Idyllische Inselgruppe Galapagos — das letzte Paradies

Düsseldorf · Der Blaufußtölpel will nicht tanzen. Wie ein aufgeregter Gardeoffizier watschelt er vor seinem Weibchen auf und ab, den spitzen Schnabel lanzengleich in die Luft gestreckt, die Touristen fest im Blick. Im Halbkreis stehen sie um ihn herum, die Kameras auf seine blauen Entenfüße gerichtet: Eigentlich müsste er nun mit dem Balztanz beginnen.

Die Galapagos-Inseln
9 Bilder

Die Galapagos-Inseln

9 Bilder
Foto: AFP

Doch der Tölpel tanzt nicht. Irgendwann geht Johann weiter und sagt: "Ich glaube, er braucht mehr Privatsphäre." Widerwillig folgen ihm die Touristen, während in ihrem Rücken der Blaufußtölpel seine Flügel spreizt und zu tanzen beginnt.

Johann ist Touristenführer auf den Galapagos-Inseln, einem der abgelegensten Reiseziele der Welt. Mitten im Pazifischen Ozean ist nach Vulkaneruptionen vor Millionen von Jahren eine vom Festland isolierte Inselgruppe entstanden, auf der sich ein einzigartiges Ökosystem entwickelte — mit einer Fülle von Tier- und Pflanzenarten, die sonst nirgendwo zu finden sind. Erst im 16. Jahrhundert wurden die Inseln entdeckt, die mit Charles Darwins Forschung zur Entstehung der Arten Weltruhm erlangen sollten.

Viele seltene Tierarten

Heute gehört das Archipel mit seinen 14 größeren Eilanden zu Ecuador. 97 Prozent der Landmasse sind Nationalparkgebiet — ein Tierreich, in dem sich seltene Vogel- und Reptilienarten aus nächster Nähe beobachten lassen: Landleguane, Riesenschildkröten, Meerechsen, Albatrosse und Seelöwen.

Menschen haben lediglich an 70 ausgesuchten Besucherplätzen Zutritt zum Park. Viele Aussichtspunkte können bloß in Begleitung eines Naturkundeführers besucht werden. Noch dazu liegen die Inseln so weit auseinander, dass etliche Plätze nur auf einer Kreuzfahrt erreichbar sind. Wegen der Kosten für Anreise, Kreuzfahrt und Führungen galten die Galapagos-Inseln stets als eines der teuersten Reiseziele der Welt. Doch kommen inzwischen immer mehr junge Rucksackreisende.

Johann hat seinen Rundgang durch die Nistplätze der Blaufußtölpel beendet. Ein Nieselschleier hüllt die schroffe Küstenlandschaft ein, schwarze Meerechsen krallen sich an den Felsvorsprüngen fest, am Himmel tanzen Raubvögel mit den Passatwinden des Südens, die in der zweiten Jahreshälfte auffrischen und den kühlen Humboldtstrom vor sich hertreiben, in dessen nährstoffreichen Wassermassen die Buckelwale alljährlich gen Norden reisen — ein gigantisches Naturschauspiel.

Es ist die kalte Jahreszeit auf Galapagos, in der es zur Mittagszeit oft nieselt und der Himmel meist bedeckt ist. Die Temperaturen sinken dann auf unter 20 Grad, das Meer kühlt sich auf 18 Grad ab. Nur noch in Neoprenanzügen trauen sich die Touristen ins Meer, um mit den Pinguinen zu schwimmen, die zu dieser Zeit besonders aktiv sind und wie kleine Torpedos durch das Wasser flitzen.

Trotz der Idylle: Die Galapagos-Inseln haben sich verändert. Die Parkverwaltung hat die Anzahl der zugelassenen Touristen stetig erhöht, ebenso wie die Anzahl der zugelassenen Kreuzfahrtschiffe. In Puerto Ayora, der Hafenstadt auf der Hauptinsel Santa Cruz, gibt es einfache Pensionen. Restaurants und Internetcafés reihen sich an der Promenade aneinander.

Besucherexplosion

Die Entwicklung der touristischen Infrastruktur ist nicht ohne Wirkung geblieben: Besichtigten 1979 knapp 12 000 Touristen die Inseln, so waren es 2010 mehr als 173 000. Ein Besucheransturm, der Spuren hinterlässt: "Früher haben die Blaufußtölpel in Puerto Ayora vor unserer Haustür getanzt", erzählt Johann. "Heute gibt es auf der ganzen Insel keine Tölpel mehr."

Die Tiere ziehen sich zurück. Ein schlechtes Zeichen, weshalb nun ein Kampf entbrannt ist — zwischen Regierung, Nationalpark und Tierschützern. Es geht um finanzielle Interessen, um die Grenzen des Tourismus und um den Schutz eines kostbaren Fleckens Erde.

Es liegt Streit in der Luft, das spürt Johann. Es ist dieselbe Stimmung wie damals, als er als Teenager gegen den Nationalpark demonstriert hat. "Tötet den einsamen George" haben die Inselbewohner gerufen und sind mit Mistgabeln auf die Charles-Darwin-Station zugestürmt, wo der Nationalpark seine Schildkrötenforschung betreibt — und wo bis heute der "einsame George" lebt: der letzte Vertreter einer Riesenschildkrötenart — das Wahrzeichen des Parks. "Wir hatten nichts gegen George, wir wehrten uns nur gegen neue Nationalparkgesetze, die den Fischfang einschränkten und uns die Lebensgrundlage entzogen."

Heute gibt es kaum noch Fischer. Zwei Drittel der Bevölkerung leben vom Tourismus. Auf Santa Cruz sind die Blaufußtölpel weg. Und Johann trägt das Abzeichen des Nationalparks auf seinem Hemd.

(RP/chk)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort