Italien Wo Käse beim Sex entsteht

Wohl in keiner anderen italienischen Region wurden so viele verschiedene kulinarische oder einfach leckere Spezialitäten erfunden wie im Piemont. Gönnen Sie sich eine kurze Lese-Reise zu sechs süßen und salzigen, flüssigen und trockenen, käsigen und fleischigen Köstlichkeiten sowie zu einem überraschenden Duft.

Tatsächlich stammt der Asti Spumante aus der wunderbaren Landschaft des Piemont mit seinen vielen Weingärten.

Tatsächlich stammt der Asti Spumante aus der wunderbaren Landschaft des Piemont mit seinen vielen Weingärten.

Foto: Getty Images/iStockphoto/clodio

Am Anfang war die Piemont-Kirsche. Jedenfalls ab 1957 für viele Deutsche, die Italien als Urlaubsziel entdecken wollten – am liebsten im Cabrio. So wie später Claudia Bertani, die stets luftig gekleidete Qualitäts-Kontrolleurin, die bei den muskelbepackten Pflückern jedes Jahr wieder checkte – ja, was eigentlich? Die Süße? Die Rotwangigkeit oder die Größe der Kirschen, die später zur Schoko-Praline „Mon Cherie“ verarbeitet werden sollen? Ein genialer Marketing-Gag der Firma Ferrero – sowohl die Dame als auch die Piemont-Kirsche. Letztere gibt es zwar als eingetragene Marke, nicht aber als Obstsorte. Denn viele Piemont-Kirschen werden im mittelbadischen Mösbach gepflückt. Oder in Polen oder Chile. Und machen gerade mal etwa 20 Prozent einer Mon Cherie-Praline aus. Der Rest sind Schokolade, Kakaobutter und Branntwein.

Die Piemont-Kirsche ist eine Mogelpackung von Marketing-Leuten.

Die Piemont-Kirsche ist eine Mogelpackung von Marketing-Leuten.

Foto: Getty Images/iStockphoto/ZLLRBRT

Keine piemontesische Mogelpackung ist Asti Spumante – ebenfalls ziemlich süß und Ursache so manchen Dickschädels – nach reichlichem Genuss dieses Schaumweines. 1865 Produzierte Carlo Gancia den ersten Asti Spumante, nachdem er in Reims gelernt hatte, wie man Champagner herstellt. Allerdings versuchte Gancia es mit einer Schampus-Sparversion mit nur einem alkoholischen Gär-Vorgang, nicht zweien wie beim Champagner. Benannt ist Asti nach der gleichnamigen Stadt im südlichen Piemont.

Grissini, die fingerdünnen, etwa 30 Zentimeter langen Brotstangen haben ihren Namen vermutlich vom piemontesischen Wort ghersìn, ghersa für „Reihe“. Woher genau die mürben Appetithäppchen im Piemont stammen, ist unklar. Einer Legende zufolge soll der Bäcker Antonio Brunero sie erstmals 1675 für den Herzog Vittorio Amadeo II von Savoyen erfunden haben – als Medizin, denn der blaublütige Adlige soll Verdauungsprobleme gehabt haben. Die traditio­nellen, vor allem in Turin gereichten Grissini sind an ihrer typischen verdrehten Form zu erkennen.

 Grissini stammen angeblich aus dem 16. Jahrhundert.

Grissini stammen angeblich aus dem 16. Jahrhundert.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Anna Chaplygina

Der trockene Rotwein Barolo hat seinen Namen von der piemontesischen Stadt etwa 15 Kilometer südlich von Alba. Er wird ausschließlich aus Nebbiolo-Trauben hergestellt, die nur aus elf Regionen der Barolo-Gegend stammen dürfen. Sie reifen spät, was im 18. Jahrhundert zunächst dazu führte, dass die alkoholische Gärung in den kalten Wintermonaten unterbrochen wurde und der Barolo nicht komplett durchgegoren war. Dieses Problem löste der französische Önologe Louis Oudart. Er ließ neue, unterirdische Weinkeller bauen, in denen gleichbleibende Temperaturen herrschen. So entstand der Barolo als trocken ausgebauter Rotwein und kam schon bald in Turin und im Haus Savoyen in Mode.

Beim Gorgonzola sind sich die Käse-Historiker nicht einig, ob er im 9. Jahrhundert nun in der Lombardei oder im Piemont erfunden wurde. Aber die Geschichte seiner ersten Herstellung, die wird fast überall so erzählt: Ein Senner bekam während des abendlichen Melkens Besuch von einer verführerischen Magd. Die beiden trieben es leidenschaftlich und unersättlich bis zum frühen Morgen, sodass der Melker todmüde die frische, morgens gemolkene Milch mit der geronnenen des Vorabends zusammenschüttete. Daraus entstand angeblich ein neuer Käse, den Freunde des Melkers „Stracchino di Gorgonzola“ nannten, den Müden von Gorgonzola – in Anspielung auf den Zustand ihres liebestollen Freundes.

 Der Blauschimmelkäse Gorgonzola könnte auch in der Lombardei erfunden worden sein. Es heißt, er sei nach einer liebestollen Nacht entstanden.

Der Blauschimmelkäse Gorgonzola könnte auch in der Lombardei erfunden worden sein. Es heißt, er sei nach einer liebestollen Nacht entstanden.

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Konditor Pietro Ferrero hatte 1940 die Idee zu Nutella, allerdings unter anderem Namen: Er mischte einen Brotaufstrich auf Nugat-Basis zusammen und nannte ihn folgerichtig „Pasta gianduja“ – nach dem italienischen Wort für Nugat. 1951, mit veränderter Rezeptur, nannte Hersteller Ferrero die braune Masse Supercrema gianduja. Aber nur bis 1962, denn nun verbot ein italienisches Gesetz alle Markennamen, die das Wort „Super“ enthielten. Der neue und bis heute weltweit bekannte Name: Nutella, eine Zusammensetzung aus dem englischen „Nut“ (Nuss) und der italienischen Verkleinerung „ella“. Das erste Glas mit diesem Namen lief am 20. April 1964 vom Band.

Der Brotaufstrich „Pasta gianduja“ des Konditors Pietro Ferrero ist heute unter dem Namen „Nutella“ weltbekannt.

Der Brotaufstrich „Pasta gianduja“ des Konditors Pietro Ferrero ist heute unter dem Namen „Nutella“ weltbekannt.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Wirestock

Und dann ist da noch dieses Parfüm: „… wie ein italienischer Frühlingsmorgen nach dem Regen – Orangen, Pampelmusen, Citronen, Bergamotte, Cedrat. Limette und die Blüten und Kräuter meiner Heimat.“ So schwärmte Gio­vanni Maria Farina 1708 über einen neuen Duft: „Er erfrischt mich, stärkt meine Sinne und Phantasie.“ Was der Mann aus Santa Maria Maggiore in einem Brief an seinen Bruder so blumig beschrieb, nannte er „Acqua mirabilis“ – Wunderwasser. Gio­vanni Maria Farina wanderte auf der Suche nach Arbeit aus dem armen Val Vigezzo aus und nannte sein Duftwässerchen bald darauf zu Ehren seiner neuen Wahlheimat „Eau de Cologne“ – „Kölnisch Wasser“.

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