USA Der schöne Schein

„Bureau of Engraving and Printing“ lautet der offizielle Name der US-Bundesdruckerei in Washington D.C. Täglich werden hier Noten im Wert mehrerer Hundert Millionen Dollar gedruckt – eine Touristenattraktion, da man die Geldfabrik normalerweise besuchen kann.

 Die größte Geldfabrik der Vereinigten Staaten: das Bureau of Engraving and Printing. Der Eingang mit seiner hellen neoklassizistischen Kalksteinfassade und den riesigen Säulen gleicht einer Festung.

Die größte Geldfabrik der Vereinigten Staaten: das Bureau of Engraving and Printing. Der Eingang mit seiner hellen neoklassizistischen Kalksteinfassade und den riesigen Säulen gleicht einer Festung.

Foto: Michael Marek/Anja Steinbuch

Ed Mejia steht in der riesigen Produktionshalle, der Lärm ist ohrenbetäubend. Der Schichtführer im Bereich Tiefdruck streicht vorsichtig über einen nach Farbe duftenden Bogen frischer 20-Dollar-Noten: „Egal, wo ich einkaufe, überall sehe ich meine Arbeit. Das ist ein fantastisches Gefühl!“ Die Augen des sportlichen Mittfünfzigers leuchten dabei. „Jetzt zeige ich Ihnen, wie wir Fehldrucke rausfischen!“ Mit einem Edding malt er Andrew Jackson einen Vollbart, dem siebten Präsidenten der Vereinigten Staaten und Sklavenhalter. Sofort schlägt die Maschine Alarm.

Mejias Arbeitsplatz ist das Bureau of Engraving and Printing (BEP), so der offizielle Name der US-amerikanischen Notendruckerei. Die größte Geldfabrik der Vereinigten Staaten befindet sich in unmittelbarer Nähe vom Weißen Haus und dem Holocaust-Museum. Noten im Wert von 560 Millionen Dollar laufen hier täglich vom Band.

Der Eingang mit seiner hellen neoklassizistischen Kalksteinfassade und den riesigen Säulen gleicht einer Festung. Über drei Straßenblocks erstreckt sich der gewaltige Gebäudekomplex. Sieben Stockwerke, davon zwei unterirdisch, umfasst das Stahlbeton-Bauwerk.

Während Donald Trump versuchte, den Dollar schwach zu reden, weil eine starke Währung seine Handelspolitik konterkarierte, tut man hier alles für seine Stabilität und Sicherheit: Bewaffnete Wachleute scannen jede Tasche. Hier kommt nur rein, wer für eine Führung angemeldet ist oder eine Sondergenehmigung hat. Besucher werden oberhalb der Produktionshallen abgeschirmt in einem panzerverglasten Gang durch die Druckerei geschleust. Rund eine Million Touristen sind das jährlich, die den Arbeitern an den Notenpressen zuschauen.

 Überall im Gebäude wird man daran erinnert, dass hier das Geld regiert, so wie an dieser überdimensionalen Uhr.

Überall im Gebäude wird man daran erinnert, dass hier das Geld regiert, so wie an dieser überdimensionalen Uhr.

Foto: Michael Marek/Anja Steinbuch

Wir sind mit Lydia Washington verabredet. Die korpulente Mittvierzigerin öffnet uns per digitaler Schlüsselkarte die erste Sicherheitsschleuse. Hinter einem stählernen schweren Drehkreuz und mehreren Türen beginnt der Produktionsbereich. Eine überdimensionale Uhr ist mit Dollarnoten geschmückt. Und George Washington, der erste Präsident der Vereinigten Staaten, blickt streng vom Dollar im Posterformat an der Wand.

Es ist laut. Klimaanlage und Ventilatoren surren, die zehn Meter langen und zwei Meter hohen Druckmaschinen laufen auf Hochtouren. Doch kein Laut davon dringt nach draußen durch den Stahlbeton.

Paletten mit Druckbögen stehen herum – dazwischen arbeiten Drucker und Maschineningenieure. Einige laufen in blauen Overalls herum, andere in Muskelshirts. Es ist eng, stickig und patriotisch: Überall ist das Sternenbanner zu sehen.

Digitalisierung oder Roboter? Fehlanzeige! Hier sind Handwerker gefragt. Es rumpelt, riecht nach Druckerfarbe und Maschinenöl. An einigen Stellen des Fußbodens haben sich kleine grüne Farbpfützen gebildet. Hier ist der Greenback zu Hause.

 Ed Mejia kümmert sich um das Tiefdruckverfahren. Seine Maschine schafft 10.000 Bögen pro Stunde.

Ed Mejia kümmert sich um das Tiefdruckverfahren. Seine Maschine schafft 10.000 Bögen pro Stunde.

Foto: Michael Marek/Anja Steinbuch

America first, so wie Donald Trump es gebetsmühlenartig proklamierte, ist hier nicht unbedingt Gesetz: Das Herzstück der Produktion stammt aus Europa. Es ist eine Offset-Maschine der Traditionsfirma König & Bauer mit Hauptsitz in Würzburg. Ein Meter lange Papierbögen zischen mit einer Geschwindigkeit von 9000 bis 10.000 Bögen pro Stunde über die Walzen. Aus jedem Bogen werden später 32 Dollar-Noten. Sie und die anderen Hochgeschwindigkeitspressen rotieren unentwegt von montags bis freitags – 24 Stunden lang.

„2003 kam diese moderne Drucktechnik erstmals zum Einsatz“, erklärt Drucker James Sutherland. „Damals waren es nur die Zwanziger. Inzwischen drucken wir alle Noten bis 50 Dollar.“ Ein Jahr im Voraus gibt die Zentralbank ihre Bestellung an das BEP.

1,67 Billionen Dollar sind derzeit weltweit im Umlauf. Laut Federal Reserve kursiert davon nur ein Drittel im eigenen Land. Jede dritte Note zeigt die kleinste Einheit: einen Dollar mit dem Porträt von George Washington. Der wacht auf der Vorderseite, die Rückseite zeigt den Wappen-Adler und eine Pyramide an deren Spitze sich das sogenannte „Auge der Vorsehung“ und die göttliche Dreifaltigkeit darstellt – ein Symbol, das auch von den Freimaurern benutzt wird.

Am 29. August 1862 wurde die Behörde gegründet. Damals arbeiteten vier Frauen und zwei Männer für das Bureau of Engraving and Printing. Ihre Aufgabe: die von privaten Druckereien hergestellten Ein- und Zwei-Dollar-Noten mit Siegeln und Nummern zu versehen. Doch seit 1877 werden nur hier in Washington und einer kleineren Außenstelle alle Dollar-Noten der USA gedruckt – als Bundesbehörde der Federal Reserve, sagt BEP-Mitarbeiter Frank Noll: „Die historische Leistung der Federal Reserve bestand darin, die verschiedenen Währungen, die es bis 1862 in den USA gab, zu beschränken.“

Uramerikanisch ist nicht nur der Dollar, sondern auch sein Ausgangsmaterial: gebrauchte Blue Jeans. Gewaschen, geschreddert, gebleicht – daraus stellt das Familienunternehmen Crane in Massachusetts für die Notendruckerei den Rohstoff her, der später zu Geld wird.

Für die nächste Phase der Geldwerdung schiebt Sutherland die etwa ein Meter hohen quadratischen Dollar-Stapel in einen Tresorraum zum Trocknen. Dann kommen die Dollar-Noten ins Tiefdruckverfahren für Gravuren und weitere haptische Details. Schließlich erhält jeder einzelne Schein eine fortlaufende Seriennummer und die Siegel von Bundesdruckerei und Zentralbank.

Zum Thema Gleichberechtigung: Es war übrigens bisher nur zwei Frauen vorbehalten, als Motiv den „Greenback“ zu zieren: die Präsidenten-Gattin Martha Washington und die India­nerin Pocahontas. Beide Noten werden seit über 100 Jahren nicht mehr gedruckt.

Am Ausgang des Bureau of Engraving and Printing blickt George Washington die Besucher streng von der riesigen Ein-Dollar-Note an. Der erste Präsident der Vereinigten Staaten wacht auch 222 Jahre nach seinem Tod per Dollar-Note über Volk und Land. Das ist die Botschaft: uneingeschränkt und mächtig.

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