Jamaika Karibische Farbenlehre

Alle reden in Deutschland über die geplatzte Jamaika- Koalition. Doch selbst auf der Karibikinsel gibt es nicht nur Anhänger der Landesfarben.

 Jamaika gilt als Traumziel in der Karibik (Symbolbild).

Jamaika gilt als Traumziel in der Karibik (Symbolbild).

Foto: Ram Malis

Tropengrün, Reggae-Rhythmen, Sonnenschein und ein paar selig lächelnde Insulaner mit Dreadlocks. Ganz ohne Zweifel: Eine Marihuana-Fahne liegt in der Luft. Das Rastafari Indigenous Village könnte dem Klischee vom tiefenentspannten Jamaika kaum mehr entsprechen. Ganz so wie das nahe der Strandmetropole Montego Bay gelegene Dorf im Dschungel haben sich Karibikurlauber Bob Marleys Inselparadies immer vorgestellt.

"Unsere wahren Farben sind allerdings Rot, Gelb und Grün", sagt der junge Mann mit Rastamähne zur Begrüßung. "Wir sind keine Jamaikaner. Wir sind Afrikaner." Über der Rastafari-Kommune flattert nicht die Flagge der Karibikinsel im lauen Tropenwind, sondern eine Fahne in Rot-Gelb-Grün - die Nationalfarben Äthiopiens, mit einem Löwen in der Mitte.

"Die Farben Äthiopiens stehen für unsere Verbindung zu Afrika", klärt First Man - so der Name des Rastamanns mit den Dreadlocks - Besucher seines Dorfs auf. "Rot steht für das Blut aller Lebewesen, Gelb für die Sonne und Grün für das Leben insgesamt."

Seinen bürgerlichen Namen hat First Man abgelegt. Für den Rastafari spielt er keine Rolle mehr. "Mein neuer Name erinnert mich daran, dass ich jeden Tag neu lebe - wie der erste Mensch überhaupt." Rastafari verehren Äthiopien als Wiege der Menschheit und Afrika als spirituelle Heimat. Viele Anhänger der in den 1930er Jahren auf Jamaika geborenen Glaubensbewegung sehen im ehemaligen äthiopischen Kaiser Haile Selassie ihren Messias, der Äthiopien von der Demütigung des Kolonialismus befreite. Während fast alle anderen Völker Afrikas von den Kolonialmächten unterworfen wurden, wehrten sich die Äthiopier erfolgreich dagegen. "Unsere Geschichte begann nicht erst mit der Sklaverei", sagt First Man. "Sie geht zurück bis zu den ersten Menschen." Für Schwarz-Gelb-Grün, das für viele Rastafari Sinnbild für die korrupte und gen Westen orientierte Regierung Jamaikas steht, hat er nicht viel übrig. "Feuer auf Babylon", ist sein einziger Kommentar, wenn man ihn auf die Politik des Landes anspricht.

Wer jenseits der Touristenhochburgen ein Stück ursprüngliches Jamaika entdecken möchte, macht sich besser auf den Weg ins gebirgige Inselinnere. Von Montego Bay führt eine schmale Straße durch Zuckerrohrfelder und dichten Dschungel hinauf in die Berge. Cockpit Country ist seit fast drei Jahrhunderten das weitgehend unabhängige Territorium der Maroons.

Einst gründeten entlaufene Sklaven dort einen eigenen Staat im Staat und erhielten 1739 nach jahrelangen Kämpfen gegen die Engländer weitgehende Unabhängigkeitsrechte von der britischen Krone. "Wir sind stolz auf das, was unsere Vorfahren erreicht haben", sagt Colonel Ferron Williams aus Accompong. Von dem Bergdorf blickt man weit über das dicht bewaldete Herz der Insel. "Bis heute haben wir hier unsere eigenen Gerichte und zahlen keine Steuern", sagt Williams. Gerne führt der 62-jährige Dorfvorsteher Touristen zu dem alten Kindah-Baum, unter dem sich die verschiedenen Sklavenstämme westafrikanischer Herkunft einst zum Kampf gegen die Kolonisatoren vereinigten.

Wie im Rastafari-Dorf legt man auch in Accompong Wert auf seine afrikanischen Wurzeln. Erst im vergangenen Jahr besuchte eine Gruppe Maroons Ghana, von wo ihre Vorfahren einst in die Karibik verschleppt worden waren. "Es war wie ein Treffen alter Freunden", erzählt Williams. "Wir wurden wie Könige empfangen. Für die Ashanti sind wir noch heute Brüder." Folgerichtig dominieren in den zahlreichen Wandgemälden des Dorfes ebenfalls Rot, Gelb, Grün und Schwarz - neben den Nationalfarben Ghanas auch die der panafrikanischen Bewegung. Außerdem haben die Maroons ihre eigene Flagge mit einem Kuhhorn auf rotem Grund.

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"Meine Landesfarben sind Grün und Blau", sagt Wolde Kristos. "Sie stehen für Wald und Meer." Der Naturschützer ist unterwegs am Strand von Bluefields. An der Südküste setzt er sich für den Schutz der Mangroven, der Korallenriffe und des Bergwalds ein. Bob Marleys Hymne "Get Up, Stand Up" hat für ihn eine besondere Bedeutung. Touristen, die jenseits der Partymeilen und Bettenburgen von Ocho Rios und Montego Bay die Natur Jamaikas kennen lernen möchten, führt er mit dem Boot zu schillernden Korallenriffen, zu den letzten unverbauten Stränden der Insel oder in den Bergwald, wo er farbenprächtige Vogelarten aufspürt. "Der Mensch hat seine politischen Farben und Lager", sagt Kristos. "Darüber kann sich die Natur in ihrer Vielfalt nur lustig machen."

Die Redaktion wurde von Visit Jamaica, Sandals und FTI zu der Reise eingeladen.

(RP)
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