Dänemark Schlossromantik und eine Portion Abenteuer
Der wilde Osten der malerischen Insel Møn zeigt ein Stück Dänemark vom Feinsten – bei Tag und Nacht. Denn Sterne sind hier gut zu sehen.
Aus 100 Sorten Grün und Gelb ist der Flickenteppich gewoben, der mit Feldern, Weiden, Waldstücken die gut 200 Quadratkilometer Møns bedeckt. Immer wieder von einsamen Gehöften oder Ortschaften in bescheidenen Ausmaßen durchbrochen und von den Wogen der Ostsee umspült. Über Brücken und Dämme mit seinen Nachbarn Seeland, Nyord, Bogø und Falster verbunden, reiht sich das Eiland in den gewaltigen Inselschatz Dänemarks.
Als Feriendestination steht Møn hoch im Kurs. Besonders Møns Klint, der wilde Osten der Insel, der wahre Urlauberscharen zum Kommen mobilisiert. Auf sechs Kilometern begleiten die sagenhaften Kreideklippen den Saum des Meeres, ragen 128 Meter in die Höhe, bedeckt von Buchenwald, der wie eine pelzige Mütze auf den weißen Wänden sitzt. Eine bizarre Landschaft, Wetter und Brandung schutzlos ausgeliefert und immerzu im Wandel.
Im Norden der Kreidefelsen liegt hoch über dem steinigen Strand Liselund Park, vom Menschen geschaffen und voller Romantik – das absolute Kontrastprogramm zum ungestümen Charakter der Küste. Was hier Ende des 18. Jahrhunderts aus dem Moor- und Waldgebiet Sømarkegaard entstand, ist ein Sehnsuchtsort voller Poesie, eine Liebesgabe von Antoine de la Calmette, Amtmann von Møn, für seine Frau Lisa. Das weitgereiste Paar ließ auf seinem 1783 erworbenen Grund roden, drainieren und mit einer sichtbaren Detailverliebtheit säen und pflanzen. Es gestaltete einen zauberhaften Garten inmitten dichten Waldes, eine vielseitige Landschaft, in der zwischen Seen, Schluchten und Wasserfällen ein neoklassizistisches Lustschlösschen und exotische Architekturen einen Platz einnehmen.
Von Liselund Park führt eine Treppe hinunter ans Meer. So wie hier verbinden Richtung Süden weitere Treppen das Oben mit dem Unten, wobei diejenige am Maglevands Fald mit 497 Stufen die längste ist. Wahrscheinlich ist sie auch die meistbenutzte, denn gleich nebenan liegt das moderne GeoCenter, dessen Ausstellung im Sommerhalbjahr jede Menge Wissen über Møns Klint vermittelt. So auch über den Ursprung dieser Natursensation, die in einer 70 Millionen Jahre zurückliegenden Vergangenheit ruht, als ein tropisch-warmes Meer Dänemark bedeckte.
„Betreten auf eigene Gefahr“ – am Maglevands Fald weisen Warnschilder auf die dynamische Natur der Klippen und damit auf die immer wieder stattfindenden, oft durch Frost und Regen ausgelösten Erdrutsche hin. Entsprechend haben wir einen geeigneten Schönwettertag gewählt, um die 2,3 Kilometer lange Wanderung zu wagen, die hier an den Treppen beginnt, unten am Strand entlang bis zum nächsten Aufstieg am Gråryg Fald und schließlich oben auf der Klippe durch den Wald zurück zum Ausgangspunkt führen soll. So der Plan.
Es ist noch früh am Morgen und fast menschenleer, als wir die fast 500 Holzstufen ganz kommod abwärts stiefeln, sogleich vereinnahmt von der Welt des Buchenwalds, in dem sich Vogelstimmen unter das leise Rauschen des Meeres mischen und erste schöne Aussichten unseren Schritt beschleunigen. Unten angekommen dann die Enttäuschung: Aus dem geplanten Rundweg wird heute nichts. Und auch nichts aus der Fossiliensuche am Strand. Der Wind hat sich nämlich mit der im Grunde schwachen Flut verbündet und in weiten Teilen das Ostseewasser bis an den Fuß der Felsen gedrückt. Wir stehen eine Weile stumm vor Ehrfurcht auf einem trockenen Fleck, folgen mit den Augen den sich über uns auftürmenden Kreidewänden, die traumschön im hellen Sonnenlicht baden, bevor wir zurückgehen, wie wir gekommen sind.
Møns Natur ist ein Erlebnis. Und das nicht nur hier und nicht nur am Tag. Schließlich wurden die Insel und ihr Nachbar Nyord als Gebiete mit geringer Lichtverschmutzung und einmaligem Sternenhimmel 2017 als erster Dark Sky Park Skandinaviens prämiert. Darauf ist man auf Møn mächtig stolz. Denn „die Bewahrung einer natürlichen Dunkelheit, wie es sie in ferner Vergangenheit einmal gab, nutzt dem Wohlbefinden von Mensch, Tier und Pflanze gleichermaßen“, erklärt die Biologin Susanne Rosenild. Und ermöglicht Einheimischen und Urlaubern je nach Jahreszeit und Wetter von zahlreichen Standorten den Blick auf ein gigantisches Feuerwerk am klaren Nachthimmel. Aber auch bedeckte Nächte haben es in sich. Dann nimmt die versierte Naturführerin Gäste mit auf eine „leise“ Wanderung in den alten, urtümlichen Wald Ulvshale Skov im Norden Møns, wo in längst vergessenen Zeiten Wölfe und Bären hausten. Und wo man heute im Stockfinsteren, die Geräusche unsichtbarer Tiere und Pflanzen im Ohr, ein unvergessliches, aber ungefährliches Abenteuer erleben kann. Ein wenig Grusel inklusive.