Mecklenburg-Vorpommern Historische Ziele an der Ostseeküste

Düsseldorf · Knut Wiek (69) kann seinen Stolz nicht verhehlen. In einer Nacht- und Nebelaktion haben er und seine Freunde Ende 1989 erreicht, dass der 15 Meter hohe Grenzturm an der Ostseeküste von Kühlungsborn nicht abgerissen wurde.

Das ist der historische Wachtum von Kühlungsborn
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"Wir haben einfach bei einer Baufirma angerufen und sie gebeten, den Turm einzurüsten." Als am nächsten Morgen Bauarbeiter kamen, um den Turm abzureißen, war er rätselhafterweise von einem Gerüst umhüllt. Die Arbeiter zogen von dannen, der Turm steht heute noch - und ist für Einheimische und Touristen beliebtes Ausflugsziel geworden. Insgesamt standen in der DDR 25 solcher Türme, der Ostsee Grenzturm von Kühlungsborn ist einer von zweien, der erhalten wurde.

Vom Turm in Kühlungsborn aus mussten jeweils vier Soldaten das Meer im Blick haben. Zum Ende der DDR wollten 209 Personen an dieser Stelle fliehen - Fehmarn war "nur" 42 Kilometer weit entfernt. Einer hatte es geschafft - er schwamm 25 Stunden. Andere nutzten Falt- oder Schlauchboote, wieder andere kostete der Fluchtversuch tragischerweise das Leben. Daran wollen Knut Wiek, der nach der Wende der erste freigewählte Bürgermeister von Kühlungsborn wurde, und seine Mitstreiter in ihrem Verein erinnern, bieten sich regelmäßig den Besuchern für Gespräche an.

Heilbäder seit dem 19. Jahrhundert

Es ist aber nicht nur die jüngere Geschichte, die Touristen an der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern begegnet. Gerne wird an die Gründung der Bäder-Kultur erinnert: 1793 empfahl Professor Samuel Gottlieb Vogel dem mecklenburgischen Großherzog Friedrich Franz I., das Wasser der Ostsee für Medizin und Heilung zu vermarkten. Damit war der Grundstein für den Badetourismus gelegt, von dem die Region noch heute lebt. 1803 wurde der erste Badekarren am Strand von Boltenhagen aufgestellt, später kamen dann auch so genannte Badeschiffe hinzu: Dort konnten die Gäste nackt baden.

Doch eigentlich wollten sie nur am Strand auf und ab flanieren. Zum Baden im frischen Ostseewasser mussten die Menschen noch ein wenig ermuntert werden. Immer wieder wurde die heilsame Wirkung des Wassers beworben. Doberan zum Beispiel, nach wie staatlich anerkanntes Heilbad, wurde schon bald Kranken empfohlen, die unter Atemwegsbeschwerden litten, die Hautprobleme oder psychosomatische Krankheiten hatten.

Das ist noch heute so - und zwei Reha-Kliniken bieten Therapien an. Das alles in der guten Luft, die Ostsee und die Wälder hervorbringen. Denn genau diese Mischung war es schon vor mehreren Hundert Jahren, die die Menschen an die See lockte. Kühlungsborn, größtes deutsches Seebad, ist zum Beispiel stolz auf seine mehr als 100 Jahre alten Kiefernbäume im 110 Hektar großen Waldgebiet.

Zu Pferde oder Drahtesel

Zur Geschichte und zum touristischen Aufschwung gehörte um 1850 auch die Eisenbahn: Rostock wurde in dem Jahr ans Bahnnetz angeschlossen, 1886 fuhr die erste Bäderbahn Deutschlands, der Molli, von Doberan nach Heiligendamm. Das tut er noch heute - und das nicht nur als nostalgisches Relikt, sondern als öffentliches Personen- und Nahverkehrsmittel.

Empfehlenswert ist diese Tour zum Beispiel, wenn einmal im Jahr auf der Doberaner Pferderennbahn zum dreitägigen Ostsee-Meeting eingeladen wird. Dann gehen nicht nur rund 300 Pferde und Jockeys an den Start, dann zeigt sich die Damenwelt zum Teil mit Hüten, vor denen die Düsseldorfer Gesellschaft beim Galopprennen eben jenen Hut ziehen kann.

Wer gerne selbst in die Pedale treten will, sollte sich ein E-Bike leihen. Das wird von einem Motor angetrieben und erleichtert die Radtour. Denn normalerweise ist die hügelige Ostsee-Moränenlandschaft bei Gegenwind nicht so einfach abzustrampeln. Eine Tour kann zum Beispiel von Heiligendamm zum Leuchtturm Buk nach Bastorf führen. Wer dort im Café Valentins bei gigantischer Aussicht die Sanddorntorte links liegenlässt, ist selber schuld. Sanddorn galt schon vor Jahren als die "Zitrone der Ostsee" und ist regional die liebste Frucht.

Heiligendamm - Ort mit vielen Gesichtern

Sehenswert, aber nicht für alle erschwinglich, ist Heiligendamm, die weiße Stadt am Meer. Auch hier spielt die Geschichte eine große Rolle: Als um 1800 herum Doberan zum angesagten Badeort wurde, verbrachten die meisten Touristen ihre Zeit sechs Kilometer vom Hauptort entfernt, am "heiligen Damm". 1878 wurde darum dort gebaut, entstand diese "weiße Stadt am Meer", die es noch heute gibt, natürlich grundüberholt.

Heiligendamm wurde daraufhin zum boomenden Touristen-Badeort, Doberan schwächelte. Die "weiße Stadt" entwickelte sich zum Schickeria-Treffpunkt. Überschattet wurde der Aufstieg erst von einer Sturmflut, dann vom Zweiten Weltkrieg. Zu Zeiten der DDR war es ein "Sanatorium für Werktägige", danach verfiel es wieder. 1996 wurde es von einer Investorengruppe übernommen, im Jahr 2000 begannen die Bauarbeiten. Nach der Eröffnung heimste es viele Auszeichnungen ein, weltweit berühmt wurde das Gelände durch den G8-Gipfel, zu dem Kanzlerin Angela Merkel im Juni 2007 eingeladen hatte.

Dennoch: Das Hotel wirtschaftete nicht erfolgreich, befindet sich in der Insolvenz, läuft aber weiter und will mit seinem Beauty- und Spa-Angebot an die frühere Geschichte anknüpfen. Denn die verliert keiner an der Ostsee aus dem Blick.

(anch/rm)
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