industrielampen und große Martini-Leuchtreklamen vervollständigen das Bild.

 L'Antiquari

L'Antiquari

Foto: MallorcaGehtAus

Der längere L-Schenkel des Raumes ist sogar zweigeschossig; im Souterrain befindet sich ein oft ausgebuchtes Restaurant mit einer offenen Küche am Ende, aus der veritable Frituras, Sea-Food- und Fleischgerichte geschickt werden. Sehr ungewöhnlich finden wir zwei dicht beschriebene Seiten der Speisekarte, die "Conservas" von Firmen wie Los Peperetes, Cambados, Catrineta oder Angelachu gewidmet sind. Ach, gäbe es das doch in Deutschland auch, dass man eingedoste Muschel-, Tintenfisch-, Sardinen- oder Thunfischspezialitäten für wenig Geld (vier bis zehn Euro, nur die Navajas/Schwertmuscheln sind teurer) im Restaurant bestellen könnte. Hilfreich ist eine Abteilung der Karte, die sich ausdrücklich Häppchen zum Wermut widmet. Deren unbestrittener Star ist hier wie in anderen Wermutbars die liebliche Gilda: in der Schmalspurversion für 1,60 Euro ein Spießchen mit Sardelle, Peperoni und Olive, als Gilda La Rosa für 1,90 Euro zusätzlich mit eingelegter Sardelle und roter Paprika. Gilda zusammen mit Kartoffelchips und scharfer Salsa passt ganz wunderbar zu Wermut, von dem die Karte zwei Dutzend Sorten listet. Cinzano, Martini, Noilly Prat, Yzaguirre und La Quintinye, dazu aber auch Dos Deus, Golfo, El Bandarra, Muntaner und etliche andere (2,50 bis 4,80 Euro). Wir wollen gar nicht mehr weg hier!

 Bar Flexas

Bar Flexas

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Gleich gegenüber eröffnete ebenfalls erst vor Jahresfrist die sehr schöne Bar Weyler (Plaça Weyler 1). Die ist so, wie eine Bar sein soll: Tresen und einige Barhocker, drumherum Leere. Diese Leere jedoch erstklassig angereichert mit großformatigen, sehr erotischen Gemälden und guten Einfällen wie etwa dem, das Rückbüfett der Bar wie einen Taubenschlag oder einen Drahtverhau auf einem Dachboden zu gestalten. Die coolen jungen Bartender sind ausgezeichnete Vertreter ihrer Zunft, was beim Gin Tonic wie folgt belegt wird: Rosmarinzweige beziehungsweise Kardamomkapseln werden angekokelt. Der Fifty Pounds Gin, ein sehr guter London Dry, wird schwungvoll mit 1724 Tonic Water aufgegossen und mit dem Rosmarin geimpft (10,20 Euro), der Hayman's Old Tom Gin bekommt Fever Tree Tonic und Kardamom ins Glas (neun Euro). Und selbst wenn die Bar Weyler die eindeutigste Bar aller besuchten Locations war — Tapas gibt es auch hier. Wir hatten appetitliche Thunfisch-Sprossen-Häppchen im Weckgläschen zum Gin …

"Hacer und vermut"

Einmal im Wermutfieber, erleben wir auch solche profanen Adressen wie die beiden Markthallen neu. Was in den letzten beiden Jahren noch ein wenig schüchtern zelebriert wurde, ist nun ganz groß in Mode: in der Fischhalle am Schampusstand stehen und Austern schlürfen. Oder umgekehrt. Im Hauptmarkt Mercat de l'Olivar in der Innenstadt ist es mehr der Cava, im vollends durchgentrifizierten Mercat de Santa Catalina, wo man gern am Sushi-Stand des Arume-Restaurants sowie an den Tapas-Bars abhängt, darf es auch Wermut sein. Die Begeisterung geht so weit, dass besonders ab Samstagmittag der alten Festlandssitte "hacer un vermut" gehuldigt wird — was mitunter dazu führt, dass die Kombattanten um 14 Uhr den Rückzug ins Private antreten müssen.

Dennoch: Die Markthallen haben was. Wenn man den Drink (auch mittags) als Start in eine weitere kulinarische Episode (vulgo: Mittagessen) begreift, lohnt sich das Anlehnen am Bartresen der einfachen Fischbar Bar des Peix in der Hauptmarkthalle ebenso wie das Cava-Schlürfen am poshen Austernstand. Und dann geht's zwei Häuser weiter an den gedeckten Tisch.

Viel Gin am Paseo

Wir beobachten übrigens in Palma eine gewisse Clusterbildung. In manchen Planquadraten des Stadtplans knubbelt sich alles; manchmal sind es zwei, drei Locations nebeneinander, von denen man keine besonders herausgreifen mag, die in ihrer Gesamtheit aber als Anziehungspunkt wirken. Am Paseo de Mallorca sind die Bars etwas auseinandergezogen, unter anderem sind die Tresen der Hotels Saratoga (auf dem Dach: Blue Jazz Club, Paseo de Mallorca 6) und Jaume III (Paseo de Mallorca 14B) stets gut besucht. Immer voll ist auch die Ginbo Cocktail Bar (Paseo de Mallorca 14A) mit ihren über 60 Gin-Sorten und acht Tonics. Natürlich gibt es auch hier Tapas, um, wie es ein englischer Blog beschreibt, "to help limit the damage inflicted by the very good cocktails". Zwei ausgesprochene Spezialisten haben ebenfalls ihr Domizil am Paseo de Mallorca: In der Hausnummer 22A findet sich die Weinbar Espigolant, vi i teca des Kenners Pere Palou. Nicht nur 350 Weine — vornehmlich (bis 450 Euro teure) Riojas und Riberas sowie Tropfen aus den Kellern von Miquel Gelabert und etlichen weiteren mallorquinischen Winzern — erfreuen den Gast, auch die Häppchenkarte, die Palou zum Wermut empfiehlt. Natürlich ist wieder die Sardellen-Gilda im Spiel (1,50 Euro), außerdem Tomate mit Thunfischbauch, Ceviche von der Schwertmuschel (beide zehn Euro) und einige amtliche Pa amb olis.

Am Ende des Paseo de Mallorca (Hausnummer 34) residiert Rafa Martín in seinem Brassclub. Der Mann ist vielfach ausgezeichneter Cocktailmixer und Bartender, und sein Flaschenreich scheint unendlich. Sollten Sie zu den Barbesuchern gehören, die das Klischeebild vom konzentriert in sein Getränk starrenden Gast verfolgen — vergessen Sie's hier einfach. Ein Blick an die Decke, die von 3.000 hängenden Flaschen geformt wird, belehrt Sie eines Besseren. Auch wir haben so etwas noch nicht gesehen. "Signature Cocktails", also Drinks mit eigener Handschrift, sind die Paradedisziplin von Rafa Martín. Laura Pelardo, eine junge Frau aus seinem Team, ansonsten für die superben nonalkoholischen Cocktails zuständig, servierte zum Beispiel einmal eine Schöpfung namens "Josefine" aus mildem Gin der Marke Bloom, Kirschlikör, Heidelbeersaft und Holundersirup in einer Teetasse — mit der Begründung, der Cocktail sei so leicht, dass man ihn zu jeder Tageszeit trinken könne. Meister Martín, der ebenfalls dem Gin in allen Facetten huldigt, hat zum Balearentag Anfang März am Stand von Oli de Mallorca einen Mix aus Gin Xoriguer, Zitrone und Olivenöl kreiert. Ansonsten dürfen Sie hier spannende Drinks erwarten mit Namen wie Sóller Orange Spritz, Gin Fizz Brassclub Style mit Feigen oder Gin Fizz mit dem nordspanischen Schlehenlikör Patxarán und Orangen aus Sóller. Wow.

Ein weiterer Cluster findet sich am Beginn der Straße Sant Magí, gewissermaßen das Tor zum Nachtleben von Santa Catalina. Sicher ist die Bar Cuba (Sant Magí 1) eine Keimzelle des Viertels. Nach der Renovierung strahlt das 1904 erbaute Gebäude im Kolonial-Chic und hält als Hostal auch einige Zimmer bereit. Im Gastraum herrscht ein Mix aus Nachbarschaft, Szene und Touristen, durchaus auch Familien mit Kindern buchen gern den riesigen Gemeinschaftstisch in einer wohnzimmerartigen Ecke. Die Tapas-Karte listet deftige regionale Snacks, gern aus dem Fisch- und Sea-Food-Bereich, aber auch Fleischbällchen mit Mandelsauce oder Blutwurst mit Pinienkernen und Eigelb. Gute Drinks und Cocktails, anständige Wein- und Wermutauswahl! Stets gut gefüllt mit viel Betrieb auch vor der Tür, präsentiert sich die Havanna Bar gegenüber (Sant Magí 4), wo sich ein einheimisches Szene-Publikum trifft. Um die Ecke mögen wir sehr die Soho Bar neben dem Kaelum Club (Argentina 5), weil hier englische Mod-Ästhetik samt Sixties-Musik auf Retro-Videogames vom Schlage Sega, Nintendo, Atari oder Pong sowie alte Cordsofas und Op-Art-Tapeten treffen. Hier wird natürlich Gin getrunken! Unter 20 Sorten sollte die richtige dabei sein.

"Stierblut” aus Kanistern

Auch in der Altstadt innerhalb der Avenidas kommt es häufiger vor, dass zwei oder drei Bars günstig nebeneinanderliegen. Das gilt etwa für die Bar Carmen und das Weinlokal Lo Divino (Carmen 19 und 25, nahe der Ramblas) oder für die Gibson Bar und Bar Nicolas an der Plaça del Mercat. Wer sehr schwülstig unterwegs ist, wird aus dem touristischen Abaco (San Juan 1 Ecke Apuntador) gar nicht mehr weg wollen. In der Tat lautet das Motto hier "Mehr ist mehr", also gibt es Berge von Früchten und Blumen, Quadratkilometer an Wandtextilien, tonnenweise Lüster und Gemälde in schweren Rahmen, Kerzen zu Hunderten und natürlich eine Bar, die keinen Wunsch offen lässt. Uns ist das ein bisschen zu sehr over the top, was aber nicht heißt, dass wir uns etwa im nahe gelegenen Tast Club (Sant Jaume 6) nicht wohlfühlen würden. Im Gegenteil: Versteckt im Hinterhaus gelegen und nicht ausgeschildert, erwartet den Gast ein hochklassiges Ensemble aus wertig eingerichteten, salonähnlich gestalteten Gesellschaftsräumen, Speisezimmern, begehbaren Humidors und einer extrem großstädtischen Bar. Erstklassige Bartender mixen erstklassige Drinks und Cocktails, so lautet die Kurzformel — wir dürfen noch die ebenfalls erstklassigen Tapas erwähnen, die angesichts des wirklich teuer und stilvoll anmutenden Ambientes absolut korrekt bepreist sind. Wenige Schritte weiter empfehlen wir die völlig anders gestrickte Bar La Mirona (Sant Jaume 21). Der Laden ist neonhell, es stehen da schmucklose Regale, gefüllt mit Fischkonserven und Schraubgläsern voller Feinkostböhnchen und geschälter Kartöffelchen, die Betreiber sind sichtlich nicht erfreut, Gäste zu empfangen, sondern würden lieber auf der Couch sitzen und Telenovelas gucken — und doch gehört diese Adresse zu den guten, weil ungewöhnlichsten in Palma. Homemade Tapas ziehen ganze Gruppen schnabulierender Kenner an, der Wein wird aus Kanistern gezapft. Wir gehen immer noch in die Knie, wenn wir an den kräftigen tiefschwarzen Sang de Bou ("Stierblut") denken, und sicher ist der Wermut, der hier kredenzt wird, der härteste seiner Art in der ganzen Stadt. Irgendwas zwischen Noblesse und Glühwein, aber toll!

Bevor wir zu den ungewöhnlichen Adressen innerhalb der Avenidas zurückkehren: Auch nah am Wasser, sei es in Palma in Höhe der Börse La Lonja oder in Portixol und Es Molinar, den westlichen Vororten mit ihren Häfen und Strandpromenaden, gibt es ordentliche Bars, die vor und nach dem Dinner gut frequentiert sind. Wir mögen zum Beispiel das renovierte und umgestaltete Fischrestaurant Pesquero (Paseo Marítimo, Moll de la Llonja s/n), eins der Lieblingslokale der englischen Inselpresse. Zu den Gin-Sorten, die hier ausgeschenkt werden, gehören auch menorquinische und katalanische, es hapert allerdings an einem Profi-Bartender. Trotzdem: toller Hafenblick! Den hat man auch, besucht man die schicke neue Marina Moll Vell mit dem Gebäude, das aussieht wie ein Schiff. Zur beliebten Brasserie Mar de Nudos (Moll Vell 6) gehört auch eine coole Bar im ersten Stock — wir waren allerdings zu früh im Jahr dort; der große Run setzt erst später ein. In Portixol reihen sich Bars wie Es Vaixell, Yam und das zweistöckige Cocco an einer malerischen Bucht aneinander. Der Tapas Club (Joaquin Fuster 67), das vollständig verglaste Ecklokal, markiert bereits den Übergang zum ehemaligen Fischerdorf Es Molinar. Wie der Name subtil andeutet, werden hier appetitliche Häppchen von leckeren Albondigas in Tomatensauce (4,50 Euro) bis zu frittierten Chipirones (7,90 Euro) gereicht. Der Blick geht aufs Meer, der Rosé-Cava schmeckt prima, die Sonne färbt sich langsam rot, und zum Wermut sagt man auch nicht lange Nein. Sehr sommerlich hier!

Craft-Bier und Craft-Wermut

Doch zurück in die Altstadt. Schließen wir mit einigen ungewöhnlichen Adressen. Wenige Meter von der Gaudeix Bodega (Can Sales 2) mit ihrem verblüffenden Weinangebot, einer sehr großen Gin-Auswahl und deftiger regionaler Kneipenkost entfernt, versinkt man im Atlantico Café (Sant Feliu 12) in fünf Jahrzehnten Popkultur. Ursprünglich von einem Ex-Marine gegründet, ist das Lokal seit 1997 eine Cocktailbar, in der ziemlich abgefahrene Drinks auf Gin- und Tequilabasis gemixt werden. Hibiscus Dream, Myotragus Balearicus, Labios Calientes oder A Night in Palma heißen einige der Kreationen, aber man bekommt hier auch sehr gute Biersorten und aus aller Spirituosen Welt. Gute, manchmal lautere Rockmusik und in Jahrhunderten vollgekritzelte Wände von internationalen Gästen — sicher einer der Heimathäfen Palmas, den man dringend anlaufen sollte. Apropos Pop-, sprich: Gegenkultur. Da wäre L'Antiquari (Arabí 5) zu nennen, ein typisches Alternativcafé wie aus den späten 70ern mit vollplakatierten Wänden, wo auf eher linke Kulturveranstaltungen hingewiesen wird. Auf der Speise- und Getränkekarte: mallorquinische Craft-Biere, studentische Weine, Croques, Pa amb olis, Quiches und Tapas, also alles wie früher. Ziemlich gute mallorquinische Craft-Biere wie Xeixa und Forestera gibt es auch im Espai Xocolat (Font i Monteros 18) im Norden der Altstadt. Im vorderen Bereich ist dies ein Schallplattenladen, weshalb sich hier natürlich jeder Nerd wohlfühlt, im hinteren ein eher schmuckloser Gastraum, der aber gut frequentiert ist und einen guten Start ins Nighlife garantiert. Angefeuert wird man von Fotos von amerikanischen Jazz- und Boxlegenden wie Joe Louis, Jack Dempsey, Dexter Gordon und Chet Baker.

Finale

Im Altstadtviertel Sindicat, wo sich um die Keimzelle Quina Creu (Corderia 24) etliche Bars scharen, ist die Bar Flexas (Llotgeta 12) genau unser Ding: Die wird zwar im Juli auch schon zwölf Jahre alt, strahlt aber so einen entspannten Transgender-Hipster-Charme aus, dass man sich sofort zu Hause fühlt. Bei der Einrichtung hat man eher darauf geachtet, möglichst viel wegzulassen — Fliesenboden, Putzwände, Kacheln, komische Lampen an schlangenlangen Röhren, minimalistische Bistrostühle und -tische, fertig. Der ursprüngliche Windfang, mutmaßlich aus den 1920er-Jahren, wird nun als offene Küche genutzt, es gibt eine kleine Snack- und Burger-Karte, betont mallorquinische Weine sowie ungewöhnliche Wermuts, die mit dem Wörtchen "artesanal" (handwerklich gemacht) ausgezeichnet sind. Sie werden in altmodischen Cocktailgläschen aus den 60ern zusammen mit Orangen-Oliven-Spießchen serviert. An der kahlen Wand prangt eine riesige rote "Paris"-Leuchtreklame. Die Bedienung, Männlein wie Weiblein, trägt merkwürdige Fledermaus-Umhänge, die wie offene Krankenhauskittel aus Jeansstoff aussehen, und eigentlich ist das genau die Bar, in der wir unsere kleine Rundreise durch Palmas Wermut-Hotspots beenden wollen.

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