Gosch plant Großes auf Sylt

Immer wenn das Meer mit atemberaubender Wucht an die Küste drängt, wenn Sturmflut mit haushohen Wellen angesagt ist, wenn die Windstärke ohrenbetäubende Lautstärke annimmt, dann taucht in Fotos und auf Fernsehbildern ein Strandabschnitt auf Sylt auf, der die Naturgewalt besonders eindrucksvoll dokumentiert: das Kliff in Wenningstedt. Die Brandung klatscht an die bis zu 30 Meter hohe Steilküste. Darauf ist die Dachspitze eines Gebäudes sichtbar. Und nicht nur Landratten fragen sich beim Anblick des Ansturms besorgt, wie lange das Haus an der Kliffkante die Angriffe wohl aushält.

Wenn es nach Jürgen Gosch geht, noch eine Ewigkeit. Der bekannteste Fischhändler Deutschlands, der seine vom Strand über eine Holztreppe aufsteigenden Gäste mit dem Transparent "Wir ham Hummer!" begrüßt, hat sich den stürmischen Platz als Standort für die Krönung seines beruflichen Lebenswerks ausgesucht. "Jünne", wie der engste Freundeskreis das Insel-Urgestein nennt, baut am Kliff sein gastronomisches Denkmal. Mindestens 150 000 Touristen, so viele wie der 1500 Einwohner zählende Doppelort Wenningstedt-Braderup pro Jahr beherbergt, könnten dort einkehren – oder zumindest daran vorbei zum weit ausladenden Strand hinuntergehen.

Das Engagement des 69-Jährigen, der seine Karriere als Aalverkäufer zwischen Liegestühlen begann und vor 40 Jahren die "nördlichste Fischbude Deutschlands" in List aufmachte, führt in Wenningstedt zu einem architektonischen Wahrzeichen. Gleich neben dem bestehenden Gosch-Bistro (das später abgerissen wird) lässt der Fisch-König ein Restaurant bauen, das aussieht, "wie die Flosse eines Wals". Weniger bildhaft: In die Dünen zwischen der Inselmetropole Westerland und dem feudalen Kampen duckt sich eine filigrane Konstruktion aus Glasfassaden und begehbaren, begrünten Dachflächen. Bis zu 150 Gäste können drinnen, rund 220 auf den schwebenden hölzernen Außenterrassen speisen. Nordseeblick garantiert.

In sechs Wochen lässt Gosch die Bagger anrollen, in einem Jahr soll alles fertig sein. Dann zieht der Chef persönlich dort ein. Denn der Mann, der neun Fisch-Verkaufsstellen auf Sylt betreibt, der von seinem Produktionsbetrieb bei Schleswig 21 Gosch-Franchise-Nehmer von Hamburg bis Stuttgart versorgt (darunter in Düsseldorf viermal Gosch) und bei dem rund 300 Mitarbeiter auf der Gehaltsliste stehen, wird sich vom ersten Kapitel seiner Erfolgsgeschichte verabschieden: "Für die Betriebe am Hafen in List suche ich Geschäftsführer. Am Kliff in Wenningstedt werde ich dann als alter Fischhändler meine Sprüche kloppen. So wie früher." Und: "Das wird mein Alterssitz", ergänzt Familienvater Gosch (Ehefrau Anna, zwei Töchter), bisher ohne Nachfolger, fünf Monate vor seinem 70. Geburtstag.

Die als Familien-Ferienort beliebte (und bezahlbare) Gemeinde mit den Ortsteilen Wenningstedt (Strand) und Braderup (Watt) freut sich auf den Insel-Promi in Nachbarschaft zu einem eigenen Neubau: Nach jahrelangem juristischen und finanziellen Gezänk entsteht am Kliff bis 2013 ein "Haus des Gastes". Auf 3500 Quadratmeter Nutzfläche können die Urlauber zwischen Tourist-Info, Läden, Restaurants und Wellnessangeboten wandeln. Die Kosten für den Bau werden auf zehn Millionen Euro geschätzt.

Auf schnöden Mammon lässt Fisch-Gosch sich bei der Frage nach dem Investitionsvolumen für das neue Flaggschiff seines Imperiums nicht ein. Nur soviel zur Finanzierung: " Ich versuche, da keine Bank mit hinein zunehmen. Ich will mich in meinem Alter nicht noch verschulden." Lieber schwärmt er von der touristischen Attraktion, die durch die Neubauten von Kur- und Fischhaus auch geschaffen wird. "Da entsteht", sagt der Mann, der die Fischbrötchen zum Kulthappen gesteigert hat, "die schönste Promenade Europas." Und setzt noch mal nach: "Wahrscheinlich der Welt."

(RP)
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