Gran Canaria Zwischen Wind und Wellen

Gran Canaria ist mehr als nur die Partyhochburg der Kanaren. Die Insel überrascht vor allem Wassersportler mit interessanten Surfspots, windigen Segelgebieten und einer faszinierenden Unterwasserwelt.

 Bjørn Dunkerbeck ist der erfolgreichste Windsurfer aller Zeiten. Auf Gran Canaria unterhält der 42-fache Weltmeister seine eigene Surfschule.

Bjørn Dunkerbeck ist der erfolgreichste Windsurfer aller Zeiten. Auf Gran Canaria unterhält der 42-fache Weltmeister seine eigene Surfschule.

Foto: Björn Dunkerbeck Surf

Surfer zieht es auf die windige Insel Fuerteventura. El Hierro lockt mit spannenden Tauchspots. La Palma gilt als Wanderparadies für Outdoorfreunde. Und Gran Canaria? Da denken viele an Pauschaltourismus, funktionale Hotelbausünden aus Beton und die Partymeile an der Playa del Inglés. Einigen kommen eventuell noch die Sanddünen von Maspalomas in den Sinn. Doch für Aktivurlaub ist die Kanareninsel kaum bekannt. In der Tat wollen die meisten Urlauber die Sonne genießen und abends in das Nachtleben der belebten Strandpromenaden eintauchen – zum Beispiel an den touristischen Hotspots entlang der Südküste. Doch das heißt noch lange nicht, dass man auf Gran Canaria nichts anderes erleben kann. Mit ihrem ganzjährig milden und sehr konstanten Klima ermöglicht die drittgrößte der sieben Kanareninseln zahlreiche Aktivitäten auf und im Meer.

Obwohl das sonnige Fuerteventura als „Surfers‘ Paradise“ weitaus bekannter ist, gehört Gran Canaria zu den besten Surfrevieren Europas. Nicht umsonst unterhält der ehemalige Windsurfprofi und 42-fache Weltmeister Bjørn Dunkerbeck eine eigene Surf- und Windsurfschule auf der Insel. Der Sohn dänisch-niederländischer Eltern dominierte 30 Jahre lang das Windsurfen wie US-Superstar Michael Phelps das Schwimmen. Auch nach seinem Rücktritt von der World Tour im Jahr 2014 spielt Windsurfen eine große Rolle in seinem Leben. „Ich bin eigentlich jeden Tag im Wasser – entweder zum Windsurfen oder zum Stand-up-Paddling“, erklärt der vierfache Familienvater. „Hier an der Playa de Águila können Anfänger und Fortgeschrittene 220 Tage im Jahr surfen. Wir haben immer gute Wellen – nicht zu groß und nicht zu klein – und eine durchschnittliche Jahrestemperatur von 22 Grad“, schildert Dunkerbeck.

Echte Könner verschlägt es zum Teil auch an die Nordküste zwischen Las Palmas und Gáldar. Fortgeschrittene Windsurfer sind an der böigen Ostküste in Vargas, Arinaga oder Pozo Izquierdo gut aufgehoben. Letzterer sei ein Paradies für Windsurf-Fans, so Dunkerbeck. Dank Windgeschwindigkeiten von bis zu 75 km/h und drei Meter hohen Wellen finde dort jedes Jahr sogar eine Etappe der professionellen Windsurf-Weltmeisterschaften (PWA Windsurf Worldcup) statt. „Gran Canaria und
Fuerteventura werden gerne als europäisches Hawaii bezeichnet“, verrät der Profi. Da er die idealen Bedingungen vor der Haustür hat, nimmt Dunkerbeck regelmäßig selbst an Wettbewerben teil. „Zum Windsurfen ist man nie zu alt – im Gegenteil, es hält jung“, findet er. Bestes Beispiel sei sein Vater Eugen, der mit 75 immer noch auf dem Brett steht.

Die Windbedingungen machen Gran Canaria nicht nur zu einem beliebten Surfspot, sondern auch zu einem erstklassigen Segelrevier – insbesondere die Südwestküste zwischen Arguineguín und Puerto de Mogán. Die Häfen der idyllischen Küstenstädtchen sind Anlaufpunkt für Segler aus aller Welt, die während ihrer Segeltörns nicht selten von Delfinen und sogar Walen begleitet werden. Wer nicht selbst am Steuerrad steht, kann die Tiere auf einem Bootsausflug in Augenschein nehmen. „Kaum irgendwo auf der Welt kann man so gut Wale beobachten wie vor den Kanarischen Inseln“, beteuert Javier Zaera, Inhaber des Beobachtungsbootes Spirit of the Sea. Große Tümmler, Streifendelfine, Brydewale seien sehr häufig zu sehen. „Von weltweit rund 80 bekannten Walarten sind vor den Kanaren bisher knapp 30 gesichtet worden – Biologen nennen das rekordverdächtig.“ Einige der Mee­ressäuger halten sich das ganze Jahr über im windgeschützten Südwesten der Inseln auf. Die Passatwinde sorgen für günstige Strömungen und dadurch für reichlich Nahrung. Zudem fallen die Küsten steil ab, wodurch zum Beispiel Pottwale einen Vorteil haben, da sie ihr Futter – unter anderem Riesenkalmare – in den Tiefen des Ozeans suchen.

 Puerto Rico liegt im Südwesten Gran Canarias. Hier lohnt es sich zu tauchen.

Puerto Rico liegt im Südwesten Gran Canarias. Hier lohnt es sich zu tauchen.

Foto: Anna Karolina Stock

„Die kanarischen Gewässer sind zwar nicht so bunt wie in der Karibik oder dem Roten Meer, aber sehr fischreich, was sie bei Hochseeanglern und Tauchern gleichermaßen beliebt macht“, erzählt Michal Piskorski von der Tauchschule Delphinus. Vor der Küste Puerto Ricos im Südwesten der Insel wurden bereits mehrere Weltrekorde im Hochseefischen aufgestellt. „Anstatt Fische zu angeln, sollte man jedoch lieber in Taucherbrille und Flossen schlüpfen und die einzigartige Unterwasserwelt aus der Nähe betrachten – ohne sie dabei zu zerstören“, empfiehlt Piskorski. Zahlreiche Tauchspots befinden sich direkt vor Puerto de Mogán, nur selten dauert die Fahrt dorthin länger als fünfzehn Minuten. „Dank der geschützten Lage und der guten Wetterverhältnisse ist Tauchen hier das ganze Jahr über möglich“, erklärt der Dive Master. „Viele Urlauber sind positiv überrascht, wenn sie sehen, wie fischreich unsere Gewässer sind.“ Und diese können sich durchaus sehen lassen: von silbrig glänzenden Barrakuda-Schwärmen über jagende Makrelen, Schmetterlingsrochen bis hin zu zigtausend gelbschwanzigen Bastard-Grunzern, die sich um die zahlreichen Schiffswracks tummeln. Mit etwas Glück erblickt man sogar einen seltenen Engelhai, der sich gut getarnt auf dem Sandgrund versteckt.

Neben dem Fischreichtum befinden sich vor Puerto de Mogán auch zwei Schiffswracks in nur 20 Metern Tiefe auf dem sandigen Meeresgrund: die Cermonia II und die Allegranza. Unter ihren Stahlstrukturen erspäht man oft große Rochen, jede Menge Muränen und anderes Getier, das sich tagsüber lieber in der Dunkelheit versteckt. „Womit allerdings kein Taucher rechnet: Wenn sich plötzlich mit leichtem Surren ein quietschgelbes U-Boot nähert, aus deren Bullaugen neugierige Touristen die Unterwasserwelt bestaunen“, schildert Piskorski lachend. Das U-Boot-Unternehmen Submarine Adventure hat gleich mehrere alte Schiffe versenkt, um seine Unterwassertouren für Urlauber noch abenteuerlicher zu gestalten. Einige der Schiffswracks sind sehr gut erhalten und haben sich zu intakten künstlichen Riffen entwickelt. Bei anderen wurde die Sprengladung falsch berechnet, sodass ihre Überreste verstreut in Trümmern liegen.

Puerto de Mogán ist nicht nur ein guter Ausgangspunkt für Tauchausflüge, sondern mit seinen schmucken Gässchen, Wasserkanälen, dem idyllischen Hafen und den renovierten Fischerhäusern auch eines der schöneren Küstendörfer Gran Canarias. Nicht umsonst nennen die Einheimischen den mittlerweile touristischen Ort liebevoll „Venedig der Kanaren“. Will man die touristischen Hotspots lieber hinter sich lassen, ist das ursprüngliche Gran Canaria nur wenige Autominuten entfernt. Mit einem Mietwagen erreicht man in kurzer Zeit eine andere Welt: Ursprüngliche kanarische Dörfer bilden weiße Tupfen zwischen Obstanbau und Gemüsefeldern. Neben Avocado-, Mango- und Orangenbäumen gedeihen Dattelpalmen, die in höheren Lagen Kiefernwäldern in wilder Berglandschaft weichen. Die abenteuerliche Fahrt über enge Serpentinen lohnt sich allein schon wegen der Aussicht – bei gutem Wetter sogar bis nach Teneriffa. Von Partyhochburg oder Rentnerparadies ist hier wahrlich nichts mehr zu spüren.

Die Recherche für diesen Beitrag wurde unterstützt von Gran Canaria Blue.

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