Im Zauber der Fjorde

Die abgelegenen West-fjorde Islands gelten als bestgehütetes Geheimnis der Insel. Hier in der Einsamkeit treffen Elfen und Abenteurer aufeinander.

Der DJ im Himmel muss eine Tango-Platte aufgelegt haben. Eng umschlungen tanzen grüne Schleier übers Firmament, drehen sich ineinander ein, lösen sich abrupt voneinander - um dann in einem plötzlichen Wirbel das ganze Himmelsparkett zu erleuchten. Zwischendurch haben Sternschnuppen ihren Solo-Auftritt und jagen zwischen "Großem Wagen" und "Kassiopeia" hin und her. Die Choreografie der Polarnacht ist heute ganz besonders dramatisch und temperamentvoll: Die Schleier formieren sich zu Schnörkeln, Strudeln und Zacken, pulsieren im nächsten Moment im Wiegeschritt, um sich dann in eine farbenprächtige Discokugel zu verwandeln. Grün, gelb, violett und pink - der Himmel feiert an diesem Abend eine ausgelassene Party.

Also einfach ins weiche Moos auf dem Boden legen und die Show genießen.

Zwei Stunden später ist die Vorstellung vorbei. Genauso überraschend wie die magischen Lichter aufgetaucht sind, verschwinden sie wieder am Horizont. "Das war jetzt wie ein Sechser im Lotto", erklärt Bjorgvin Oskarsson und ergänzt: "Dieses Nordlicht-Erlebnis schafft es sogar unter meine Top fünf. Soviel Aktivität und Farbenpracht ist selten." Früher war Oskarsson Walfänger vor der Küste Islands, heute ist er Polarlicht-Jäger, fährt mit seinem Bus die Touristen zu den dunkelsten Ecken der Insel, um dort die mystischen Schleier aus Sonnenwinden zu sehen.

In den Westfjorden Islands lässt sich das Tanzspektakel der Nordlichter besonders gut beobachten, denn hier draußen in der abgeschiedenen Landschaft fernab jeglicher Zivilisation, ist die Nacht stockfinster. In den Westfjorden gibt es außerhalb der Dörfer weder Ampeln noch Straßenlaternen, nur Einsamkeit, Dunkelheit und Ruhe. Beste Bedingungen um die spektakuläre Natur zu genießen - am Tag und in der Nacht. Während abends die Polarlichter pulsieren, beeindruckt die Natur tagsüber mit den höchsten Klippen, den spektakulärsten Wasserfällen und den tiefsten Fjorden. Oder wie die Isländer sagen: "Die Westfjorde sind Islands bestgehütetes Geheimnis". Sogar auf der Landkarte sehen die West-fjorde aus, wie ein nachträglich angekittetes Puzzleteil. Wer es hier hoch schafft, sucht absolute Einsamkeit und abgelegene, unberührte Natur, abenteuerliche Aktivitäten inklusive.

Zum Beispiel auf der gefährlichsten Straße Islands, die zwischen den Fischerorten Isafjördur und Bolungarvik liegt. "Oshlid" war einst die alte Hauptstraße zwischen den beiden Dörfern. Nachdem es aber zu viele Steinschläge aus den angrenzenden Bergen gab, wurde die Straße stillgelegt und für den Autoverkehr nebenan ein Tunnel gebaut. Inzwischen wurde die verlassene Panoramastraße am Meer zur 24 Kilometer langen Mountainbike-Strecke umfunktioniert. Asgeir "Geiri" Höskulsson kennt die "Stolperfallen" genau und bietet regelmäßig Touren auf der Abenteuerroute an. "Ihr solltet aber wirklich einen Helm nehmen", empfiehlt er und ergänzt augenzwinkernd: "Der eigentliche Thrill ist aber die Landschaft, die nach jeder Kurve anders aussieht." Und Kurven gibt es viele, denn über 70 Prozent der Küste Islands befindet sich in den Westfjorden.

Dann geht es mit dem Mountainbike los auf der Traumstraße. Links Wasserfälle, rechts das Meer und in der Ferne wie mit Puderzucker bestäubte Berggipfel. Aber immer schön auf die Straße schauen, denn das Meer macht sich an manchen Stellen bereits an der Straße zu schaffen - und so sind teilweise nur noch schmale Stege von der einstigen Hauptstraße übrig geblieben. An anderen Stellen versperren Felsbrocken, groß wie Autoreifen, den Weg. Zwangspause auf halber Strecke. Geiri rollt Steine aus dem Weg und mutmaßt, dass vielleicht doch böse Trolle die Hindernisse in den Weg gelegt haben.

Elfen, Trolle, Zwerge und andere geheimnisvolle Wesen haben überall in Island ihre Spuren hinterlassen. Das "verborgene Volk" haust in Lavafeldern und hinter Wasserfällen, residiert auf Hügeln und praktisch jeder Stein könnte ein versteinerter Troll sein. Die Isländer lieben ihre Troll-Geschichten. Im Bauamt arbeitet sogar eine Elfenbeauftragte, die im Zweifelsfall Baupläne ändert, um die Zauberwesen nicht zu stören. Es sollen schon ganze Straßen verlegt worden sein, um eine Elfenkirche zu schützen. Und vielleicht hat ja auch hier auf der einstigen Hauptstraße "Oshlid" das verborgene Volk seine Finger im Spiel. Man kann es ihnen nicht verübeln, denn der Blick in den Fjord ist traumhaft: Wabernder Nebel, wolkenverhangene Berge und sogar das Meer schweigt sich in der spiegelglatten See aus. Der beste Ort für einen "Dagdraumur", einen Tagtraum - für Elfen und Abenteurer.

Die Redaktion wurde von "Inspired by Iceland" zu der Reise eingeladen.

(RP)
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