Corona-Pandemie Mallorca zwischen Hoffen und Bangen

Palma de Mallorca · Mallorca gilt derzeit nicht als Corona-Risikogebiet. Die Flieger auf die Insel sind voll. Doch wie sieht es vor Ort aus? Die Folgen der Krise sind vielerorts sichtbar. Unser Autor hat sich auf der Lieblingsinsel der Deutschen umgehört.

 Ein Arbeiter reinigt die Terrasse des Hotels Riu Festival in Palma de Mallorca. (Archiv)

Ein Arbeiter reinigt die Terrasse des Hotels Riu Festival in Palma de Mallorca. (Archiv)

Foto: dpa/Clara Margais

In der Sonne über 20 Grad, blauer Himmel, vom Meer eine sanfte Brise, vor sich ein Glas Weißwein, auf dem Teller ein paar Tapas - die ersten Touristen, nach vielen Monaten des Lockdowns gerade angekommen, genießen das, was sie gern als Mallorca-Feeling beschreiben. Aber die Stimmung ist keinesfalls entspannt, es herrscht ein Mix aus froher Erwartung, Hoffnung und Angst vor einem erneuten Rückschlag. Daher blickt der Deutschen liebste Ferieninsel derzeit wie gebannt auf Zahlenreihen. Denn sie entscheiden darüber, wie es weitergeht mit Mallorca, wo mehr als zwei Drittel der Menschen direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig sind.

Die wichtigste Ziffer schildert den medizinischen Zustand der Insel. Ein Inzidenzwert von durchschnittlich 21 wurde zuletzt errechnet, mehr als 50 Kommunen zwischen Formentor im Norden und Palma im Süden haben seit vielen Tagen einen Wert von Null. Konsequenterweise wurde die Insel aus deutscher Sicht herabgestuft – sie ist kein Risikogebiet mehr. Umgekehrt ist das anders – für die Balearen sind Touristen aus Deutschland womöglich gefährlich, denn die Werte hier sind viel höher. Also müssen Einreisende einen negativen Corona-Test vorweisen, der nicht älter als 72 Stunden ist.

Die andere Zahlenreihe ist die der Anzeigetafel am Flughafen. Dort wurden an einem Tag dieser Woche unter „Arrivals“ 24 Flüge aufgelistet – für den ganzen Tag. Normalerweise landen dort so viele Jets in einer Stunde oder weniger, aber in diesen Tagen kurz vor Ostern des Jahres 2021 ist auf der Insel nichts normal.

Schon bei der Einreise ist die Lage gespenstisch, erzählt Cornelia Natus (52). Die Münchnerin, seit Jahren immer wieder auf der Insel, ist gestern mit einer Freundin angereist – und sah das gänzlich ungewohnte Bild eines einzigen, einsam kreisenden Gepäckbandes, wo zu anderen Zeiten Tausende ihre Koffer von Dutzenden Bändern wuchten.

Sonst – Leere. Wo es sich früher drängelte, nichts los. Natürlich wie erwartet, dennoch bedrückend.

Aber Natus – im ausgebuchten Flieger angereist – fühlte sich bei der Ankunft professionell betreut. Der in Deutschland absolvierte Corona-Test (nicht älter als 72 Stunden) wurde kontrolliert, per Sensoren-Technik die Temperatur gecheckt, um eventuelle Fieberfälle zu entdecken. Alles sehr diszipliniert, auch weil wenig Andrang.

Das wird sich nun aber schnell ändern. Eurowings hat angekündigt, über Ostern 300 zusätzliche Flüge aus Deutschland auf die Balearen anzubieten, die Buchungen laufen bereits, obwohl die Preise– noch – vergleichsweise hoch sind. Vorbei die Zeiten von unter 100 Euro für hin-und-zurück, derzeit ist man one way mit ein paar hundert Euro dabei. Aber das schreckt die Leute nicht, die Buchungen gingen am Tag der Herabstufung der Insel vom Risiko-Gebiet in den Normalzustand steil nach oben.

Rainer Lieverscheidt, der seit vier Jahren sein kleines Finca-Hotel Sa Fuente mit fünf Zimmern nahe Felanitx betreibt, hat es live erlebt. „Bei uns gingen an diesem Tag ab dem frühen Morgen Schlag auf Schlag die Anfragen ein, über Ostern sind wir ausgebucht!“

Er hat, wie andere Gastronomen auch, eine harte Zeit hinter sich. Seit Monaten kein Gast, und so musste der Musiker, Koch und Lebensmittelfachmann neue Einnahmequellen finden. Er bot Grillkurse an und verdingte sich als Koch in privaten Haushalten, als das noch erlaubt war. „Einmal habe ich für einen Kölner Kaufmann und seine Freunde gekocht, der hatte sich gerade für 16 Millionen eine Finca gekauft und hat das gefeiert.“

So was war zwar zuletzt nicht mehr gestattet, die Spanier mussten mit strengen Regeln leben – Kochkurse, private Besuche, Restaurants, Bars, alles eingeschränkt oder ganz geschlossen und verboten. Selbst jetzt gilt nach wie vor überall Maskenpflicht, sogar bei Strandspaziergängen.

Jörg Klausmann, aus dem Süd-Schwarzwald vor 21 Jahren auf die Insel gekommen, hat mit allen Mitteln gekämpft, nachdem er sein Restaurant Mirador de Cabrera bei Santanyi schließen musste. Auch er bot an, anderen das Kochen beizubringen, weitete sein Cateringangebot aus. Aber als alles noch strenger beschränkt wurde, verlor auch er die Hoffnung, es schaffen zu können. Nun jedoch sieht er Licht. Er darf seine Terrasse öffnen, jedenfalls tagsüber, und nächste Woche auch drinnen Gäste bedienen. Aber nur an 30 Prozent der möglichen Plätze. Für ihn ein Unding – dafür müsste er noch mehr Personal aus der spanischen Variante der Kurzarbeit holen, und deren Lohn würde die Einnahmen mehr als auffressen. Fazit: Lohnt sich nicht.

Dennoch wird er es machen – aus psychologischen Gründen. Um zu zeigen, dass er noch da ist, und um aus der gedrückten Stimmung zu entrinnen, seinen Leuten eine Perspektive zu geben in der allgemeinen Niedergeschlagenheit.

Die ist auch in der Hauptstadt Palma zu spüren. Jörg Schnorrenberger, Kaufmann aus Düsseldorf, reist regelmäßig auf die Insel und war vor wenigen Tagen in Palma. In der Altstadt sah der Immobilienexperte die Folgen der Pandemie: Jeder zweite Laden weg, für immer. Schnorrenberger: „Das zu sehen ist schon sehr spooky!“

Mit diesem harmlos klingenden Wort ist die Lage auch in anderen Orten gut beschrieben. Beispiel Cala Millor. Der Ort, komplett auf Touristen ausgerichtet, wurde schon im vorigen Frühjahr zur Geisterstadt: alle Läden geschlossen, die Hotels auch, und an der Front der von innen mit weißer Farbe zugetünchten Schaufenster entlang zu gehen ist wie in einem beklemmenden Film. Nun, wo es erste Lockerungen gibt und wieder Gäste kommen, nun wird sich zeigen, wer das Corona-Jahr geschäftlich überstanden hat, und wer nicht.

Jedenfalls ist die Not mit Händen greifbar. An den Ausgabestellen für Gratislebensmittel, wo vor Corona ein paar wenige Menschen standen, bilden sich heute lange Schlangen. An den Supermärkten betteln alte Menschen die Kunden an, ihnen nach dem Einkauf die Pfandmünze für den Einkaufswagen zu überlassen.

Klaus Menz (76), Kaufmann aus Bad Aibling in Bayern und seit vielen Jahren Mallorca-Reisender, bestätigt diese Eindrücke. Mit seiner Frau Monika ist der dem Lockdown im nasskalten Deutschland entflohen, und genießt die milden Temperaturen. Aber die vielen leeren Restaurants zu sehen und die für immer geschlossenen Geschäfte machen ihn traurig, wie er sagt.

Eine völlig andere Folge der Pandemie erlebt dagegen Florian Hofer, Geschäftsführer der Maklerfirma Engel & Völkers Balearen: „Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie entdecken immer mehr Interessenten die Möglichkeit des Home-Office auf Mallorca für sich und planen längere Aufenthalte. Da es sehr gute Internetversorgung gibt, ist dies auf der Insel möglich."

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