London Kronjuwelen glänzen wieder

London · Für das diamantene Thronjubiläum der Queen wurden die Kronjuwelen neu präsentiert. Frisch poliert erzählen die Schmuckstücke im Londoner Tower von 1000 Jahren Monarchie. Auf Rollbändern fahren Besucher an den Kronen vorbei – es fehlt die Zeit, um Tausende von Diamanten zu zählen.

2868 Diamanten, 17 Saphire, elf Smaragde, 269 Perlen und vier Rubine schmücken die Imperial State Crown. Zu den Diamanten zählt der Cullinan II, auch bekannt als "Second Star of Africa" und mit 317 Karat einer der größten Diamanten der Welt. Mindestens zwei Ohrringe von Elizabeth I., die von 1558 bis 1603 regierte, weitere von Maria Stuart und Katharina von Medici sowie ein Saphir, der im 11. Jahrhundert König Edward dem Bekenner gehört haben, machen die Krone historisch bedeutsam.

Kein Zweifel: Dies ist kein Accessoire für jeden Tag, und es wäre ärgerlich, es zu verlieren. Dennoch ist dies die Krone, die am häufigsten den Hochsicherheitstrakt verlässt, in dem die Besucher der Schatzkammer im Tower – immerhin zweieinhalb Millionen pro Jahr – auf zwei Rollbändern an den Kronjuwelen vorbeigefahren werden. Denn sie ist die Dienstkrone der Königin. Wann immer Elizabeth II. das Parlament eröffnet, steht zwischen funkelnden Diademen und juwelenbesetzten Schwertern in einer leeren Vitrine ein kleines Schild mit den Worten "in use".

Obwohl dieses Exponat recht häufig in Gebrauch ist, sind seine Abwesenheiten anders als die der Coronation Crown, die nur zur Krönung eines Monarchen den Tower verlässt, berechenbar. Denn die Königin darf sich nicht in der Schatzkammer bedienen, wenn sie einen Theaterbesuch plant. "Jedes Stück hat eine klar definierte Bestimmung", erläutert Steve Sullivan, der als Deputy Chief Exhibitor die Ausstellung der Juwelen betreut. Private Zwecke zählen nicht dazu. Die Kronjuwelen gehören nicht der Monarchin, sondern der Nation. Und so liegen Zepter, Reichsäpfel und Krönungsutensilien nicht im Schrank der Königin herum, sondern im Upper Wakefield Tower. Dort bilden sie eine der meistbesuchten Attraktionen Englands.

Die Schätze sind auf drei Paläste im Londoner Raum aufgeteilt: Kensington Palace beherbergt die mehr als 10 000 Kleider umfassende Royal Dress Collection, der außerhalb gelegene Palast Hampton Court eine Sammlung kostbarer Wandteppiche, der Tower bewahrt seit 1303 neben der Waffensammlung die Kronjuwelen. "Es ist der sicherste Ort, den es für die Sammlung geben kann", sagt Steve Sullivan.

Die Statistik stützt Sullivans These: Seit die Juwelen 1661 nach Bürgerkrieg und Cromwell-Regime dorthin zurückgebracht wurden (oder vielmehr das, was von ihnen übrig war, denn während dieser aus Sicht des Hofs recht unseligen Episode wurde ein Großteil eingeschmolzen oder verkauft), hat es nur einen Diebstahlversuch gegeben. Und der liegt immerhin schon 341 Jahre zurück.

Zum 60. Thronjubiläum Elizabeths II. hat man die Ausstellung aufpoliert und um eine audiovisuelle Präsentation ergänzt. 2,5 Millionen Pfund hat die Renovierung gekostet, die sich nur aus Spenden und Sponsorengeldern finanziert hat. Ein restaurierter Film, der die Krönung Elizabeths am 2. Juni 1953 zeigt, füllt nun eine ganze Wand. Laut erschallen Krönungschoräle und die feierlichen Worte des Erzbischofs von Canterbury.

Auf diesen Bildern trägt die junge Elizabeth, deren Vater und Amtsvorgänger schon 16 Monate zuvor gestorben war, die St. Edward's-Krone. Sie wurde 1661 nach elf königslosen Jahren für die Krönung des aus dem Exil heimgekehrten Charles II. aus massivem Gold hergestellt und wird seither bei jeder Inthronisierung verwendet.

In den vergangenen 60 Jahren haben nur drei Menschen die über zwei Kilogramm schwere St. Edward's-Krone berührt: die heutige Königin, der Erzbischof und danach nurmehr der Hofjuwelier, der das Stück ein Mal im Jahr liebevoll von Staubpartikeln befreit. "Sie ist nicht die wertvollste Krone der Sammlung, aber als Symbol königlicher Autorität die wichtigste", präzisiert Sullivan. Denn sie wird ausschließlich für den letzten Teil der Krönungsmesse verwendet: den Moment der Krönung. Ist die Transformation zum Monarchen vollzogen, greift der neuerlich zur Dienstkrone; die St. Edward's-Krone wird verstaut und in den Tower zurückgebracht.

Am Ende der Reihe ruht die Krone der 2002 im Alter von 101 Jahren gestorbenen Queen Mum. Diese zierliche Krone, die ebenso zur Körpergröße der Trägerin wie zu ihrer nachgeordneten Position als angeheiratete Königin passt, schmücken dennoch immerhin 2800 Diamanten, darunter der Koh-i-Nûr, ein funkelndes Beutestück aus Indien.

Die etwas angejahrten Kästen und Koffer, in denen die Krönungsutensilien zwischen Tower und Westminster Abbey hin- und herreisen, sind erstmals ebenfalls zu sehen. Zu ihnen zählt die Schatulle für den 1661 gefertigten Adler, aus dessen Schnabel während der Krönung geweihtes Öl tropft, sowie für den aus dem Jahr 1199 stammenden Löffel, der dieses Öl auffängt, bevor es auf Hände, Brust und Kopf des neuen Monarchen getupft wird.

Wiewohl die Frauen des Hauses Windsor als langlebig gelten, ist der nächste Einsatz der St. Edward's-Krone in der Westminster Abbey absehbar. "Sie und ich werden es erleben", verspricht Steve Sullivan und begeht damit keinen Hochverrat. Er wirft einen Blick auf das Porträt seiner Königin als junge Frau. "Nicht viele Leute machen ihre Arbeit so lange und so gut."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort