Jamaika Natur pur statt nur Rum und Reggae

Auf der drittgrößten Karibikinsel können Reisende einiges entdecken. Abseits von all-inclusive Hotels und Traumstränden bezaubern tropische Natur und die Tierwelt.

 Postkartenidyll pur: Jamaika besteht aus tropischer Natur und tollen Stränden. Das hat auch Hollywood entdeckt.

Postkartenidyll pur: Jamaika besteht aus tropischer Natur und tollen Stränden. Das hat auch Hollywood entdeckt.

Foto: Getty Images/iStockphoto/lucky-photographer

Belinda ist sauer. „Warum hast du mir nicht Bescheid gegeben, dass du heute schon so früh kommst?“, ruft sie James erbost zu, der seit gut zwei Stunden unser Bambusfloß sicher durch die Stromschnellen des Rio Grande gesteuert hat. Der antwortet ihr ebenso lautstark in für uns unverständlichem Patwa, diesem kreolischen-englischen Kauderwelsch der Einheimischen. Und zu uns gewandt, nachdem er sein Floß sicher mit Hilfe seines langen Bambusstabs ans kiesige Ufer manövriert hat: „Yeah Mon, let’s meet the goddess of the river“. Damit meint er die nach dieser Ehrerbietung schon leicht besänftigte Belinda. Die hat wie jeden Morgen den sieben Kilometer langen Weg von ihrer Hütte im tropischen Urwald zurückgelegt, um ihre Koch­utensilien am Flussufer aufzubauen. Unterwegs Flusskrebse von den Flussfischern des Rio Grande und Hühner- und Ziegenfleisch von den Bauern gekauft. Es duftet köstlich, uns wird der Mund wässrig. Belinda rührt gerade eine Handvoll Piment und eine Prise kleingehackter Chili-Schoten in ihre Bouillabaisse. In einem anderen Topf gart ihr Spezialgericht: Flusskrebs in Kräutersauce.

Wir teilen James entschieden mit, dass wir unsere Fahrt auf jeden Fall erst nach Genuss dieser lokalen Köstlichkeiten fortsetzen wollen. Belindas Laune bessert sich schlagartig. Karl, Gastwirt aus Südtirol und auch in unserer kleinen Reisegruppe für die Getränke-Logistik zuständig, hat derweil bei Belindas Mann schon mal drei Flaschen Red Stripe geordert.

Wir sitzen auf einer Holzbank am Flussufer, genießen das jamaikanische Bier und lassen unsere Blicke über den sich in stiller Monotonie dahin schlängelnden Fluss schweifen. Hoch über uns zieht ein Seeadler seine Kreise, am gegenüberliegenden Ufer liegt eine Kuh im dichten Grün, auf ihr ruht eine Schar weißer Reiher, von einem besonnten Felsen beobachtet uns ein Silberreiher. Früher diente der Rio Grande als Transportweg für Zuckerrohr, Ananas und Bananen. Ziele der Bambusboote waren die Verladedocks in Port Antonio oder St. Margaret’s Bay. Später wurden mehr und mehr Straßen gebaut und den Flößern drohte Arbeitslosigkeit. Die Rettung erschien in den 1950er Jahren in Person des Hollywood-Stars und Frauenhelden Errol Flynn. Eine romantische Floßfahrt zu zweit könnte ein willkommener Baustein zielgerichteter Verführungskunst sein, dachte er sich. Gesagt, getan: Damit die Gesäße der Floßreisenden trocken blieben, ließ er die Flöße mit einer erhöhten, Kissen-bewehrten Sitzbänken versehen, und die Geschäftsidee der Honeymoon-Floßfahrt war geboren.

Ob sie ihren anstrengenden Job mag, frage ich Belinda beim Abschied nach einem wohlschmeckenden Lunch inmitten tropischer Idylle. „Ja klar. Du hast doch gehört, sie nennen mich Göttin und ich bin mein eigener Herr.“ Auch James, unser geschickter Flößer, ist mit sich selbst im Reinen und singt auf der Rückfahrt nach Port Antonio „Three Little Birds“ und „No Woman, No Cry“, Welthits von Jamaikas Reggae-Ikone und Nationalhelden Bob Marley.

Und am Nachmittag sind wir schon wieder Hollywood-Legenden auf der Spur: Wir schwimmen in der Blauen Lagune, die von Süßwasserquellen gespeist wird, denen eine verjüngende Wirkung nachgesagt wird. Vielleicht sah Brooke Shields deshalb so frisch aus, als sie sich im gleichnamigen Film von 1980 oft nur mit einem Hauch von Nichts bekleidet vor der Kamera bewegte. Der Spot ist eine Augenweide: Dichter Dschungel umschließt die 60 Meter tiefen azurblauen Gewässer. Eine beschauliche Bootsfahrt führt vorbei an Monkey Island, heute eine beliebte Location für Hochzeiten, bekannt geworden durch den Film „Knight and Day“ mit Cameron Diaz und Tom Cruise.

Eine leichte Brise zerrupft die Wölkchen über dem endlos scheinenden Strand von Negril und komponiert sie neu. Die Augen schließen und Geräusche sammeln: Das Krei­schen der Kinder, das Rauschen der karibischen See, das Geplapper der Strandläufer, das Klappern vorbeifliegender Pelikane, in der Ferne Reggae-Klänge. Und Erinnerungen an Impressionen unter Wasser: farbenprächtige Korallen, die das Wrack eines Kleinflugzeugs schmücken, Anemonenfische, die energisch ihr kleines Revier verteidigen. Der liebe Gott scheint gerade Sprechstunde zu haben.


Die Reise wurde von TUI Reisen unterstützt.

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