Antarktis Und täglich grüßt der Pinguin

Ushuaia · Eine Reise ans weiße Ende der Welt ist für viele Naturliebhaber ein Lebenstraum. Regelkonform und sensibel durchgeführt, schärft sie Wissen und Sinne für die Gefährdung der Region. Auszüge aus dem Logbuch einer Kreuzfahrt

 Pinguine gehören zu den Bewohnern der Antarktis.

Pinguine gehören zu den Bewohnern der Antarktis.

Foto: Bernd Schiller

Zuerst waren es Sturmvögel und Albatrosse, die uns begeisterten, noch auf hoher See im Südatlantik. Über Hunderte von Seemeilen hatten sich die großen Vögel vom Wind zu immer neuen Flugmanövern hinreißen lassen. Unterwegs mit einem Expeditionsschiff von Hapag-Lloyd, mit einer Mannschaft von großer Erfahrung in sensiblen Naturräumen, zunächst von Ushuaia im argentinischen Teil von Feuerland zu den Falklandinseln. Von dort über Südgeorgien, Südorkney, und Südshetland bis hin zur antarktischen Halbinsel.

Einen Tag später, bei der ersten Anlandung mit den Zodiacs, den typischen motorisierten Schlauchbooten einer solchen Expeditions-Kreuzfahrt, standen Austernfischer und Tanggänse zur Begrüßung bereit. Vor den Falklandinseln hatten dann Delfine und Wale das Geleit übernommen, elegant und übermütig springend die einen, zehn Meter hohe Fontänen blasend die anderen. Und schließlich, noch weit weg von der antarktischen Halbinsel, standen Pinguine Spalier, als hätte die Expeditionsleitung sie dort aufgebaut: Pinguine, Pinguine und noch mehr Pinguine. Von Stund an blieben sie die Lieblinge der meisten Passagiere.

Südgeorgien, King Haakon Bay: Nebel lässt am frühen Morgen nicht sofort das Bühnenbild erkennen, das diese Bucht einrahmt, die norwegische Walfänger einst nach ihrem König benannt haben. Doch keine halbe Stunde später, noch während des Frühstücks an Deck, setzt erst atemloses Staunen ein: gewaltige Gletscher, schnee- und eisbedeckte Zackenberge. Dann das übliche Ritual: schnell in Gummistiefel und wasserdichte Hosen schlüpfen, Kamera und Fernglas im Tagesrucksack verstauten, den roten Parka anziehen, darüber die Schwimmweste,. Dann gleiten, zeitversetzt, jeweils acht von maximal 199 Passagiere im Zodiac an Land.

Diesmal sind Eselspinguine zur Stelle, roter Schnabel, braunes Mauserkleid,. Gleich nebenan, auf sonnenwarmen Felsen, glänzen die mächtigen Leiber von Seebären und Seeelefanten. Streng schauen die Experten des Expeditionsteams darauf, dass der gebotene Abstand zu den Tieren gewahrt bleibt. Den Passagieren ist bewusst, wie sehr die Schönheit dieses Kontinents bedroht ist, Eiskappen und Gletscher schmelzen immer schneller, den Tieren wird der Lebensraum von Jahr zu Jahr drastischer beschnitten. Ob Kreuzfahrer zusätzlich stören oder ob sie, wie nicht wenige Wissenschaftler meinen, als sensibilisierte Zeugen für den Klimawandel gebraucht werden, mag umstritten sein. Die meisten Antarktis-Reisenden kehren jedenfalls nicht nur mit schönen Bildern, sondern auch mit tiefer Betroffenheit über die dort dramatisch sichtbare Erderwärmung zurück. Die Metapher vom „ewigen Eis“ gilt nicht mehr.

 Per Kreuzfahrtschiff kommt man dem Reisetraum Antarktis näher.

Per Kreuzfahrtschiff kommt man dem Reisetraum Antarktis näher.

Foto: Bernd Schiller

Ernest Shackleton, der anglo-­irische Forscher und Abenteurer, der erst durch ein Unglück berühmt wurde, war vor etwas über hundert Jahren hier unterwegs. Sein Ziel: als erster Mensch den antarktischen Kontinent zu durchqueren. Was für ein Plan. Und was für ein Drama. Sein Schiff, der Dreimaster „Endurance“, wurde im Packeis zerquetscht. Monatelang trieben Mannschaft und Schlittenhunde auf einer Eisscholle. Letztlich ging es gut aus. Aber die Geschichte der schier unglaublichen Rettung macht demütig.

Wir sind Shackletons Spuren bis vor die ehemalige Walfänger-Siedlung Grytviken gefolgt. Hier wollen wir sein Grab besuchen, nichts spricht am frühen Morgen gegen eine Landung. Aber von jetzt auf gleich baut sich ein tückischer Schwell auf, wie Seeleute eine solche Dünung nennen. Aus dem Wind wird rasch ein Orkan. Grytviken sehen wir nur von der Reling aus, und das Dinner mögen sich am Abend nur wenige Gäste gönnen.

Tage später, längst hat sich das Meer beruhigt. Vorhang auf und ganz großes Kino: Eisberge glitzern in der Sonne, Klötze, Kegel, Kolosse, atemberaubend. Wir haben die Antarktische Halbinsel erreicht, einen Kontinent, der zu einem anderen Planeten zu gehörten scheint. Also schnell an Deck, von Backbord nach Steuerbord laufen und zurück, sich gegenseitig versichern, man habe ja schon viel gesehen auf der Welt, aber das hier „...ist das nicht der pure Wahnsinn?“

Kurs Ushuaia: Augen zu, Blick auf den Horizont und ab durch die Drake-Passage. Das war lange im Voraus die Empfehlung für den letzten Seetag. Seit eh und je ist die Meeresstraße zwischen Antarktis und Kap Hoorn bei Seeleuten und Kreuzfahrern gefürchtet. Der Wind, frühmorgens noch Stärke vier, flaut rasch ab. Aus dem Liegestuhl schauen wir erst gebannt, dann beruhigt auf die brettflache Passage. Am Nachmittag legt der Kapitän noch einen Schlenker Richtung Kap Hoorn obendrauf. Die berüchtigte Landspitze liegt friedlich im Sonnenlicht, als habe sie nie den Beinamen Kap der Stürme getragen.

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