Städtereisen Bologna Kochkurs bei La Mamma

Tortellone um die Finger wickeln, leckere Füllung anrühren, gemeinsam essen - in Bologna lernen Besucher, wie man leckere Pasta selbst macht und sind mittendrin im Familienleben.

 Die Fischhandlung Brunelli liegt in dem Viertel Bolognas, in dem üblicherweise viele Zutaten für die Kochkurse gekauft werden.

Die Fischhandlung Brunelli liegt in dem Viertel Bolognas, in dem üblicherweise viele Zutaten für die Kochkurse gekauft werden.

Foto: Stephan Brünjes

Man nehme: Eine resolute Köchin, die plüschige Wohnung ihrer Mutter, zwei Eier und einen Mehlhaufen - und schon kann's losgehen. Mehl und Eier zu Teig vermanschen und dann kneten, walken, rollen - minutenlang. Diese Teig-Massage muss Köchin Luisa Mambelli erst mal in Gang bringen, zu Beginn ihres Kurses, dann bleibt genug Zeit für Vorstellungsrunden (fünf Teilnehmer aus Deutschland) und die Menüfolge (heute Tortellone, gefolgt von Tagliatelle).

Die 57-Jährige beobachtet ihre Pasta-Praktikanten durch eine helle, große Brille, die ihre flinken, wachen Augen lupenartig vergrößert. "Va bene!" und "brava" ruft sie lobend über den Tisch im kleinen Esszimmer oder korrigierend schon mal "troppo", wenn Rolf aus Kassel zu viel Mehl beigestreut hat. Lässig mit Espressotasse in ihrer Coaching-Zone stehend, knetet Luisa ihren Teigklumpen einhändig zu einer gleichmäßigen, elastischen Masse, während wir beidhändig-ungelenk faustgroße, lehmige Klopse fabrizieren.

Aber genau darum sind wir hier, um zu lernen, wie's richtig geht. "Homefood" heißt die Kochschule, was ein wenig nach Essen auf Rädern klingt, aber eine der schönsten Gelegenheiten ist, für ein paar Stunden tief ins italienische Leben mitsamt Familie einzutauchen. Gibt's in ganz Italien, organisiert von sogenannten Cesarinen. So hießen früher allgewaltige Hauswirtschafterinnen mit 360 Grad-Aufgaben von Kinder bis Küche. Luisa ist zwar Verlagskauffrau, hätte aber vor 100 Jahren eine propere Cesarine abgegeben.

Seit zwölf Jahren kommen nun schon Amerikaner, Japaner, Deutsche, Niederländer, Spanier zu ihr in den grünen, hügeligen Vorort Bolognas - der Stadt mit dem Beinamen "Italiens Bauch", weil es dort so unendlich viel Pasta, Schinken, Käse und Fisch in den kleinen Läden rund um die Piazza Maggiore gibt. Die Verständigung im Kochkurs? Eine Prise Küchen-Englisch spricht Luisa, der Rest klappt mit Händen und Füßen, international geläufigen Italienisch-Brocken und gelegentlich per Finger in Mehlstaub geschriebenen Mengenangaben.

Jeder ritzt nun nach Ansage ein Kreuz in seinen Teigklumpen. "Hab ich von meiner Oma gelernt", sagt Luisa. "So haben die Leute in schlechten Zeiten dafür gedankt, dass sie zu essen hatten." Während der Teig zehn Minuten luftdicht abgeschlossen unter einer Schüssel zieht, lernen wir fix den Unterschied zwischen Tortellini (klein, mit Fleischfüllung) und Tortellone (größer, mit Käse drin).

Für letztere rühren wir nun nebenan in der Küche Spinat, Ricotta und Parmesan zusammen, dirigiert von Luisa, die dabei ein Freejazz-Konzert gibt aus zuklappenden Schubladen, auf Tellerränder niedersausenden Löffeln und in Schüsseln mixenden Gabeln. "Eigentlich viel zu schade als Pastafüllung", raunt Uta aus Köln und nascht einen Zeigefinger voll davon, bevor auch sie schon wieder rüber ins Esszimmer muss, Hand anlegen ans Matterello, ein etwa ein Meter breites Nudelholz. Damit sollen wir unseren Teigklumpen nun in eine ebene, hauchdünne Teig-Piazza verwandeln - was vereinzelt gelingt, vielfach aber nach missglückten Nudelholz-Walzfahrten aussieht. Doch Luisa hilft gütig mit Mehlpflastern, flickt und bügelt die Teigfetzen so lange, bis sie sich überall wie Haut ums Matterello legen und bei sachter Drehung "flap-flap" auf dem Tisch machen.

Zwischendurch bleibt genügend Zeit für einen Plausch. Zum Beispiel über die Stiche mit alten Landkarten von Neapel, Sizilien und Bologna, die im Esszimmer von Luisas Mutter an der Wand hängen. "Stationen der Familie, da haben wir überall gelebt", erklärt Luisa und ihre 85-jährige Mutter erzählt mit Blick auf ein klingelndes Handy, sie erinnere sich noch genau, wie sie im sizilianischen Catania - so etwa 1949 - das erste Festnetz-Telefonat ihres Lebens geführt habe. So taucht man beim Kochen ganz nebenbei ein in etwas italienische Familiengeschichte.

Dann wird's geometrisch: Wir teilen den Teig mit einer welligen Spezialrolle in viele Quadrate, um anschließend jedes einzelne mit einem Klacks Spinat-Ricotta-Masse zu füllen, zum Dreieck zu schließen und um den Zeigefinger zu legen. Der Bauchnabel der römischen Göttin Venus soll Vorbild gewesen sein bei der Erfindung dieser Tortellone-Form. Jetzt aus dem Restteig noch rasch Tagliatelle schneiden, also lange, etwa ein Zentimeter breite Streifen. Erleichterung macht sich breit auf einigen Gesichtern: "Das kann ja nicht so schwer sein", ist da abzulesen. Nein, keineswegs, aber Grundschulnote zwei in Handarbeit ist schon von Vorteil, denn Luisa lässt uns die von der Hand wie akkurat gekämmte Haare herunterhängende Nudeln nun zu formschönen Pasta-Nestern zusammendrehen. Soll ja schließlich nett aussehen gleich auf dem Teller. Das Ragu, die Sauce zu den Tagliatelle, hat Luisa dankenswerterweise schon vorbereitet.

Ihre Mutter verwandelt den eben noch mehlverstaubten Esstisch in eine gediegene Tafel, und im Nu genießt der Kurs seine beiden Pasta-Gänge - sichtlich stolz.

(RP)
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