Warum ist FKK so beliebt in Deutschland? Eine Rückkehr zu den Ursprüngen

Die Urform des menschlichen Daseins ist das Nacktsein. Nackt werden wir alle geboren, und auch die biblische Geschichte beschreibt den Menschen zunächst als "nackt".

FKK - das sollten Sie wissen
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Foto: dpa/Daniel Karmann

Erst mit dem Biss in die "verbotene Frucht" schämen sich Adam und Eva voreinander. "Scham" ist dabei ein Wort, das die Freunde des modernen "Nacktseins" nicht kennen. Eine Form davon ist die sogenannte Freikörperkultur, kurz FKK. Die FKK hat in Deutschland eine lange Tradition, die auch die nationalsozialistische und kommunistische Diktatur nicht "beseitigen" konnten. Im Gegenteil: In der DDR erfreute sich das "Nacktbaden" sehr großer Beliebtheit. Und trotz wiederholter Abgesänge ist FKK in Deutschland und auch im benachbarten Europa nach wie vor beliebt.

Was bedeutet FKK?

Die Abkürzung "FKK" bedeutet „FreiKörperKultur“ und nicht "Freie Körper Kultur". Freikörperkultur hat Überschneidungen mit Nacktkultur, Naturismus und Nudismus und sieht die gemeinschaftliche Nacktheit der Menschen in Freizeit, Sport und Alltag vor.

Wie und wann ist FKK entstanden?

Die Ursprünge der Freikörperkultur können bis ins ausgehende 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Sie liegen in Deutschland, und dabei war die Region um Berlin das Zentrum. FKK ist weltweit unter dem Begriff Naturismus verbreitet, besonders in Europa, Nordamerika und Australien wird FKK betrieben. In Europa findet diese Lebensart vor allem im deutschsprachigen Raum und in Skandinavien Anhänger.

Man muss bedenken, dass erst in der Neuzeit mit dem Aufkommen einer Baumwollindustrie das Tragen von Nacht- und Badebekleidung üblich wurde. "Im Biedermeier des beginnenden 19. Jahrhunderts gewann die kleinbürgerliche Strenge der viktorianischen Ära die Oberhand, und die Nacktheit entschwand aus der Öffentlichkeit. Die erste industrielle Revolution führte zur Urbanisierung mit Mietskasernen und dem Milieu des Massenelends der Arbeiter und deren rachitischer, unterernährter und tuberkulöser Kinder", schreibt der Deutsche Verband für Freikörperkultur (DFK). Schon 1828 erkannte der Swinemünder Badearzt Richard Kind die Schädlichkeit der Badekleider, 1848 schrieb der Wyker Arzt Doktor Penike, dass für die günstige Wirkung des Badens die unmittelbare Berührung des Wassers mit dem Körper erforderlich sei.

Da der prüden Gesellschaft Nacktheit als „grober Unfug” galt und frühe Verfechter wie Diefenbach und Fidus dafür 1888 zu Haftstrafen verurteilt wurden, entschlossen sich 1893 in Essen 50 gesundheitsbewusste Gesinnungsfreunde, den ersten FKK–Verein der Welt zu gründen. 1903 entstand dann bei Lübeck das erste FKK-Gelände. Drei Jahre später gründete Richard Ungewitter die FKK-Gruppierung für „hygienische, ethische und ästhetische Kultur”. Damit begann die Entwicklung, in Räumen wie auch im Freien nackt zu turnen und sogar nackt zu tanzen. „Die Freikörperkultur florierte nach dem Ersten Weltkrieg. Nach dem Ersten Weltkrieg waren es in Deutschland sowohl Frauen (Dora Menzler) als auch Männer (Adolf Koch, Charly Strässer) die den nackten Ausdruckstanz und die Nacktgymnastik förderten. In jener Zeit galt in diesen Kulturgruppen neben der Nacktheit ein reformerischer Lebensstil mit Abstinenz von Fleisch, Tabak, Alkohol, aber auch von Lippenstift und Körperschmuck“, so der Deutsche Verband für Freikörperkultur.

In Deutschland wuchs die FKK-Bewegung ständig und erreichte 1930 schon fast 25 000 organisierte Mitglieder. Die zahlreichen, inzwischen in Deutschland entstandenen FKK-Vereine waren überwiegend bürgerlich-vaterländisch orientiert und unterhielten Kontakte zu der „Bündischen Jugend”. Nur wenige Vereine, wie Kochs Sozialpädagogische Körperkulturschule im „roten” Lichtenberg Berlins, waren sozialistisch geprägt. Mit der Machtergreifung der Nazis kam zunächst das Aus für die FKK. Für die Nazis war die Nacktkultur eine der größten Gefahren für die deutsche Kultur und Sittlichkeit. Doch nachdem sich einige Vereine dem „Reichsbund für Leibesübungen” anschlossen und ihre Satzungen der neuen Ideologie angepasst hatten, wurde 1934 der „Völkische Kampfring für Leibesübungen“ zugelassen.

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Foto: dpa/Julian Stratenschulte

1936 verfügte Heinrich Himmler, die FKK nicht mehr zu behindern, und im Oktober 1938 schrieb „Das Schwarze Korps”, die Zeitschrift der SS, „Der Leib selber hat sich wieder durchgesetzt und verlangt nach weitgehender Nacktheit überall dort, wo sie ihm ungezwungen möglich ist”. Dass sich auch die Körperkultur in diesen Jahren den nazistischen Vorstellungen unterzuordnen hatte, war selbstverständlich. Als „freier Körper” galt nur der nackte Leib.

"Nach dem Krieg gab es zwei unterschiedliche Entwicklungen in Ost und West. In der SBZ und späteren DDR kam es zu keinen Neugründungen von Vereinen, doch an den weiten Stränden der Ostsee widmeten sich die Anhänger der FKK ungestört ihren Vergnügungen. 1950 wurde ein Teil der Insel Hiddensee amtlicherseits der Freikörperkultur zur Verfügung gestellt", schreibt das DFK. "Das unorganisierte Nacktbaden an den weiten Stränden führte dazu, dass es meist familiäre oder befreundete Grüppchen waren, die ein Strandareal nutzten. Bei der Weitläufigkeit der Strände lagen die einzelnen Grüppchen so weit voneinander entfernt, dass sie keine Gemeinschaft bildeten. Das führte dazu, dass für die Ostdeutschen Nacktheit meist nur in der Familie akzeptiert wird."

Wo ist FKK in Deutschland erlaubt?

"Zu 100 Prozent in den offiziellen FKK-Vereinen", sagt Michaela Toepper, die Vizepräsidentin des Deutschen Verbandes für Freikörperkultur (DFK). "In Deutschland sind dem DFK ca. 130 FKK-Sport-Vereine angeschlossen. Dazu kann es auf den FKK-Campingplätzen und an ausgewiesenen FKK-Stränden praktiziert werden. Es gibt auch einige offizielle Nacktwanderwege." Strafrechtlich verboten sei die Nacktheit in der Öffentlichkeit in Deutschland nicht, zumindest nicht ohne sexuellen Bezug. "Trotzdem kann gemäß § 118 des Ordnungswidrigkeitengesetzes beispielsweise wegen Belästigung der Allgemeinheit, wegen groben Unfugs oder wegen Bedrohung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein Bußgeld verhängt werden", sagt Toepper. "Doch der Paragraf ist so allgemein und unbestimmt formuliert, dass das Gesetz sehr dehnbar ist und immer der Einzelfall betrachtet werden muss."

Was sind beliebte FKK-Reiseziele in Europa?

Wie schon beschrieben, sind in Europa vor allem der deutschsprachige Raum und Skandinavien mit Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland, interessant für "Nackt-Urlauber". Kroatien, Frankreich, die Niederlande und Spanien locken Touristen jedoch auch an. In Deutschland sind die Ostsee mit den Inseln Fehmarn, Usedom, Rügen, aber auch Sylt attraktive Reiseziele für FKK-Freunde.

Welche Regeln gelten am FKK-Strand?

Damit das Nacktsein untereinander so angenehm wie möglich ist, gibt es ein paar Regeln, an die sich alle Teilnehmer halten sollten. Zunächst sollte man sich den richtigen Strand aussuchen. Da gibt es mehrere Optionen, so kann man bekleidet oder textilfrei an einigen Stränden sein, an anderen muss man nackt sein. Man sollte sich zudem für einen offiziellen entscheiden. Im FKK-Bereich gilt die Regel: Hier sind alle gleich. Das heißt in seiner Nacktheit soll sich niemand unwohl fühlen, ganz egal wie er oder sie aussieht. Naturisten entkleiden sich für sich selbst und aus Respekt den anderen gegenüber. Jeder Mensch ist einzigartig. Es gibt keinen perfekten Körper. Naturismus hilft zu erkennen, dass Körper in allen Formen und Größen vorkommen.

Ob dick, dünn, groß oder klein, es gilt die Regel, dass glotzen oder gaffen verboten ist. Im direkten Dialog bzw. im Gespräch sollten die Menschen sich in die Augen schauen und den Blick nicht die ganze Zeit schweifen lassen, das ist ganz schlechter Stil. 95 Prozent des Blickes sollten dem Gesicht des Gegenüber gelten, ein wenig darf man jedoch schauen. Was gar nicht geht: Abschätzige Blicke oder Bemerkungen, so "witzig" sie gemeint sind, sollte man sich im FKK-Bereich sparen. Zudem sollten Paare nicht intim werden, da sich andere Badegäste belästigt fühlen. Sexuelle Handlungen schließen sich natürlich in der Öffentlichkeit am Strand oder im Urlaub aus. FKK-Sandstrände an Badeseen oder am Meer sind zudem foto- und videofrei. Beides ist absolut unerwünscht, da sie schnell zu Missverständnissen führen können. Also: Auf jeden Fall die Handykamera und den Fotoapparat ausschalten, denn niemand möchte ungefragt auf Fotos oder eventuell in den sozialen Medien auftauchen.

Wichtig ist auch, den richtigen Sonnenschutz zu wählen, denn komplett nackt heißt auch, komplett ungeschützt. Sonnenmilch ist wichtig, denn einige der Stellen, die plötzlich "freiliegen", sind der Sonne ansonsten eher selten ausgesetzt und besonders empfindlich. Wichtig ist auch die richtige Unterlage, denn der Sand dringt ansonsten dorthin, wo er garantiert nicht hin gehört. Es ist auch aus hygienischen Gründen wichtig, immer etwas zwischen dem nackten Körper und einem Liegestuhl, dem Strandbarhocker oder Chill-Out-Sessel zu haben. Unter Nudisten gilt, dass sich immer etwas zwischen Körper und Stuhl befinden sollte. Auch Schuhe oder Schlappen sollten nicht vergessen werden, denn nicht alle Untergründe sind für das Barfußlaufen geeignet. Wichtig ist auch der richtige Abstand. FKK-Strände sind eher nicht so überlaufen wie normale, deshalb dürfte das kein Problem darstellen. Der Abstand sollte zwischen den Liegen oder Handtüchern mindestens zwei Meter betragen.

Was schätzen Liebhaber an FKK?

"Das freie Lebensgefühl, die Nähe zur Natur", sagt Michaela Toepper. Freunde der Freikörperkultur lieben das ungezwungene, freie Gefühl, nackt zu sein.

Wieso war FKK in der DDR so beliebt?

Vor allem in den sechziger Jahren bis zum Ende der DDR entwickelte sich dort ein freier und breiter gesellschaftlicher Konsens für die sich selbst organisierende Freikörperkultur. Sie wurde vom Staat ab den sechziger Jahren ohne nennenswerte Verbotsanstrengungen toleriert und akzeptiert. Der große Zusammenhalt entstand durch die gegenseitige Wertschätzung auf der Basis eines ausgeprägten Gleichwertgefühls, ob es sich nun um Studenten, Familien, Rentner, Kraftfahrer oder Wissenschaftler handelte. In der DDR wurden FKK-Abschnitte an der Ostsee mit Schildern am Strand "FKK oder Textil" gekennzeichnet. Die Abschnitte wurden durch die jährlich wachsende Zahl von FKK-Urlaubern größer und erreichten auch die Seebäder. Noch in den 1990er Jahren wechselten sich dort in regelmäßiger Folge Textil- und FKK-Abschnitte ab.

Ein Grund für den Erfolg von FKK in der DDR ist in den gesellschaftlichen und sozialen Bedingungen zu suchen, die sich für die Mehrzahl ihrer Bürger verbessert hatten. "Der Wunsch nach freiem, selbst gewähltem Urlaub und Reisen war aber durch die Bedingungen des Kalten Krieges mit der Grenzschließung 1961 für sie nahezu unerfüllbar, außer in die damalige Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder, aber auch dorthin nur in begrenztem Maße möglich", schreibt der Deutsche Verband für Freikörperkultur (DFK). Den Ausweg bot dann die freie FKK- und Camping-Bewegung. Die gewachsene Motorisierung, vergrößerte Angebote an Campingausrüstungen, auch ein individueller Erfindergeist der FKK- und Campingfreunde unterstützten die Ausbreitung der Bewegung.

Ist der FKK-Trend rückläufig und wenn ja, wieso?

FKK wurde schon mehrfach tot gesagt, doch die Freikörperkultur ist nach wie vor beliebt. So sieht das auch Michaela Toepper, die Vizepräsidentin des Deutschen Verbandes für Freikörperkultur (DFK): "Es gibt Vereine, die Zuwachs haben und andere, die keine neuen Mitglieder bekommen. Generell ist der Trend sogar so, dass viele Menschen wieder mehr den Naturismus als Lebensform entdecken."

Was ist Naturismus und was sind Naturisten?

"Naturismus ist eine Lebensweise für jedes Alter. Naturismus bedeutet, sich frei zu fühlen und zwanglos und tolerant mit Gleichgesinnten umzugehen. Naturismus und Wohlbefinden gehören eng zusammen. Wir sind darauf bedacht, uns selbst, den Anderen und die Umwelt zu achten und zu respektieren. Ein Anliegen dabei ist auch die Freude am Erlebnis der Natur.

In unserem Gemeinschaftsleben erfreuen wir uns an sportlichen Aktivitäten und einer gesunden Lebensweise. Wir bieten ein Umfeld, in dem Menschen Naturisten sein können und den Werten des Naturismus folgen können. Aber nicht jeder wird gleich Naturist und auch nicht zwingend. Für einige unserer Mitglieder bedeutet der Aufenthalt bei uns einfach eine Freizeitbeschäftigung, die sie frei von Kleidung genießen möchten", sagt Michaela Toepper.

Wer sind die Kritiker an FKK?

"In Deutschland gibt es eine sehr lange FKK-Tradition, und die Akzeptanz ist recht groß", sagt Michaela Toepper vom DFK. "Allerdings hat sich in den letzten Jahrzehnten die Gesellschaft und das Leben im Allgemeinen sehr verändert, das hat auch Auswirkungen auf die FreiKörperKultur."

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